Berliner Mieterverein nennt Klage „zynisch“: Union und FDP bringen Mietendeckel vors Bundesverfassungsgericht
Zwei Bundestagsfraktionen haben am Mittwoch einen Antrag auf Normenkontrolle eingereicht. Senatorin Lompscher begrüßt die Klage, der Mieterverein verurteilt sie.
Der Berliner Mietendeckel kommt vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP haben ihre Normenkontroll-Klage gegen das Gesetz des Landes Berlin fertig gestellt. Am Mittwoch früh bestätigte das oberste Gericht, dass der Antrag zur Entscheidung vorliege.
Kern des Vorwurfs: Mit der erstmals überhaupt von einem Bundesland verfügten gesetzlichen Regulierung der Mieten würden bestehende Regelungen des Bundes zum Mieterschutz verdrängt. Dies sei ein unzulässiger „Übergriff in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers“.
Berlins Gesetz zum Mietendeckel bewege sich „im verfassungsrechtlichen Niemandsland“, sagte Jan-Marco Luczak. Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für Recht und Verbraucherschutz ist einer der Initiatoren der Klage. Hinter die „abstrakte Normenkontrolle“ hätten sich 284 Bundestagsabgeordnete gestellt, 204 Parlamentarier aus der Union sowie 80 aus der FDP-Fraktion. Das seien 40 Prozent aller Bundestagsabgeordneten überhaupt. Nicht unterschrieben haben 42 CDU-Abgeordnete im Bundestag. "Zwei oder drei weil es politisch nicht einfach zu kommunizieren ist", wie Luczak zugab.
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Wegen der "rechtsstaatlichen Dimension" des Landesgesetzes, bei dem erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik das vom Bund regulierte Mietrecht durch Landesregeln ersetzt wird, hofft der CDU-Abgeordnete auf eine "einstweilige Anordnung" des Bundesverfassungsgerichtes. Damit würde das Gesetz bis zur endgültigen Entscheidung zunächst ausgesetzt.
Einen entsprechenden Eilantrag, der das Gericht zu einer Entscheidung darüber zwingen würde, reichte der Prozessbevollmächtigte Wolfgang Spoerr aber nicht ein. "Wir haben es in die Hand des Verfassungsgerichtes gelegt."
Weitere Klage vor Berlins Landesverfassungsgericht folgt
Eine weitere Klage gegen den Mietendeckel, so Luczak weiter, "werden wir als CDU in Berlin vor dem Berliner Landesverfassungsgericht auf den Weg bringen". Der aus Berlin in den Bundestag gewählte Abgeordnete ist Sprecher der sechs CDU-Bundestagsmitglieder aus der Hauptstadt.
Normenkontroll-Verfahren dienen der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit richterlicher Entscheidungen oder gesetzlicher Regelungen. Unterschieden werden „konkrete Normenkontrolle“ zur Überprüfung von Urteilen sowie „abstrakte Normenkontrollen“ wie in diesem Fall zur Überprüfung des Mietendeckels.
Ein solcher Antrag kann nur von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages gestellt werden. Mit der abstrakten Normenkontrolle können sämtliche Normen des Bundes- oder Landesrechts auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft werden, bei Landesrecht zudem auf die Vereinbarkeit mit sonstigem Bundesrecht. Das Bundesverfassungsgericht prüft dies umfassend und ist nicht auf die Rügen des Antragstellers beschränkt.
Mietendeckel friert Wohnungsmieten für fünf Jahre ein
Der Mietendeckel trat am 23. Februar in Berlin in Kraft. Das Gesetz friert die Wohnungsmieten fünf Jahre lang ein und nennt Obergrenzen zwischen 5 Euro und 11,80 Euro je Quadratmeter, abhängig von Baujahr und Zustand der Immobilie. Dies gilt für alle Wohnungen außer Neubauten, die neu vermietet werden.
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Ab 23. November kommt die Absenkung der Miethöhe bei bestehenden Verträgen hinzu, sofern diese 20 Prozent der staatlich festgelegten Mieten überschreiten. Forschungsinstituten zufolge sind die Mieten in Berlin im ersten Quartal dieses Jahres gesunken und dies stehe im Zusammenhang mit dem Mietendeckel.
CDU-Rechtsexperte Luczak: "Stoppzeichen gegen Übergriff"
CDU-Rechtsexperte Luczak, selbst direkt gewählter Abgeordneter aus Tempelhof-Schöneberg, nannte die Klage „ein Stoppzeichen“: Die Abgeordneten seien nicht bereit „den Übergriff in unsere Kompetenz als Bundesgesetzgeber hinzunehmen“.
Luczak zufolge würden die „vielen mieterschützenden Regelungen“ des Bundes „in Berlin durch den Mietendeckel verdrängt“. Als „populistische Scheinlösung“ helfe der Mietendeckel den Menschen nicht, sondern schade ihnen vielmehr. Denn der „dringend benötigter Neubau wird verhindert, der alters- und klimagerechte Umbau von Wohnungen torpediert“.
Hinzu komme, dass der Mietendeckel Mieter begünstige, die staatlicher Hilfe nicht bedürften: „Gut situierte Mieter in teuren, sanierten Altbauwohnungen in bester Citylage profitieren von ihm am meisten.“ Während sich dort die Miete oftmals halbiere, hätten Mieter in Marzahn nichts vom Mietendeckel. Ungerecht sei der Mietendeckel ferner, weil auch „soziale Vermieter wie Genossenschaften in wirtschaftliche Existenznot“ gerieten „und private Kleinvermieter um ihre Altersvorsorge gebracht“ würden.
Stadtentwicklungssenatorin Lompscher "begrüßt notwendige Klärung"
Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher (Linke) sagte auf Anfrage: „Wir haben die gerichtliche Überprüfung erwartet und begrüßen die notwendige Klärung, um die bestehende Unsicherheit bei Mieterinnen und Mietern zu beenden.“
In der aktuellen Krise zeige sich sehr deutlich, wie schnell eine hohe Mietbelastung zur existentiellen Bedrohung werden könne, sagte Lompscher weiter. „Viele Menschen haben aktuell Angst, ihr Dach über dem Kopf zu verlieren. Damit muss Schluss sein.“
Wohnungsverbände wollen schnelles Urteil, Mieterverein nennt Klage "zynisch"
Begrüßt wird die Klage auch vom Wohnungsverband bfw: "Mit dem Mietendeckel werden Mieter und Vermieter gegeneinander ausgespielt, ohne dass die Ursachen für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Angriff genommen werden", sagte Präsident Andreas Ibel. Er hoffe auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts "noch in diesem Jahr".
Der Chef des Immobilienverbandes Deutschland Michael Schick befürchtet einen "Flickenteppich aus landesrechtlichen Regelungen" mit "gravierender rechtlicher Unsicherheit". Er hofft deshalb auf "Klarheit darüber, dass Mietrecht Bundesrecht ist".
„Der Mietendeckel ist gerade im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie in Berlin von besonderer sozialpolitischer Bedeutung", sagte der Chef des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Das Berliner Gesetz nun mittels einen Normenkontroll-Klage zu beseitigen, sei "zynisch". Zumal Bundesregierung und Bundestag "beim Mieterschutz wie auch bei den Rahmenbedingungen für den Bau preisgünstiger Mietwohnungen versagt" hätten.