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Blick über die Westoder bei Mescherin in Brandenburg
© dpa/Patrick Pleul

Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach: "Überall mit dem Handy telefonieren können – das hat Priorität"

Brandenburgs neuer Wirtschaftsminister Jörg Steinbach im Tagesspiegel-Interview über Funklöcher, Besserwessis aus Berlin, den blamablen BER und die SPD.

Brandenburg darf Fördermillionen aus Brüssel nicht abrufen, weil die EU wegen Missständen bei der Bewilligungspraxis einen Zahlungsstopp für den EFRE-Fonds verhängt hat. Schlimmer kann es für Sie doch eigentlich nicht losgehen. Oder, Herr Steinbach?

Mal halblang. Das ist nicht schön, keine Frage. Aber es sind auch komplizierte Prozesse. Und ich möchte betonten: Für diejenigen, die Fördermittel beantragen, hat es keinerlei Auswirkungen. Wir werden diese verwaltungstechnischen Probleme bis Ende des Jahres hoffentlich bereinigt haben und dann ruhigen Gewissens nach Brüssel melden können: Alles wieder im grünen Bereich. Dann gehe ich davon aus, dass die von Brandenburg verauslagten EFRE-Fördermittel auch wieder erstattet werden.

Können Sie den Termin garantieren?

Wenn alles wie geplant läuft, es keine neuen Überraschungen gibt, dann ist das Thema zum Ende des Jahres vom Tisch.    

Sie ziehen keine Konsequenzen aus dem Fall? 

Doch, nämlich die, dass wir transparenter sein müssen. Wenn das Ministerium Wirtschaftsausschuss und Parlament Anfang des Jahres informiert hätte, dass es mit Brüssel Meinungsverschiedenheiten um Ermessensentscheidungen gibt, wäre die Aufregung jetzt vielleicht geringer. Unter meiner Regie wird das Haus künftig eine andere Kommunikationspolitik fahren.

Sie haben den Job ein Jahr vor der nächsten Brandenburg-Wahl übernommen. Was wollen, was können Sie in so kurzer Zeit unbedingt schaffen?

Ich werde vermutlich nur neun Monate haben. Alles, was man ab dem dritten Quartal 2019 macht, würde einem ja als Wahlkampf ausgelegt werden. Rein fachliches Handeln muss also bis zum Juni passieren. Mein Fahrplan: In den ersten drei Monaten möchte ich meine Lernkurve durchlaufen. Ich will zuhören. Ich will alle Regionen des Landes mit ihren Problemen kennenlernen, um für die Wirtschaftspolitik Brandenburgs konzeptionell ein, zwei Signale zu setzen. Ich möchte, dass diejenigen, die mir Anregungen, Kritik, Anstöße auf den Weg geben, auch merken: Okay, der macht etwas daraus und setzt es um.

Jörg Steinbach, Minister für Wirtschaft und Energie, bei seinem Antrittsbesuch.
Jörg Steinbach, Minister für Wirtschaft und Energie, bei seinem Antrittsbesuch.
© Andreas Klaer

Fangen wir mal konkret an: Ist es das Digitale, mit der Spannbreite von Breitband bis Funklöchern, wo Sie nachsteuern wollen? 

Die Digitalisierung wird eine Rolle spielen, sicher keine kleine. Warten Sie es ab! Ich meine es grundsätzlicher: Es gibt eine berechtigte Erwartungshaltung an die Politik, das Notwendige aktiv voranzutreiben. Das bedeutet aber, dass man darüber auch einmal fünf Minuten nachgedacht haben muss: Mein Ziel ist es, dass ich dafür einen roten Faden entwickle. Ich bin Ingenieur, komme aus der Wissenschaft, bin es gewohnt, Dinge systematisch anzupacken. Ich will es nicht Masterplan nennen, aber ein roter Faden muss schon deutlich werden für Brandenburg, und dabei besonders für die Lausitz. 

Die heben wir uns noch auf. Wann wird die von der Regierung beschlossene neue „Digitalagentur“ arbeitsfähig sein, die den Breitbandausbau beschleunigen, den Bau von über tausend neuen W-Land-Hotspots managen soll?

Ich bin noch dabei, mir ein eigenes Bild darüber zu machen, wie der Stand der Vorarbeiten ist. Ich will keine vorschnellen Aussagen über Termine machen. Es gibt ja  auch im Detail viele Schwierigkeiten. So stehen mit den veränderten Bundesrichtlinien die Landkreise vor der Frage, ob man die neue Möglichkeit nutzt, die Planungen gleich auf höhere Übertragungsraten, also ein Gigabit bis ans Haus, umzustellen. Das hätte aber eine Erweiterung der laufenden Vergabeverfahren zur Folge, was wieder drei, vier Monate kostet. Was schlimmer ist und mich umtreibt: Selbst wenn alles vorbereitet ist, drohen neue Verzögerungen, weil es zu wenige Anbieter gibt. Und die Auftragsbücher dieser Firmen, die installieren müssen, sind voll. 

Was wäre eine Lösung?

Für den Breitbandausbau, für schnelles Internet muss der Osten Deutschlands eine Priorität bekommen - auch bei den Firmen. Damit dies geschieht, muss auch Politik ihren Einfluss gelten machen. Da sehe ich eine Aufgabe. Wenn wir nach Reihenfolge der Aufträge rankommen, dauert es mit einer flächendeckenden Versorgung zu lange. Ähnlich sieht es beim Ausbau des Stromnetzes aus: Die Uckermarktrasse soll 2022 endlich ans Netz gehen, der Start war 2006. Das sind Zeiträume, die man niemandem mehr erklären kann. Auch hier gilt: Der Osten muss eine andere Priorität bekommen. Das gilt für das schnelle Internet genauso wie für den aktuell anstehenden Umstieg auf den neuen Mobilfunkstandard 5G oder den Bundesverkehrswegeplan, wo sonst die Strecke zwischen Cottbus und Lübbenau vielleicht erst 2030 zweigleisig wäre..

Bei der letzten Versteigerung der UMTS-Lizenzen wurden die Anbieter nur zu einem Versorgungsgrad von 98 Prozent verpflichtet. Das ist eine Ursache für die aktuellen Funklöcher in Brandenburg. Fordern Sie eine Verpflichtung der Mobilfunkanbieter zur 100-Prozent-Abdeckung für die neuen 5G-Netze?

Zuerst einmal müssen die aktuellen Lücken bei der Mobilfunkversorgung in der Fläche geschlossen werden. Eine Grundausstattung, dass man überall mit dem Handy telefonieren kann, muss erste Priorität sein. Ich erlebe das ja selber in meiner praktischen Arbeit: Bei Telekonferenzen als Minister kommt es immer wieder vor, dass ich meine Mitarbeiter funkmäßig verliere. Was die neuen Standards betrifft, sehe ich das differenziert. Ich bin persönlich nicht davon überzeugt, dass jeder Haushalt in Brandenburg 5G haben muss.

Sondern?

Diese hohen Übertragungsraten sind überall da vordringlich, wo es datenintensive Wertschöpfung gibt, in der Industrie, im Gesundheitswesen. Überall da, wo man die berühmte 4.0 dahinter setzt, also Bereiche, die ohne schnelle Datenübertragung gar nicht mehr auskommen oder sonst den Anschluss verlieren. Um zu Hause gute Filme zu streamen, reicht eine 50-MBit-Leitung. Mein Petitum ist: Wir brauchen schnell 50 MBit überall im Land und schnell höhere Datenraten an ausgewählten Orten, an Industrieparks, wo es nötig ist. Ich weiß, dass das eine gefährliche Aussage ist. Aber es nutzt uns auch nichts, wenn wir versuchen, ein 5G in jeden Winkel zu bringen, aber die Funklöcher in der Mark noch lange bleiben.

Mit Krawatte und Kaffee.
Mit Krawatte und Kaffee.
© Andreas Klaer

Mit Verlaub, Herr Steinbach, wenn man die Mobilfunkkonzerne nicht jetzt zu einer 100-Prozent-Abdeckung für das künftige 5G-Netz verpflichtet, schafft man die Funklöcher von Morgen und kann sich das autonome Fahren in einem ländlichen Flächenland wie Brandenburg abschminken!

Ein Risiko, ich weiß. Ich weise darauf hin, dass es einen Vorrang für bestimmte Hotspots geben muss. Auch das Thema autonomer Schienenverkehr im ländlichen Raum habe ich auf dem Schirm. Wo das geplant wird, muss man schneller handeln. Ich möchte aber einer Erwartungshaltung des einzelnen Mitbürgers in Brandenburg vorbeugen, dass an jeder Ort zum selben Zeitpunkt ein 5G-Mobilfunknetzverfügbar sein wird. Das halte ich nicht für einlösbar. Alle sollen wissen, in welche Richtung es geht.

Vom ersten Tag an bestimmt die Kohlekommission im Bund Ihre Arbeit. Braucht die Lausitz endlich Klarheit, wann Schluss mit der Braunkohle ist, damit sich alle darauf einstellen können?

Man kann mit vielem besser umgehen, wenn man klare Verhältnisse hat. Für mich ist aber die Reihenfolge, in der das erarbeitet wird, entscheidend. Da wünsche ich mir, dass die Kommission bei ihrer selbst gewählten Zielstellung bleibt: Erst die Strukturentwicklung diskutieren, überlegen, in welcher Zeit was zu schaffen ist. Und dann gegen rechnen, was bedeutet das für die Reduktion der Kohleverstromung und ein Ausstiegsdatum. Es wäre verkehrt, diese Reihenfolge umzudrehen. Dann hängt man wieder die betroffenen Menschen ab. Ich muss erst eine Perspektive bieten, dann kann ich die Gegenrechnung machen. Ich erwarte von der Kommission einen Fahrplan, vielleicht mit ein, zwei Zwischenstationen. 

Aber?

Was in den Jamaika-Koalitionsverhandlungen passiert ist, darf sich nicht wiederholen.

Das wäre?

Da sind die Gigawatts der Kohlekraftwerke, die abgeschaltet werden, wie am Roulettetisch verhandelt worden. Ich hoffe, dass die Kommission daraus gelernt hat. Wenn man jetzt wieder verantwortungslos jongliert, hätte das Enttäuschungen in der Bevölkerung und gesellschaftliche Konsequenzen zur Folge, die ich nicht erleben will. 

Was wollen Sie bei der Lausitz denn anders machen als Ihr Vorgänger?

An einem Punkt möchte ich einen gewissen Richtungswechsel erreichen. Es war richtig, dass Albrecht Gerber immer deutlich gesagt hat: Liebe Lausitzer, Ihr müsst selber Konzepte für Eure Region entwickeln! Als ich vor vier Jahren nach Cottbus kam, hat es mich erschrocken, wie sehr man in Südbrandenburg damals nach Potsdam geschaut hat, als ob von dort das Heilsbringen kommen muss. Inzwischen ist auch eine Mentalität gewachsen, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, selbst etwas draus zu machen. Es sind wunderbare Konzepte und Ideen da. Jetzt ist es meines Erachtens eine zentral zu leistende Aufgabe, dieses Lausitzer Patchwork zu ordnen, in eine gewisse Linie zu bringen, dafür Synergien in der Regierung auch mit anderen Ressorts zu erreichen. Dafür will ich mich einsetzen.

Wie stellen Sie sich eine prosperierende Lausitz nach der Braunkohle vor?

Ich denke an vier Säulen. Ich fange einmal beim Kohleverstromer selbst an. Wir werden auf die LEAG als Arbeitgeber nicht vollständig verzichten können. Wenn heute eine Industrieansiedlung gelingt oder ein Bestandsunternehmen erweitert und so zweihundert, dreihundert Jobs entstehen, ist das ein großer Erfolg. Jeder kann sich ausrechnen wie viele solche Ansiedlungen nötig wären, um 8000 LEAG-Arbeitsplätze zu ersetzen. Die wird man so in überschaubarer Zeit nicht zu 100 Prozent kompensieren können.  Es muss auch ein Wandel in der LEAG stattfinden, von einem Stromerzeuger zu einer Energieplattform, einem Dienstleister. Die LEAG muss dazu in neue Geschäftsfelder investieren.

Der zweite Streich?

Es müssen außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in der Lausitz angesiedelt werden. Effekte sind hier garantiert. Ich kenne den Mechanismus aus meinen früheren Tätigkeiten: Aus einer Forschergruppe wird innerhalb von zehn Jahren eine Abteilung mit über fünfzig wissenschaftlichen Mitarbeitern, nach fünfzehn Jahren ist da ein Institut von 200 bis 300 Mitarbeitern. Gelingt es also, drei bis vier Forschungsgebiete zu identifizieren, hierherzuholen, wären das 1000 bis 1500 Arbeitsplätze für die Lausitz. Und weitere Jobs aus Ausgründungen, Start-ups und auch von Zulieferern kämen noch hinzu.

Das dritte Standbein?

Man darf nicht bloß nach Neuem gucken, sondern muss auch die Stärken absichern, die man hat. Wir müssen die existierenden Unternehmen in ihrem Bestand wettbewerbsfähig halten. Dafür braucht es auch Unterstützungs- und Beratungsangebote wie etwa das Innovationszentrum Moderne Industrie an der BTU Cottbus. Bei vielen kleinen Firmen stellt sich ja auch das  Problem des Fachkräftemangels und der ungeklärten Unternehmensnachfolge.

Und womit wäre das Lausitzer Energiewendewunder komplett? 

Das kann man noch nicht seriös sagen, das ist noch Kaffeesatzleserei: Schaffen wir es, die Batteriefabrik in die Lausitz zu holen, um die wir im Wettbewerb mit anderen Bundesländern stehen, quasi unsere Olympiabewerbung? Oder wird es der Wasserstoffbereich sein, der in den letzten Jahren etwas vernachlässigt wurde, um etwa im öffentlichen Nahverkehr vielleicht noch zu anderen Konzepten zu kommen? Genaues werden wir erst in drei, vier Jahren wissen. Klar ist: Ein neuer Schwerpunkt, den es in der Region bisher nicht gibt, wird nötig sein. 

Wie schätzen Sie die Chancen der Olympiabewerbung um die Batteriefabrik ein?

Gut, weil wir gut sind! (lacht) Das muss, das kann mit Selbstbewusstsein betrieben werden. Ich denke, das Land hat entscheidende Standortvorteile für eine solche Produktion, dazu gehört auch die Grenzlage zu Polen, die Nähe zu Tschechien. Der Batteriemarkt, der zu bedienen wäre, endet nicht in Brandenburg, kann damit von vornherein nach Osten geplant und erschlossen werden. Zudem tun sich in der Forschung in Südbrandenburg im Augenblick Dinge, etwa bei Roh- und Ausgangsmaterialien, die hervorragend zu einer solchen Fabrik passen würden. Aber da will ich noch  nicht zuviel verraten. Und auch die Automobilindustrie ist in Brandenburg und Nordsachsen, gar nicht schlecht angesiedelt. 

Haben Sie schon einen Termin zum Antrittsbesuch bei Ihrer Berliner Amtskollegin Ramona Pop?

Ja, demnächst.

Sie hat Ihnen ja schon mal Lausitz-Nachhilfe gegeben, dass die Arbeitsplätze in der Lausitz nicht durch einen schnellen Kohleausstieg gefährdet seien, „sondern durch eine zaghafte Politik, die sich nicht traut, die Weichen für die Zukunft zu stellen“ und Warnungen vor einem Erstarken der AfD nur ein Ablenkmanöver seien. Was halten Sie dagegen?

Meine persönliche Erfahrung. Was in der Lausitz wirklich los ist, worum es dort geht, was die Menschen bewegt, kann man nur verstehen, wenn man dort gelebt und gearbeitet hat. Ich bin Berliner, ich hatte persönlich ein völlig anderes Bild von der Lausitz, als ich an die BTU nach Cottbus ging. Ich habe dieses Lausitz-Bild revidieren müssen. Es gibt in der Lausitz nach den Strukturbrüchen der 90er Jahre Wunden, eine Emotionalität, mit der man umgehen muss. Ich kann Frau Pop nur bitten, mit solchen Urteilen vorsichtiger zu sein, die aus der Berliner Entfernung heraus verkehrt sein müssen.

Hat ein belehrender Ton aus Berlin à la Pop negative Wirkungen auf die ohnehin angespannte Stimmung in der Lausitz?

Oh ja, der Besserwessi ist noch in Erinnerung.

Fragen wir mal umgekehrt: Was wünschen Sie sich von Berlin, damit die gesamte Hauptstadtregion besser entwickeln kann?

Ich glaube, ein Schlüssel ist der BER, der Flughafen, das traurigste Projekt der Hauptstadtregion. Das wird nur zu lösen sein, wenn dort Berlin, Brandenburg und der Bund konzertiert an einem Strang ziehen und sich nicht noch ständig kabbeln. Diese Never-Ending-Story muss 2020 ein glückliches Ende finden.

Sie sprechen den BER von sich aus an. Man merkt, dass Sie neu sind. Denn Ihr Vorgänger hat einen Bogen um das verminte Projekt gemacht. Wollen Sie den Flughafen stärker an sich ziehen?

Nein, bestimmt nicht! Ich kümmere mich gerne um Themen, wo ich selber gestalten kann, wie etwa die Entwicklung des Flughafenumfeldes. Für die Rettung des BER sind andere befähigter. Aber: Ich erwarte, dass das Projekt gelingt.

Halten Sie in der Wirtschaftspolitik eine engere Kooperation von Brandenburg und Berlin für sinnvoll?

Die Clusterstrategie, zwischen beiden Bundesländern abgestimmt, ist der richtige Weg. Das läuft, das muss sicher immer mal aktualisiert und nachjustiert werden, bleibt aber ein dynamischer Prozess. Man sollte den gemeinsamen Weg aus meiner Sicht aber auch nicht überstrapazieren. Wenn es um konkrete Ansiedlungen geht, bleiben die beiden Bundesländer natürlich Konkurrenten. Da kündige ich meinem ehemaligen Dienstherrn Berlin schon mal an: Ich werde alle meine Energie einsetzen, um Firmen nach Brandenburg zu holen. Ich habe auch schon ein, zwei namhafte europäische Unternehmen im Auge.

Und dann werben Sie damit, dass die Behördenwege in Brandenburg einfacher sind als im berüchtigten Berlin? 

Jedenfalls werden wir auf diesem Sektor immer wieder gelobt. Vor allem aber können wir damit punkten, dass es in Brandenburg genug Flächen gibt, die Unternehmen benötigen. Berlin ist eigentlich gesättigt. Es gibt an vielen Stellen für Firmen in der Stadt keine Erweiterungsmöglichkeiten, so dass es manche raus nach Brandenburg zieht.

Das klingt ja nach: „Brandenburg. Es kann so einfach sein.“ Wie finden Sie die Landeskampagne eigentlich?

Na ja, leider Gottes kann diese Kampagne ganz schnell in sehr, sehr falscher Art und Weise verwendet werden. Nehmen wir nur mal die Lausitz: Wer den Menschen mit ihren Sorgen und ihrer gefühlten Perspektivlosigkeit dort sagt, dass es in Brandenburg so einfach sein kann, dann kommt der Slogan nicht immer gut an. Aber ich gebe zu: Ich bin viel zu sehr Ingenieur, um etwas Besseres zu erfinden.

Sie haben angekündigt, in die SPD einzutreten. Diese Kröte müssen Sie also schlucken?

Das ist keine Kröte. Und das wird auch bald passieren. Sehen Sie, als Präsident an der TU Berlin, an der BTU war für mich Parteiunabhängigkeit eine Maxime, im Interesse der Universitäten. Jetzt habe ich mich entschieden, in die Politik zu gehen. Für mich gehört auch dazu, dass man einschätzen kann, wofür ich stehe. Mein politisches Herz schlägt anatomisch, also ein klein wenig links von der Mitte. Für mich ist Helmut Schmidt ein großes politisches Vorbild, eine Nähe zur SPD von vorneherein da, und der Parteieintritt nur ein konsequenter Schritt.

Ihre künftige Partei liegt selbst in Brandenburg nur noch gleichauf mit der AfD, nur ein Jahr vor der Landtagswahl. 

Genau diese Entwicklung ist ein Hauptgrund, warum ich mich entschieden habe, in die Politik zu gehen. Wir haben nächstes Jahr ein Superwahljahr. Ich möchte persönlich etwas tun, damit Teile der Bevölkerung wieder Vertrauen in unsere Politik gewinnen, damit die SPD wieder aus diesem Tal kommt.

Das klingt, als ob Sie über 2019 hinaus Wirtschaftsminister bleiben wollen.

Ja!

Haben Sie Sorge, dass wegen eines Erstarkens der AfD die Regierungsbildung im Herbst 2019 chaotisch wird, mit negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort?

Nein, ich rechne nicht mit instabilen Verhältnissen, jedenfalls nicht in den nächsten vier, fünf Jahren. Es wird sicher 2019 komplizierter, eine Koalition zu bilden. Auch das Regieren danach wird nicht leichter, falls es dazu kommen sollte, Kompromisse über drei Fraktionen finden zu müssen. Aber es wird in Brandenburg ohne die AfD eine stabile Regierung geben. Ich sehe es so: Ja, es ist fünf Minuten vor Zwölf. Aber es ist eben wirklich vor Zwölf. Man kann noch etwas tun.

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