Flugrouten: Turbulenzen am Müggelsee
Im Südosten Berlins wird der Ärger über die Flugrouten-Pläne größer. Politiker fühlen sich gegenüber dem Westen benachteiligt, Bauherren bereuen Investitionen.
Die Menschen am Müggelsee sind empört, seit die Deutsche Flugsicherung (DFS) am Montag ihre Pläne für die Startrouten am künftigen Flughafen BER vorgestellt hat. Sie befürchten massive Einbußen der Lebensqualität wegen des Fluglärms und kritisieren, vorab nicht über die Belastungen informiert worden zu sein. Rund 120 Flugzeuge würden bei Ostwind - die Maschinen starten und landen generell gegen den Wind - täglich über den Müggelsee fliegen, nur mindestens 3500 Fuß (1100 Meter) hoch. Immobilienmakler und Investoren fürchten Einbußen. Auch das Bezirksamt Treptow-Köpenick lehnt die Routen ab.
"Das ist eine Katastrophe. Es kann nicht sein, dass der Wannsee entlastet und der Müggelsee belastet wird", sagt Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD). Das Bezirksamt fordert die Flugsicherung auf, die Schutzinteressen der Bevölkerung zu berücksichtigen. Bisher hat die DFS den Antrag zum Überflugverbot des Müggelsees abgelehnt. Vom Senat verlangt Schöttler, im Sinne der betroffenen Bürger Druck auf die DFS auszuüben. Das Bundesumweltamt solle die Routenvorschlägen intensiv prüfen, schließlich sei der Müggelsee Wasserschutzgebiet.
"122 Flüge täglich über den See sind für die Anwohner unerträglich", sagte Schöttler, "das Erholungsgebiet könnten wir abschreiben." Wirtschaftlich allerdings stelle der Flughafen großes Potenzial dar. Ob privat oder geschäftlich, die Menschen wollten nach Treptow-Köpenick ziehen - sie würden nur die Festlegung der Routen abwarten.
"Ich bin für den Flughafen", sagt Musiker Peter Meyer von den Puhdys, der in der Nähe des Sees wohnt. "Ich verstehe auch, dass die irgendwo langfliegen müssen. Aber so, wie es jetzt ist, werden wohl alle entlastet - außer den Leuten hier." Und die Leute sind wütend. Einige wie Ralf Müller zogen vor Jahren nach Friedrichshagen, weil ihnen versichert wurde, hier von Überflügen verschont zu bleiben. Andere wie Bernd S., der vor zwei Jahren ein Grundstück kaufte und da baut, bereuen die Investition schon. "Hätten wir das gewusst, hätten wir nicht gebaut", sagt S.
Massive Umsatzeinbußen fürchten Immobilienmakler. "Diese Entscheidung wäre Wahnsinn", sagt Oliver Giersch von Engel & Völkers Köpenick. Er befürchtet einen Preisverfall von bis zu 30 Prozent.
Ähnliches habe er beobachtet, seit klar ist, dass Müggelheim und Karolinenhof überflogen werden sollen. "In Müggelheim Süd ist fast kein Verkauf möglich, in Karolinenhof sind wir seit zwei Jahren nicht mehr tätig." In Friedrichshagen sei der erste Käufer noch am Tag der Bekanntgabe der Vorschläge abgesprungen. "Da wurden Potsdam und der Westen bevorzugt", sagt Giersch. Maklerkollege Michael Werner aber rechnet weder mit Wertverfall noch einer sinkenden Nachfrage. Bei Hans-Jürgen Alda steht das Telefon seit der Bekanntgabe der DFS nicht mehr still. Der Investor aus dem Ruhrgebiet renoviert das alte Friedrichshagener Seehotel am Müggelseedamm, bietet dort Wohnungen an. Einige Interessenten seien in dieser Woche schon abgesprungen. Über 30 Millionen Euro steckt Alda in den Erwerb des Grundstücks und die Renovierung. "Die Routen wären ein Unding", sagt er.
Kritik kommt auch von Treptow-Köpenicks Abgeordneten. "Der Osten wird vernachlässigt, da wohnen auch Menschen", sagt Margit Görsch (CDU) aus Karolinenhof. Sie vermutet, dass die Planer nicht mit Gegenwehr der Bürger gerechnet haben. Gregor Gysi (Linke) lehnt die Pläne als "völlig indiskutabel" ab. Lärmbelästigung und das Überfliegen eines Schutzgebietes verstießen gegen europäisches Recht. "Die DFS hat deutlich gemacht: Die Menschen im Osten sind ihr schnurz."
Dass politischer Druck zum Erfolg führen kann, haben die Initiativen in Wannsee bewiesen. Dort schreibt die DFS nun vor, dass Flugzeuge beim Überfliegen eine Mindesthöhe von 8000 Fuß (2400 Meter) haben müssen.
Wesentlich dazu beigetragen hat der Zehlendorfer Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann. Er hatte nach Bekanntwerden der Routen, die ein niedrigeres Überfliegen vorsahen, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und dann auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sensibilisiert. Ramsauer setzte sich daraufhin dafür ein, die alten Geradeausflüge zur Basis der Pläne zu machen, und Merkel unterstützte ihn auf einer Parteitagsrede.
Zusammen mit Staatssekretär Klaus-Dieter Scheurle war Wellmann dann, wie er formuliert, im "Feldeinsatz" unterwegs. Sie beobachteten den Flugverkehr und achteten besonders auf den Lärm in verschiedenen Höhen der Flugzeuge. Zudem gab es zahlreiche Gesprächsrunden mit den Initiativen im Verkehrsministerium. Am Ende kamen dann die 8000-Fuß-Überflüge heraus, die von den Initiativen akzeptiert werden.
Eine solche Unterstützung fehlte den Friedrichshagenern. Dass über sie Flugzeuge hinwegdonnern könnten, erfuhren sie erst im Lauf der Beratungen der Fluglärmkommission. Widerstand gab es an Ort und Stelle, doch ein Draht ins Verkehrsministerium war nicht vorhanden. Auch beim Erörtern der von der DFS am Montag vorgestellten Routen einen Tag danach bei Scheurle waren Vertreter aus Friedrichshagen nicht eingeladen.
Die DFS entschied sich dann fürs Überfliegen des Müggelsees, um Erkner zu entlasten. Dort müssen die Bewohner auf jeden Fall Anflüge ertragen, weil die Maschinen 18,5 Kilometer von der Landebahn entfernt den Geradeausflug einschlagen müssen, um von den Instrumenten der Bodenkontrolle erfasst werden zu können. Doppelbelastungen durch An- und Abflüge, wie sie in Blankenfelde und Bohnsdorf unvermeidbar sind, wollte die Flugsicherung woanders möglichst vermeiden.