Wechselunterricht in Berliner Schulen: TU-Forscher warnt vor Risiken durch B.1.1.7-Mutation im Klassenzimmer
Die Virusmutante ist gefährlicher und verbreitet sich schneller. Das hat Auswirkungen auf den Unterricht - hier könnte es zu viel mehr Ansteckungen kommen.
Seit einigen Wochen läuft der Schulbetrieb in Berlin mit Wechselunterricht und unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen, um das Infektionsrisiko unter Schüler:innen und Lehrenden so gering wie möglich zu halten. Doch nun wird auch an diesem System Kritik laut: Der Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts der TU Berlin, Martin Kriegel, äußerte sich am Sonntagabend auf Twitter zu Erkenntnissen der Verbreitung der Virusmutante B.1.1.7 in Schulen.
Laut Kriegel sei Wechselunterricht, wenn ein Mund-Nase-Schutz getragen wird, insgesamt nur für zwei Stunden am Tag möglich. Es bräuchte deutlich mehr virenfreie Frischluft als bei dem ursprünglichen Virus, damit sich höchstens eine Person in einem Raum ansteckt.
Bei dem Ursprungsvirus seien 75 Kubikmeter Frischluft pro Person pro Stunde nötig - bei der Mutante seien es schon 105 Kubikmeter. Um die Ansteckungsrate kleiner als 0,5 zu bekommen, müsse sich der Frischluftstrom nochmals deutlich erhöhen. Laut Kriegel sei dies „technisch praktisch nicht mehr möglich.“
Auch durch den Einsatz von Luftfiltergeräten und zusätzlichen Lüftungsmöglichkeiten sei eigentlich nicht zu erreichen, dass sich niemand ansteckt. Kriegel sagt allerdings, dass das Tragen von FFP2 Masken die Situation verbessern könne – sofern sie enganliegend und luftdicht getragen werden.
Um den Unterricht in Schulen zu ermöglichen, müsse laut Kriegel noch einiges unternommen werden: „Technisch ist vieles möglich, aber praktisch gibt es sehr viele Hürden. Deswegen muss eine Kombination aus vielen Maßnahmen ergriffen werden. Eine davon ist die Kontaktzeit, die regelhaft viel zu lang ist.“
Berliner Parteien sind uneinig
Was folgt nun also für den Unterricht in den Schulen? Die Berliner Parteien sind sich nicht ganz einig. Regina Kittler, Sprecherin für Schule und Kultur der Linken, spricht sich dafür aus, den Unterricht an Kriegels neueste Erkenntnisse anzupassen – so groß die Konsequenzen auch seien. „Ich vertrau der Wissenschaft“, sagt sie. „Wenn das so ist, dann kann eben nur zwei Stunden Unterricht stattfinden.“ Die Situation sei für Eltern, Kinder und Jugendliche mehr als schwierig. Trotzdem könne man die Wissenschaft nicht ignorieren.
Der bildungspolitische Sprecher der Berliner FDP, Paul Fresdorf, betont hingegen, dass man sich nicht auf zwei Stunden Unterricht am Tag beschränken könne. „Es ist wichtig, den Wechselunterricht beizubehalten“, sagt er. „Das ist auch eine soziale Frage.“
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Für ihn sei es entscheidend herauszufinden, wie man den Unterrichtszeitraum verlängern könnte – ob durch zusätzliche Lüftungspausen oder Raumwechsel. Dazu müsse man neben Virologen auch Hygieneärzte befragen. Auch verweist er auf Schnelltests, die den Aufenthalt einer infizierten Person in einem Klassenzimmer stark minimieren können.
Ähnlich sieht das auch Landeselternsprecher Norman Heise: „Durch die Schnelltests an Schulen können wir es schaffen, den Virus draußen zu halten. Dadurch wird das Infektionsrisiko geringer.“ Man müsse die Gesamtsituation im Auge behalten und die Schulen dem aktuellen Stand so schnell wie möglich anpassen.
Dirk Stettner, Sprecher für Bildung und Schule der CDU, spricht sich dafür aus, nicht die Augen vor neuen Erkenntnissen zu verschließen. „Die Wissenschaft hat bisher immer recht gehabt.“
Man müsse zwischen Gesundheit und Bildung abwägen, dabei wöge die Gesundheit für ihn schwerer. Stettner sprach sich zudem dafür aus, die Osterferien bis Ende April zu verlängern, um den Schulen Zeit zu geben, sich den neuen Bedingungen anzupassen.
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