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Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen den Ex-Jurastudenten am Landgericht.
© Sven Braun/dpa
Update

Betrug mit Kryptowährung und falsche Beyoncé-Tickets: Trotz Vorstrafe ins Referendariat eingeklagt – jetzt Hauptverdächtiger

In einem Prozess am Landgericht werden zwei Männern 420 Fälle von Betrug vorgeworfen. Der Hauptangeklagte ist bereits früher aufgefallen.

Die Vorwürfe, die Staatsanwalt Aljoscha Leder am Donnerstag erhob, sind bemerkenswert, aber nicht spektakulär: Betrug, Urkundenfälschung, gewerbsmäßiger Handel mit Dopingmitteln, insgesamt 420 Fälle.

Zur Besonderheit macht dieses Verfahren, das jetzt am Landgericht begonnen hat, ein anderer Punkt: Der Hauptangeklagte, ein ehemaliger Jurastudent, hatte sich erfolgreich zu einem Referendariat in Berlin, dem juristischen Vorbereitungsdienst, geklagt. Obwohl er eine Jugendstrafe von vier Jahren Haft hinter sich hatte, verurteilt wegen Betrugs in insgesamt 314 Fällen.

Das Kammergericht Berlin hatte zuvor seine Bewerbung abgelehnt, das Verwaltungsgericht (VG) bestätigte diese Entscheidung. Doch das Oberverwaltungsgericht (OVG) hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf. Als das OVG im November 2019 seinen Beschluss veröffentlichte, saß der ehemalige Student allerdings bereits seit drei Wochen wieder in Untersuchungshaft. Das OVG wusste nichts davon. Der Tagesspiegel hatte im Februar über den Fall berichtet. Im Justizbereich sorgte die Entscheidung für einiges Aufsehen.

Betrug mit Kryptowährung

Jetzt wiederholt sich die Art der Vorwürfe. Der 25-jährige Ex-Jurastudent als Haupttäter und sein 28-jähriger Mitangeklagter sollen hauptsächlich Online-Betrug begangen haben, die Ermittlungen führte die Abteilung Cyberkriminalität der Staatsanwaltschaft Berlin. Die Männer wollten sich am Donnerstag nicht zu den Vorwürfen vor Gericht äußern.

Und für die Staatsanwaltschaft stellen die angeklagten Taten „nur die Spitze des Eisbergs“ dar. An den Betrügereien sollen noch mehr Personen beteiligt gewesen sein, teilweise ist der Staatsanwaltschaft aber ihr Aufenthaltsort nicht bekannt.

Angeklagt sind im Moment nur der frühere Jura-Student, der, laut offiziellen Unterlagen, sein erstes Staatsexamen mit Prädikat abgeschlossen hat und sein Mitangeklagter hat eigenen Angaben keinen Beruf. Seit 24. Oktober 2019 befinden sich beide in Untersuchungshaft.

Laut Anklage sollen sie über ein POS-Terminal eines Kreditkartenanbieters Überweisungen abgewickelt haben. POS steht für „Point of Sale“ und so ein Terminal wird zum bargeldlosen Bezahlen in Geschäften genutzt. Man kann dabei Kreditkarten als auch Debitkarten benützen. Die Angeklagten sollen ein POS-Terminal angemietet haben und darüber Geld, das aus Betrug stammt, auf ihre eigenen Konten überwiesen haben. Die Konten hatten sie unter Aliasnamen eröffnet.

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Damit sie über den Standort, den ein POS-Terminal angibt, nicht ermittelt werden konnten, sollen sie die Kontrollen mit einem speziellen Programm umgangen haben. Geld floss in Form von Kryptowährung. Damit kann man den Geldfluss schwer nachvollziehen.

Die Kreditkarten und die Kontoeröffnungsunterlagen sollen sich die Angeklagten durch ein kompliziertes Verwirrspiel an falsche Adressen haben zuschicken lassen. Auch die Namen der Empfänger sollen gefälscht gewesen sein.

Letztlich sollen alle Unterlagen in einer DHL-Station gelandet sein, in der man seine Post persönlich abholen kann. Allerdings war diese Station videoüberwacht. Die Kripo konnte letztlich, dank Unterstützung von DHL, ein Foto jenes Mannes machen, der an die Unterlagen abholte.

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Es soll sich um den Hauptangeklagten gehandelt haben. Durch weitere Ermittlungen, die entscheidend mit einem Auto zusammenhängen, das auf dem Foto zu sehen ist, kamen die Ermittler auf den Namen eines Verdächtigen, konkret: auch hierbei handelt es sich um den Ex-Jurastudenten.

Durch seine Überwachung stieß die Kripo auf einen weiteren Verdächtigen, den Mann, der jetzt ebenfalls angeklagt ist. Die Beiden sollen die Konten auch für weitere Taten genützt haben und unter anderem im großen Stil Anabolika verkauft haben.

Gefälschte Konzertkarten für Beyoncé

Aber auch mutmaßlichen Betrug auf einer Ebay-Verkaufsplattform wirft der Staatsanwalt den Angeklagten vor. Gegen Vorkasse sollen sie unter anderem Staubsauger und Kernbohrmaschinen verkauft haben. Auch gefälschte Konzertkarten, zum Beispiel Tickets für Schlagersänger Roland Kaiser, den Rapper Eminem oder den Popstar Beyoncé, sollen sie abgesetzt haben. Zudem sollen sie mit gefälschten Bafög-Anträgen versucht haben, an Geld zu kommen. Erfolglos allerdings.

Der frühere Student soll auch versucht haben, mit gefälschten Dokumenten seiner Frau ein Visum für Deutschland verschafft zu haben. Die Frau lebte zu diesem Zeitpunkt in der Ukraine und wollte angeblich zum Studieren nach Deutschland kommen.

Der Hauptangeklagte gab bei der Ausländerbehörde an, er werde für den Lebensunterhalt der Frau aufkommen und verdiene als Angestellter einer Firma 6000 Euro im Monat. Doch die entsprechenden Dokumente sollen gefälscht gewesen sein.

Hakenkreuze in einer E-Mail

Auch Beleidigung wird den Angeklagten vorgeworfen. Sie sollen eine Mail-Nachricht an die Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei mit extrem vulgären Kommentaren ergänzt und dazu noch eine Vielzahl von Hakenkreuzen gestellt haben.

Die Ermittlungen gegen die Angeklagten waren extrem intensiv. Unzählige Handynachrichten wurden abgehört, es gab umfangreiche telefonische und reale Überwachungen, eine Vielzahl an Ermittlern war eingebunden. Insgesamt dauerten die Ermittlungen sieben Monate.

Nachdem die Staatsanwaltschaft der Meinung war, sie habe genügend Beweise, wurde der ehemalige Jurastudent in Berlin und sein Mitangeklagter am gleichen Tag in Bremen festgenommen. Der Ex-Student, da ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, habe ein Doppelleben geführt. Denn er arbeitete vor seiner Festnahme in einer großen Wirtschaftskanzlei – als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Eingesetzt war er in der Compliance-Abteilung, dem Bereich, der für ethische Standards zuständig ist.

Das Führungszeugnis, das er der Kanzlei bei seiner Bewerbung vorlegte, soll gefälscht gewesen sein. „Wenn die Kanzlei gewusst hätte, dass der Mann eine solche Vorstrafe hatte, wäre er nie eingestellt worden“, sagt Staatsanwalt Leder bei seiner Anklage.

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