Überlastete Gerichte: Immer mehr Verfahren am Oberverwaltungsgericht
Fast 3300 Neueingänge verzeichnete das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2019. Der Gerichtspräsident warnt: Wir dürfen nicht zum Flaschenhals werden.
Die steigende Zahl von Asylverfahren ist mittlerweile deutlich spürbar in der zweiten Instanz angekommen. Die Verfahren am Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg steigen an – das geht aus dem Geschäftsbericht des OVG hervor, den Gerichtspräsident Joachim Buchheister am Mittwoch vorstellte.
Der Output der Verwaltungsgerichte in Berlin und Brandenburg wachse immer weiter, sagte der Jurist, dadurch entstehe ein „gewisser Druck“ beim OVG als nächsthöherer Instanz. 2019 verzeichnete das Gericht demnach 3284 neue Verfahrenseingänge, über 300 mehr als im Vorjahr. 3048 Verfahren wurden erledigt, der Bestand zum Jahresende lag bei 2205. Knapp 1400 der Verfahrenseingänge betrafen alleine die Bereiche Asyl- und Ausländerrecht.
Mehr Verfahren bei gleichbleibendem Personal
Buchheister warnte davor, dass das OVG nun zum „Flaschenhals“ werde – der Personalbestand blieb konstant mit 37 Richterstellen, die abzüglich langfristig erkrankter Richter einer Arbeitskraft von 35,3 Stellen entsprächen. Währenddessen war die Anzahl der Richter und Richterinnen an den vier Verwaltungsgerichten in Berlin, Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder erhöht worden, wodurch wiederum mehr Verfahren erledigt werden können, die nun vor dem Oberverwaltungsgericht landen.
Er habe Sorge, sagte Buchheister, dass sich die Personalsituation am OVG auf die Verfahrenslaufzeit auswirken könnte. „Ich muss noch nicht Alarm schlagen, aber ich setze mich dafür ein, dass auch wir deutlich verstärkt werden.“ Für das kommende Jahr ist im Doppelhaushalt zunächst nur eine zusätzliche Stelle vorgesehen.
Im Asylbereich stieg die Dauer der Verfahren von 7 auf 11 Monate
Die durchschnittliche Dauer der Verfahren, bei denen das OVG die erste Instanz ist, lag 2019 bei 18,8 Monaten (2018 lag sie bei 19,8 Monaten). Bei Berufungsverfahren lag sie bei 15,3 Monaten (2018: 12,1) und bei Berufungsverfahren im Asylbereich stieg sie auf 11,4 Monate, in dem Bereich waren es 2018 nur sieben Monate durchschnittlicher Verfahrensdauer. In Eilverfahren verkürzte sich die Dauer von 4,4 Monaten im Vorjahr auf 2,8 Monate durchschnittlich.
Das älteste Verfahren ist noch aus dem Jahr 2012 – ein „hochkomplexes abgaberechtliches Verfahren“ um einen Trinkwasser- und Abwasserzweckverband in Brandenburg. Buchheister nutzte den Termin, um darauf hinzuweisen, dass er das Gericht immer häufiger mit Verfahren konfrontiert sehe, deren Kernkonflikt aber in der Gesellschaft diskutiert und beigelegt werden müsse: Es gebe immer häufiger Verfahren, in denen der Klimaschutz als Staatsziel gegen den konkreten Naturschutz in der Region stehe. In jedem Einzelfall könnten Gerichte zwar Entscheidungen treffen, „aber insgesamt ist das eine Konfliktlage, über die man in der Gesellschaft verstärkt nachdenken muss“, sagte Buchheister. Denn es gehe nicht immer beides: Artenschutz und Klimaschutz.
Spannende Verfahren 2020: Hundeverbot, Weihnachtsmarkt, Sonntagsöffnung
Zudem kündigte der Gerichtspräsident wie üblich die spannendsten Verfahren im laufenden Jahr an. Das Gericht wird sich mit der Rechtmäßigkeit von Sonntagsöffnungen in Berlin während der Grünen Woche, der Berlinale, der ITB und der Berlin Art Week beschäftigen. Das Hundeverbot am Berliner Schlachtensee und der Krumme Lanke wird verhandelt.
Das Gericht wird darüber entscheiden, in welchem Umfang Tagesmütter einen Zuschuss zur Wohnungsmiete erhalten, wenn sie dort die Kinder betreuen. Außerdem wird das OVG die Frage beantworten, ob die Betreiberin des Weihnachtsmarktes am Schloss Charlottenburg für das Sicherheitskonzept selbst aufkommen muss.
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