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Es mieft. Vor allem an trüben Tagen wird die Luft entlang der Straßen schlecht, weil die Autoabgase kaum abziehen. Am Wochenende soll aber kräftiger Wind die Stadt durchlüften.
© ddp

Feinstaub: Trotz Umweltzone: Berliner Luft so schlecht wie lange nicht

Die Feinstaubbelastung ist in diesem Jahr besonders hoch. Der Grenzwert wird fast täglich überschritten. Berlin beantragt eine Schonfrist bei der EU. Ohne Umweltzone wäre das Problem noch größer.

Berlin wird sein Feinstaubproblem einfach nicht los, eher im Gegenteil: Durch das anhaltend trockene Wetter wird der Grenzwert für die Luftbelastung fast täglich überschritten. Ganz vorn liegt die Silbersteinstraße mit bisher 51 Tagen, an denen mehr als 50 Mikrogramm der gesundheitsschädlichen Partikel pro Kubikmeter Luft gemessen wurden. Laut einer EU-Richtlinie sind 35 Überschreitungstage pro Jahr erlaubt. Da sich das Wetter frühestens am Wochenende ändern soll, dürften selbst die 56 Überschreitungen des vergangenen Jahres überboten werden. Die Werte waren die schlechtesten seit Einführung der Umweltzone 2008.

Ohne die Fahrverbote für Stinker wäre die Luftbelastung nach Auskunft der Umweltverwaltung allerdings noch viel höher. Eine Analyse habe ergeben, dass die Umweltzone etwa zehn Überschreitungstage pro Jahr vermeide, sagt Martin Lutz, Referatsleiter für Luftreinhaltung. Der hausgemachte Anteil am Feinstaub liege bei etwa 40 Prozent. Der große Rest komme überwiegend aus polnischen Kraftwerken, Industrieanlagen und Heizungen – zumal bei Südostwind wie in den vergangenen Wochen. Nach Auskunft von Lutz hat die EU-Kommission wegen der drastischen Überschreitungen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Für Berlin könne man dagegen belegen, dass der hausgemachte Anteil am Feinstaub deutlich abgenommen habe und sei deshalb rechtlich wohl auf der sicheren Seite. Bemerkenswert sei auch, dass die beiden Messstellen mit den meisten Überschreitungstagen außerhalb der Umweltzone liegen – wenn auch knapp. Weitere Entlastungen soll ein Pilotprojekt zur Nachrüstung von Baumaschinen mit Partikelfiltern bringen. Ein vergleichbarer Versuch mit Ausflugsschiffen sei bereits erfolgreich abgeschlossen worden.

Als weiteren Schritt im Kampf gegen die besonders giftigen Dieselrußpartikel hat die Verwaltung noch unter Umweltsenatorin Katrin Lompscher beschlossen, die Ausnahmeregelung für Reisebusse mit gelber Umweltplakette Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Die rot-schwarze Nachfolgeregierung will die Sonderregelung nun bis 2014 verlängern, weil viele noch relativ neue Reisebusse nicht mit Filtern nachgerüstet werden können und daher keine Chance auf die grüne Plakette haben. Anhand von Verkehrszählungen hat die Verwaltung ermittelt, dass reichlich die Hälfte der Reisebusse bereits grüne Plaketten haben. Rund jeder vierte habe eine gelbe und jeder siebte eine rote Plakette. Die Linienbusse der BVG in der Umweltzone sind inzwischen durchweg „grün“. Und der unbefristete Freifahrtschein für Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr sowie für Oldtimer und Zweiräder ohne Abgasreinigung beruht auf einer bundesweiten Regelung.

Beim ebenfalls gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxid hat Berlin nach Auskunft von Lutz zusammen mit mehr als 100 weiteren deutschen Städten bei der EU-Kommission eine Schonfrist bis 2015 beantragt. Voraussetzung dafür sei der Nachweis von Gegenmaßnahmen – in Berlin die Umweltzone und der Stadtentwicklungsplan Verkehr, der das Verkehrsaufkommen in der City verringert habe. Stickstoffdioxid ist ebenfalls ein typisches Abgas von Dieselmotoren. Anders als der Feinstaub konzentriert es sich aber auf stark befahrenen Straßen – und im Gegensatz zum Dieselruß sind effektive Filter selbst für Neuwagen bisher nicht vorgeschrieben. Die entsprechende Abgasnorm soll erst ab 2015 gelten.

In Deutschland gibt es laut Umweltbundesamt inzwischen 51 Umweltzonen. Die Berliner ist eine von vier, in denen nur noch Autos mit grüner Plakette fahren dürfen. Stefan Jacobs

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