Komparsin aus Tempelhof: Til Schweigers Liebling
Til Schweiger liebt sie, Leander Haußmann bucht sie immer wieder. Schon in 850 Filmen hat Johanna Penski mitgespielt. Und mit 86 Jahren ist die Edelkomparsin aus Berlin-Tempelhof noch längst nicht müde.
Es hat sich eigentlich nie jemand beschwert, wenn Johanna Penski gestorben ist. Sie wurde erschossen, wenn auch versehentlich, sie lag mal vornehm gekleidet tot auf einem französischen Bett, Konfekt neben sich, oder sie schied mit Herzschlag auf einer Toilette dahin. Nur die drei Feuerwehrleute motzten. Sie mussten die tote Penski aus einer Mülltonne hieven. „Mann, ist die schwer“, brummten sie dem Mann entgegen, der die Szene lässig in seinem Lehnstuhl beobachtete. Doch der Regisseur grinste nur. Ein paar Sekunden später lag Johanna Penski auf der Erde, und die Szene war abgedreht. Klappe, nächste Einstellung.
Neun Leichen hat Johanna Penski bisher gespielt – die Szene mit den Feuerwehrleuten war für eine Folge der ZDF-Krimiserie „Der letzte Zeuge“, damals noch mit Ulrich Mühe. Eigentlich ziemlich wenige Leichen für eine Frau, die in 26 Jahren in 850 Fernseh- und Kinofilmen aufgetreten ist. Die dauerhaft für die Serie „Soko Wismar“ gebucht wird, die im „Baader-Meinhof-Komplex“ auftaucht und die auch im „Tatort“ eine Rolle besetzt hat. Aber Regisseure wie Leander Haußmann und Wim Wenders wollen sie lieber lebend. Sie schätzen Johanna Penskis Ausdrucksstärke, ihre Präsenz – deshalb buchen sie diese Frau aus Tempelhof immer wieder. Auch Til Schweiger hat sie längst entdeckt. „Zweiohrküken“ und „Anderthalb Ritter“ hat er mit ihr gedreht.
Sekundenauftritte mit Strahlkraft
Laut Drehplan ist Johanna Penski nur eine Statistin, eine Frau mit wenigen Sekunden Auftritt, mit kleinsten Nebenrollen, doch in Wirklichkeit gilt sie längst als Edelkomparsin. Sie hat diese Ausstrahlung, die schwer zu beschreiben ist, die einfach nur wirkt, auch in Sekundenauftritten. „Sie sind ein Naturtalent“, hat ihr mal ein Regisseur gesagt. Deshalb ragt sie heraus aus der Masse der Mini-Darsteller. Momentan läuft sie bundesweit auf allen TV-Kanälen. Ein Kommunikationskonzern hat sie für einen langen Werbespot gebucht. Eine 86-Jährige.
Vielleicht liegt ihre Ausstrahlung an dieser Kombination. Markantes Kinn, wache, blitzende Augen, Falten, die sich in ihr Gesicht gekerbt haben, das herzliche Lachen, das sie jünger erscheinen lässt als sie ist. In ihrem Wohnzimmer lehnt an der Wand ein Plakat „80 Jahre Johannes Heesters“. Mit Heesters hat sie zusammen „Anderthalb Ritter“ gedreht. Sie eine „Eiserne Jungfrau“ mit wallenden grauen Haaren, er der Mann, den diese Gestalt im Mittelalterkostüm anmacht.
Eine Flasche Wein von Til Schweiger
Bei diesem Film fiel sie Til Schweiger auf, der wollte sie später für „Zweiohrküken“. Nachdem Johanna Penski dort ihre letzte Szene gedreht hatte, verkündete Schweiger: „Johanna ist abgedreht!“ Die Crew klatschte, und Schweiger schenkte ihr eine Flasche Wein. Das Bild mit der Szene hängt in ihrem Flur.
Johann Penski holt eine Zigarrenkiste, sie hat dort Zeitungsausschnitte, Fotos, Briefe deponiert. Das ganze Archiv ihres Komparsenlebens. Sie spricht immer noch in diesem schwärmerischen Ton, als hätte sie gerade zum ersten Mal mit einem Star gedreht. „Dass ich die Chance hatte, mit so einem Mann zu drehen, ist ein so tolles Erlebnis.“ Die 86-Jährige holt noch ein Foto. Sie mit langen, grauen Haaren und Heesters, ebenfalls in Filmkleidung. Dazwischen Til Schweiger, und alle grinsen in die Kamera.
Es war ja nicht bloß Heesters. Bei Wim Wenders Film „In weiter Ferne so nah!“ trat Otto Sander auf sie zu. Johanna Penski mimte eine Blumenfrau, er wollte Rosen haben, sie fragte: „Soll ich sie einwickeln?“ Im Film „Showmaster“ mit Harald Juhnke war sie ebenso dabei wie beim Dreh mit Thomas Gottschalk.
Mit der Rente kam der Schauspielerfolg
Begonnen hat das alles erst mit der Rente und das eher schleppend. Der früheren Sportlehrerin war langweilig, ihre Nachbarin brachte sie auf die Idee, bei der Agentur anzurufen. Johanna Penski wurde aufgenommen und hörte lange nichts. Dann plötzlich ein Anruf: Für den Film „Der Spatzenmörder“ wurde eine Statistin benötigt. Johanna Penski musste mit einem Hund durch einen Tunnel gehen.
Und dann kam Wim Wenders. Er castete die Rentnerin für „Der Himmel über Berlin“, sie fiel ihm auf, und er verpflichtete sie gleich für seine nächste Produktion. Johanna Penski wusste nur, dass es um einen Musikfilm ging. Sie stieg in der Nacht am Brandenburger Tor in einen Bus, setzte sich auf einen Platz im Oberdeck und wartete. Plötzlich setzte sich ein junger Mann neben sie. Dann tauchte ein Kameramann auf, begleitet von Wenders, und hielt die Kamera auf Penskis Nebensitzer. Der Mann begann zu singen, ein englisches Lied. Auf anderen Sitzen hockten die übrigen Musiker und spielten. Der Bus fuhr pausenlos die Straße des 17. Juni auf und ab.
Später erzählte Johanna Penski ihren Enkeln, dass sie neben so einem Sänger gesessen hatte. „Der hieß so komisch“, sagte sie und überlegte kurz. „Der hieß Bono.“ Und der seltsame Name dieser Gruppe... Sie hatte ja keine Ahnung, neben wem sie da gesessen hatte! Sie wusste nicht, dass U2 damals monatelang in Berlin eine Platte aufgenommen hatte.
Johanna Penski lehnt sich auf ihrem Sofa zurück und lacht. „Ich hatte das alles locker genommen“, sagt sie. „Aber meine Enkel waren sauer, weil ich nichts gesagt hatte. Die hätten Autogramme bestellt.“
Eine Filmrolle hat Penski besonderes berührt
Heute ist Johanna Penski Profi. Wenn sie zum Casting geht, wird sie meist genommen. Als ein Getränkekonzern eine Statistin für einen Spot suchte, wurden 20 Frauen getestet. Johanna Penski erhielt den Job. Leander Haußmann bucht sie inzwischen quasi automatisch. In seinem Film „Dinosaurier“ tauchte sie sogar nicht bloß einige Sekunden auf, da hatte sie ganze 17 Drehtage. Die Rentnerin drehte mit Eva-Maria Hagen, der Mutter von Nina Hagen, in einem Altersheim. Eva-Maria Hagen war die neue, unbeliebte Mitbewohnerin, Johanna Penski hatte sie zu mobben.
Die neun Leichen hat sie problemlos weggesteckt, ein Film aber hat sie tief getroffen. Ein KZ-Film mit Iris Berben, gedreht in der Nähe von Schönefeld. Ein SS-Mann prügelte sie, die einen Häftling spielte, brutal in eine Marschkolonne zurück. Wenn sie daran zurückdenkt, steigen Johanna Penski noch heute die Tränen in die Augen, ihre Stimme wird brüchig. Die Erinnerungen an die NS-Zeit kommen zurück, sie schafft es bis heute nicht, Distanz zwischen den Film und die grausame Realität des Naziregimes zu legen. „Mich hat das auch zu Hause mitgenommen“, sagt sie.
Penskis Lieblingsregisseure: Wenders, Haußmann, Schweiger
Auf der Rangliste ihrer Lieblingsregisseure steht Wim Wenders ganz oben, gefolgt von Haußmann und Schweiger. „Der Haußmann holt mich immer wieder“, sagt sie. Auch bei „Hai-Alarm im Müggelsee“ hatte Johanna Penski ihre Rolle. Irgendjemand zerzauste ihre Haare. „Sonnenallee“ und „Männerpension“ – Johanna Penski war selbstverständlich dabei. Sie ist inzwischen so bekannt, dass Henning Drechsler sie zur Hauptdarstellerin seiner Dokumentation „Sternstunden“ über die Arbeit von Statisten gemacht hat. Drechsler hat sie hierfür ein Jahr lang begleitet.
Im Dezember gratulierte sie Til Schweiger zum 50. Geburtstag, sie war nur eine von vielen. An Heilig Abend aber klingelte bei ihr das Telefon, sie war unterwegs, doch als sie den Anrufbeantworter später abhörte, „da musste ich mich erstmal setzen“. Til Schweiger war auf dem Band und bedankte sich herzlich für die Glückwünsche.
Aber auch die Edelkomparsin stößt mitunter an Grenzen. Als vor zwei Jahren für einen Krimi gecastet wurde, lehnte der Regisseur die damals 84-Jährige ab. Johanna Penski war ihm nicht alt genug.
Frank Bachner
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität