March for Science: Tausende verteidigen in Berlin die freie Wissenschaft
Ausdrucksstarke Demonstration am Samstag in Berlin: Gegen Donald Trump und für die freie Forschung gingen tausende Hauptstädter beim March for Science auf die Straße.
„Ich möchte davor warnen, dass wir uns hier zu sicher fühlen“, sagt Andrea Bossmann vor dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität. Die Wissenschaftlerin spricht zu den Teilnehmern des Berliner March for Science, der am Sonnabend in mehr als 500 Städten auf der ganzen Welt stattfand. Vier- bis fünftausend Menschen sind nach Schätzung der Veranstalter in Berlin gekommen, um von der Humboldt-Universität bis zum Brandenburger Tor zu marschieren.
Der March for Science wurde Anfang des Jahres von einigen Forschern ins Leben gerufen, als Reaktion auf US-Präsident Trumps Leugnung wissenschaftlicher Fakten. Laut den Veranstaltern soll sich die Demonstration nicht gegen etwas richten, sondern für etwas eintreten – für die freie Wissenschaft, für die Fakten. Die mitgebrachten Plakate der Teilnehmer lassen jedoch keinen Zweifel, dass hier auch gegen etwas demonstriert wird: gegen Donald Trump, alternative Fakten, Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker. „Im OP ist kein Platz für alternative Fakten“, steht auf einem der Plakate.
Wer nicht fragt, bleibt dumm
Der von Trumps Regierung geprägte Begriff der alternativen Fakten ist eines der großen Themen beim Marsch in Berlin. „Ein gefühltes Wissen macht sich breit“, sagt Franziska Liewald, die keine Wissenschaftlerin ist, aber trotzdem mitdemonstrieren will. In den Händen hält sie ein großes Schild, auf dem in bunten Buchstaben der Slogan der „Sesamstraße“ steht: „Wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm.“
Viele Teilnehmer erhoffen sich von der Demonstration mehr Wertschätzung für die Wissenschaft. „Es ist auch wichtig, dass der Wissenschaft keine politischen Ziele aufgedrückt werden“, sagt Moritz Riesinger, einer der Demonstranten.
„Sie darf keine Ideologien verfolgen, sondern muss sich auf Fakten konzentrieren.“ Wissenschaftler seien immer öfter Anfeindungen ausgesetzt, vor allem, wenn sie in den Bereichen Klimawandel und Genderstudies arbeiten. Dabei sieht es für die Wissenschaft in Deutschland, im Vergleich zu anderen Ländern, gut aus.
Müller solidarisiert sich mit unterdrückten Wissenschaftlern
In Ungarns Hauptstadt soll eine der renommiertesten Universitäten geschlossen werden, die Türkei streicht die Evolutionstheorie vom Lehrplan. Auch darum geht es beim March for Science, um Solidarität mit Wissenschaftlern auf der ganzen Welt.
Die drückt auch Bürgermeister Michael Müller bei seiner Rede vor dem Brandenburger Tor aus. „Offenheit, Freiheit und Toleranz dürfen nicht verhandelbar sein“, sagt er, warnt aber auch vor Boykott und Ausgrenzung dieser Länder. Der eindeutige Star ist aber Ranga Yogeshwar, Physiker und Wissenschaftsjournalist. Er ruft sein Publikum auf: „Bekämpft die Angst mit den Fakten!“
Mit Blick auf Big Data und soziale Netzwerke fordert er außerdem die Wissenschaftler auf, ihr Handeln genau zu überdenken. „Wissenschaftliche Erkenntnis kann zu enormen privaten Machtkonzentrationen führen.“
Für beinahe jeden seiner Sätze bekommt Yogeshwar Applaus. Seine Aussagen sind klar und prägnant formuliert, er bringt die Menschen, die zuvor ziemlich ruhig durch Berlins Mitte gezogen sind, zum Jubeln. Und formuliert mit einem Brecht-Zitat die beste Donald-Trump-Kritik, ohne dessen Namen überhaupt erwähnen zu müssen: „Wer die Wahrheit nicht kennt, ist ein Dummkopf, wer sie aber kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher.“
In einer ersten Version hieß es, Michael Müller habe von "Offenheit, Sicherheit und Toleranz" gesprochen. Es waren jedoch "Offenheit, Freiheit und Toleranz". Wir haben das korrigiert. - Die Red.