Budapester CEU in Gefahr: Ungarischer Präsident unterzeichnet umstrittenes Hochschulgesetz
Das neue Gesetz gegen die Budapester Central European University ist in Kraft. Die Uni will aber unbedingt in ihrer Heimat bleiben. Für den Vorschlag der FU, ihr Exil anzubieten, gibt es unterdessen viel Lob.
Könnte die Central European University (CEU) Exil in Berlin bekommen, sollte sie aus Ungarn vertrieben werden? Darüber wollte FU-Präsident Peter-André Alt am Montag mit Michael Ignatieff, dem Präsidenten der Central European University (CEU), bei dessen Besuch in Berlin sprechen. Allerdings sagte CEU-Chef Ignatieff seine Reise nach Deutschland am Montag ab, wie der Tagesspiegel aus der CEU erfuhr. Ein Grund wurde nicht genannt. Als wahrscheinlich gilt aber, dass Ignatieff wegen der am Abend bevorstehenden Entscheidung des ungarischen Staatspräsidenten Janos Ader im Land bleiben wollte.
Das neue Hochschulgesetz sieht vor, dass ausländische Hochschulen wie die CEU immer auch einen Sitz in ihrem Heimatland haben müssen. Das ist bei der 1991 von dem Milliardär George Soros gegründeten US-amerikanischen Hochschule nicht der Fall, weshalb das Gesetz das Aus für die renommierte Uni bedeuten könnte. Ader, der Viktor Orbans Partei Fidesz angehört, aber als moderater gilt, hatte mehrere Optionen: Er konnte dem Gesetz zustimmen oder es ablehnen und an das Parlament zurückverweisen. Oder er konnte das ungarische Verfassungsgericht damit befassen. Am Ende des Tages unterschrieb er das Gesetz.
Proteste für CEU: Neue Empörung in Ungarn
Zehntausende Demonstranten, die am Sonntagabend erneut in Budapest für die CEU auf die Straße gegangen waren, forderten Ader auf Plakaten auf: „Unterschreib nicht, Janos“ und skandierten „Was wollen wir von Ader? Veto!“ sowie „Freies Land, freie Universität!“. Der ungarische Soziologie Istvan Hegedus erklärte gegenüber dem ungarischen Nachrichtenportal „Index“: „Die CEU verkörpert die liberale Subkultur, das intellektuelle Denken, von denen sich Orbán vor 20 bis 25 Jahren abgewandt hat.“ Die CEU bietet geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer sowie Wirtschaftswissenschaften, Jura und Mathematik an.
Der ungarische Mathematiker Gavril Farkas, der seit zehn Jahren an der Humboldt-Universität lehrt, hält sich in diesen Tagen in Budapest auf und erlebt eine neue Qualität der Empörung unter seinen Landsleuten. „Viele auch unter den Intellektuellen haben sich apolitisch verhalten, doch jetzt schalten sie sich in die Proteste für die CEU ein.“ Der Druck, den die Regierung Orbans auf die Universität ausübt, „empört auch Leute, die ideologisch eher auf Orbans Seite stehen“.
Alt hatte am Sonntag gesagt, wegen ihrer „freiheitlichen Tradition“ biete sich die FU als aufnehmende Einrichtung der CEU an. Die CEU könne auf dem FU-Campus untergebracht werden, etwa im früheren Gebäude des Bundesgesundheitsamts Unter den Eichen. Wann das Gespräch zwischen ihm und Ignatieff zustande kommt, konnte die FU am Montag noch nicht sagen. Eine Sprecherin betonte aber, der FU gehe es darum, die Arbeit der CEU in Budapest zu unterstützen. „Sollte das nicht möglich sein, steht die Freie Universität bereit, über weitere Hilfen nachzudenken.“ Offenbar soll der Eindruck vermieden werden, die FU freue sich schon auf neue wissenschaftliche Kontakte auf ihrem Campus.
Hindernisse für Exil in Berlin
Adrian Grasse, der forschungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, lobte den Vorstoß am Montag: „In ihrer Geschichte hat sich die Freie Universität Berlin stets als Ort der Freiheit der Wissenschaft ausgezeichnet. Müsste die CEU wirklich ins Exil nach Berlin gehen, wären einige Hindernisse zu überwinden. So gehört das frühere Gebäude des Bundesgesundheitsamtes Unter den Eichen nicht der FU, sondern dem Bund, der es bisher nicht hergeben will. Unter welchen Bedingungen das Land eine privat finanzierte ausländische Einrichtung dort aufnehmen könnte, müsste ebenfalls erst geklärt werden. Auch müssten Unterkünfte für die Mitarbeiter der CEU und ihre 1440 Studierenden in Berlin gefunden werden – die Wohnheime des Studierendenwerks sind allerdings seit Jahren überlastet. Immerhin könnte die CEU das Verfahren, das sonst für private Neugründungen nach dem Berliner Hochschulgesetz nötig ist, zügig durchlaufen, da ihr Lehrbetrieb bereits seit Jahrzehnten läuft. So könnte die zuständige Wissenschaftsverwaltung das Verfahren schnell beenden und dem Wissenschaftsrat zur Entscheidung vorlegen.
Problematisch könnte auch die Finanzierung der CEU im Exil sein. Sie müsste ihr Stiftungsvermögen mitnehmen, aus dem sich ihr Budget vor allem speist. Vor einigen Jahren soll es bei umgerechnet rund 850 Millionen Euro gelegen haben. So konnte die Uni im Studienjahr 2015/16 laut ihres Finanzberichts knapp 48 Millionen Euro aus den Erträgen des Stiftungsvermögens ausgeben, was mehr als zwei Drittel des Gesamtbudgets von rund 67 Millionen Euro für das Jahr ausmachte. Zu den Erträgen aus dem Stiftungskapital kamen Studiengebühren (rund drei Millionen Euro), Spenden von Alumni sowie Forschungsmittel in Höhe von knapp zwölf Millionen Euro, darunter mehrere vom Europäischen Forschungsrat geförderte Projekte. Für Ungarn ist die CEU auch ein Wirtschaftsfaktor. Mehr als zehntausend Ausländer haben über die Jahre hinweg dort studiert und sind dem Land später verbunden geblieben.
Fest entschlossen, in Budapest zu bleiben
Die Neigung, ins Exil zu gehen, ist unter den Studierenden und Mitarbeitern der CEU aber noch keineswegs ausgeprägt. Schon vor einigen Tagen stellte Leon Botstein, Vorsitzender des Board of Trustees der Universität, klar, die CEU sei fest entschlossen, in Budapest zu bleiben, alle Berichte über andere Pläne seien falsch.
Eine Übersiedlung nach Berlin wäre auch für den HU-Mathematiker Farkas nur die Ultima Ratio. „Die CEU wurde 1991 als US-amerikanische Universität in einem postkommunistischen Staat gegründet, um den Aufbau der Demokratie zu befördern. Müsste sie nach Berlin oder nach Wien ins Exil gehen, wäre das eine gefühlte Niederlage“, sagt Farkas. „Budapest braucht die CEU sehr viel mehr als Berlin.“
Diskutiert wird rund um die CEU auch ein Gerücht, wonach Orban die Uni gar nicht vertreiben, sondern „nationalisieren“ möchte. Sollte sich die Lage für die CEU Budapest jedoch weiter zuspitzen, könnten von der Gründungsidee der CEU her – eben die Stärkung der jungen Demokratie in Osteuropa – andere Städte als Exil sogar wie Prag oder Vilnius eher infrage kommen als Berlin. Emese Böröcz/Amory Burchard/Anja Kühne/Tilmann Warnecke