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Auf dem Dragoner-Areal soll eines der größten Wohnungsneubauvorhaben in Kreuzberg entstehen.
© picture alliance / Rainer Jensen / dpa

Dragoner-Areal in Kreuzberg: Tausche Kultur gegen Wohnen

Endet am Mittwoch der Streit um das Dragoner-Areal? Berlin bietet dem Bund für das Grundstück Kultureinrichtungen im Wert von 180 Millionen Euro.

Akademie der Künste? Kann weg. Haus der Kulturen der Welt, besser bekannt als schwangere Auster? Kann weg. Jüdisches Museum? Kann weg. Martin-Gropius-Bau? Kann weg. Sieben „Kulturliegenschaften“ will das Land Berlin los werden – um einen guten Tausch machen zu können.

Der „Wert wurde durch externe, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige mit insgesamt 179,6 Millionen Euro ermittelt“, heißt es in der „Anlage 1“ des Bundesministeriums für Finanzen. Und wenn am Mittwoch alles gut geht und die Mitglieder des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag zustimmen, dann übernimmt der Bund das große Paket – und überlässt dem Land Berlin eine Kreuzberger Perle: das Dragoner-Areal am Mehringdamm.

Damit könnte das Gezerre um eine der größten Baureserven des innerstädtischen Bezirks enden, das vor nun auch schon fünf Jahren zu einem gewaltigen Aufschrei in Senat und Bezirk geführt hatte. Im Februar 2015 hatte die Bundesanstalt für Immobilien (Bima) den Verkauf des mitten im Kiez gelegenen 47.000 Quadratmeter großen Baugrundstücks hinter dem Rücken der politisch Verantwortlichen an eine Firma mit Sitz in Wien gemeldet, für eine Summe von 36 Millionen Euro.

36,8 Millionen Euro waren es ganz genau – und mit diesem „Verkehrswert“ wird das Dragoner-Areal nun erneut in den komplizierten Ringtausch zwischen Bund und Berlin eingepreist. Zufall ist das nicht, es ist ein Kunstgriff, um die Vorwürfe des verhinderten Wiener Investors zu entkräften, der Bund leiste dem Land eine unerlaubte Beihilfe durch die Übertragung der Fläche.

Haushaltsausschuss könnte Deal noch verhindern

Bis zum Europäischen Gerichtshof wurde der Streit ausgefochten, bei dem ein bereits unterschriebener Kaufvertrag mit dem privaten Investor schließlich platzte. Zuvor hatte der Bundesrat den Deal bereits vereitelt: Die Länderkammer hatte erstmals überhaupt in ihrer Geschichte ein Grundstücksgeschäft des Bundes und seiner Firma Bima gestoppt.

Das Dragoner-Areal liegt zwischen Mehringdamm, Yorckstraße und Obentrautstraße.
Das Dragoner-Areal liegt zwischen Mehringdamm, Yorckstraße und Obentrautstraße.
© Tsp/Pieper-Meyer

Der „Gremienvorbehalt“, der im Kaufvertrag stand, hatte es möglich gemacht. Unter demselben steht nun auch die neue Tauschoperation. Der Haushaltsausschuss könnte am kommenden Mittwoch auch dieses Geschäft noch vereiteln. Aber das wäre auch eine Brüskierung der Bundesregierung, denn diese hatte die Übernahme der sieben Berliner Kultureinrichtungen bereits im „Hauptstadtfinanzierungsvertrag“ festgeschrieben.

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„Nach harten Kämpfen ist es geschafft: Berlin bekommt das Dragoner-Areal. Jetzt muss Berlin aber auch etwas daraus machen und im öffentlichen Interesse nutzen“, sagt Swen Schulz, Haushaltsexperte der SPD im Bundestag. Er fordert „zügige Entscheidungen“ für eine Bebauung von den Verantwortlichen im Bezirk.

„Mischgebiet“ aus Gewerbe und Wohnungen

Zur Absicherung hat sich der Bund im nun vorliegenden Vertrag Klauseln zu eigenen Gunsten eintragen lassen: Verkaufen darf der Senat das Areal die nächsten 15 Jahre nicht, höchstens an landeseigene Firmen oder Teilflächen von weniger als 1000 Quadratmeter. Ausgeschlossen ist sogar die „Bestellung von Erbbaurechten“, womit Genossenschaften beim geplanten Wohnungsbau wohl aus dem Spiel wären.

Und falls das Land Berlin Hochhäuser auf engstem Raum stapeln würde, müsste es den Kaufpreis aufbessern. Vereinbart ist nämlich ein eher lockeres „Mischgebiet“ aus Gewerbeflächen für bestehende Betriebe und Wohnungsneubauten. Die Geschossflächenzahl, also das Verhältnis der gebauten Fläche zur Größe des Grundstücks, soll bei einem moderaten Wert von 1,8 liegen.

„Auf jeden Fall mehr als 500 Wohnungen“ sollen auf dem Dragoner-Areal nach dem Willen der Senatsverwaltung für Finanzen entstehen. Bauen sollen landeseigene Unternehmen. Die Planungen laufen beim Bezirk zusammen, der Anwohner, Gewerbetreibende, Wohnungssuchende – kurzum: jeden – zur Beteiligung eingeladen hatte. Mit einem Spatenstich rechnen Anrainer wie Clubbetreiberin Pamela Schobeß eher nicht im Jahr 2021, das im Gespräch war.

Darf denn Berlin nun mit Einnahmen rechnen, wo doch die Kultureinrichtungen so viel mehr wert sind als das Dragoner-Areal? „Ein Wertausgleich erfolgt mit Blick auf die Gesamteinigung nicht“, heißt es in der „Anlage 1“. Verwunderlich ist das eher nicht. Wer macht mit Kultur schon Gewinn? Meistens erhalten Zuschüsse sie am Leben – so gesehen hat Berlin einen richtig guten Deal gemacht.

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