Berlin Stadtentwicklung: Studenten wollen den Ernst-Reuter-Platz tiefer legen
Hochschüler haben Ideen zum Umbau des verkehrsreichen Platzes geliefert – inklusive einer unterirdischen Landesbibliothek. Tatsächlich soll sich manches verändern.
Er ist ungemütlich und laut, war aber mal ein Vorzeigeobjekt der modernen Nachkriegsarchitektur und trägt einen großen Namen: Über den Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg machen sich Stadtplaner schon seit einigen Jahren Gedanken, doch geschehen ist bisher wenig – auch weil fast alles dort unter Denkmalschutz steht. Neue Ideen, deren Realisierung allerdings ebenfalls unwahrscheinlich ist, präsentiert nun der Werkbund Berlin als Ergebnis seines Studentenwettbewerbs „Visionen für den Ernst-Reuter-Platz“.
Bei der Ausschreibung im Mai waren Hochschüler der HafenCity Universität Hamburg, der Technischen Universität Dresden und der TU München ermuntert worden, über den hemmenden Denkmalschutz hinwegzudenken. Einer der zwei Siegerentwürfe senkt das Platzrund in der Mitte des Kreisverkehrs dreigeschossig ab und schafft Platz für von oben belichtete Lesesäle einer Bibliothek. Dabei geht es nicht um irgendeine Bücherei: Jonas Käckenmester, David Lüken und Daniel Pehl von der HafenCity Universität wollen hier die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) ansiedeln, um den „Anspruch auf eine übergeordnete Bedeutung innerhalb Berlins zu markieren“.
Das Hamburger Team hat sich auch um praktische Lösungen bemüht. So würde die U-Bahn als Hochbahn über den Platz fahren, damit der Bibliothek keine Tunnel im Weg stehen.
Für die ZLB waren schon einige Orte im Gespräch
Bislang ist kein Standort für die ZLB in Sicht. Der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte sie am Flughafen Tempelhof ansiedeln, aber nach dem Erfolg des Volksentscheids gegen Bebauungen des Tempelhofer Feldes war der Plan vom Tisch. Später kam ein Neubau neben der Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg oder auf dem Marx-Engels-Forum in Mitte ins Gespräch. Architekten regten auch an, das ICC umzubauen. Zuletzt schlug Mittes neuer Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) einen Standort am Hauptbahnhof vor. Doch die rot-rot-grüne Landesregierung verschob die Entscheidung auf unbestimmte Zeit.
Der Werkbund-Wettbewerb stand unter der Schirmherrschaft des früheren Daimler-Konzernchefs Edzard Reuter. Nach seinem Vater Ernst Reuter, dem einstigen Regierenden Bürgermeister, ist der Platz seit 1953 benannt. Edzard Reuter sprach bei der Preisverleihung am Donnerstagabend ein Grußwort und sah die Entwürfe dort zum ersten Mal. Die drei bestplatzierten Arbeiten lobte er als „hervorragenden Beitrag zur Diskussion um den Platz, die dringend nötig ist“.
Von Hamburger Studenten stammt auch ein zweiter Entwurf, den eine Jury mit auf Platz eins gewählt hat. Darin wird die Verkehrsführung geändert und der Kreisverkehr aufgelöst. Ein Sonderpreis geht an eine Absolventin der TU München für das utopische Konzept eines 14 Kilometer langen, 120 Meter hohen und oben begrünten Gebäuderiegels („Bandstadt Berlin“), der den Westen und Osten der Stadt von Pichelswerder bis zum Humboldtforum verbinden würde – sogar mit integrierter Schwebebahn.
Immobilienunternehmer plant ein neues Hochhaus
Unabhängig von dem Wettbewerb soll sich in der Realität zumindest manches am Ernst-Reuter-Platz verändern. So darf der Immobilienunternehmer Christian Pepper das leer stehende Telekom-Gebäude mit der Hausnummer 6 durch einen 80 Meter hohen Neubau ersetzen. Im Siegerentwurf der Studenten sieht man das geplante Hochhaus bereits, wenn auch nur mit symbolhafter Architektur.
Radfahrer können den Platz künftig in beiden Richtungen umrunden. Die Landesregierung hat Gelder für einen neuen Radweg bewilligt, dessen Bau in diesem Jahr beginnen soll. Unterdessen modernisiert die TU ihre frühere Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen. Aus dem ältesten Gebäude am Platz, das Ende der 1950er Jahre nach Plänen von Willy Kreuer entstanden war, wird ein „Schaufenster“ der Uni mit einem Café, Ausstellungs- und Tagungsräumen und einem Gründerzentrum.
Eine Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse läuft im TU-Architekturmuseum im Flachbau an der Straße des 17. Juni 152 (am Freitag von 12 bis 15 Uhr sowie vom 31. Juli bis zum 3. August von 12 bis 17 Uhr, www.werkbund-berlin.de