Berliner Landessozialgericht: Streit um Präsidentenposten: Björn Böhning fordert neues Verfahren
Gerangel um die Spitze am Landessozialgericht wird härter. Die Senatskanzlei kritisiert Justizsenator Heilmann und fordert ein neues Verfahren.
Der Streit im Berliner Senat um die Besetzung des Präsidentenpostens am Landessozialgericht in Potsdam verschärft sich. Jetzt wurde bekannt, dass Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) das Verfahren nicht nur gestoppt hat, er will es auch neu aufrollen. In einem Brief an Justizsenator Thomas Heilmann (CDU), der dem Tagesspiegel vorliegt, fordert Böhning einen Neustart - und wirft Heilmann indirekt Verstöße gegen Vorgaben des Grundgesetzes vor. Ein neues Verfahren dürfte die Hängepartie nun noch weiter verlängern.
Wie berichtet ist der Posten seit Anfang 2014 vakant, nachdem Gerichtspräsidentin Monika Paulat in Ruhestand gegangen war. Als in einem ersten Verfahren die bisherige Präsidentin des Berliner Sozialgerichts, Sabine Schudoma, als Nachfolgerin gekürt wurde, lehnte Heilmann diese ab. Aus einem weiteren Verfahren ging dann der von Heilmann favorisierte Bundessozialrichter Karl Ernst Estelmann als neuer Kandidat für den Posten hervor. Schudoma gilt als SPD-nah, Estelmann als CDU-nah.
In seinem Schreiben erklärt Böhning dem Senator, warum die Senatskanzlei Estelmann die Zustimmung verweigerte. Und warum der Gemeinsame Richterwahlausschuss von Berlin und Brandenburg nicht Anfang März - das Gerangel beenden konnte. Dabei hatte das Brandenburger Kabinett Estelmann bereits zugestimmt, um das Verfahren nach jahrelanger Hängepartie nun zu Ende zu bringen, obwohl Schudoma dort als die bessere Kandidatin gilt. Das Landessozialgericht wird ohne neuen Präsidenten ab Herbst komplett führungslos sein, dann geht auch der Vize-Präsident in Pension.
Heilmann hat Schudoma zwei Mal abgelehnt
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) könne die von Heilmann im Januar eingereichte Senatsvorlage mit dem Personalvorschlag für Estelmann nicht mitzeichnen, heißt es in Böhnings sechsseitigen Brief. Wegen mehrerer Rechtsprobleme erscheint aus Sicht der Senatskanzlei „eine Neuausschreibung der Stelle und die Durchführung einer neuen Auswahl“ die „sauberste Lösung“.
Böhning hat sich zuvor die Akten zu dem Verfahren bringen lassen. Nach Durchsicht stellt sich für die Senatskanzlei der Vorgang so dar: Heilmann hat Schudoma zwei Mal abgelehnt, obwohl sie zwei Mal aus der Bewerberauswahl als beste Kandidatin hervorging.
Zunächst drängte Heilmann im Juni 2014 auf eine Neubefassung, weil ein Mitbewerber erfolgreich eine Korrektur seiner vom bisherigen Dienstherrn geschriebenen Beurteilung erwirkte. Doch auch danach empfahlen der Präsidialrat des Landessozialgerichts und das federführende brandenburgische Justizministerium weiterhin Schudoma.
Vorgehen nicht nachvollziehbar
Heilmann aber lehnte sie Ende Januar 2015 erneut ab, weil drei Monate zuvor, im Oktober 2014 eine neue Bewerbung eingegangen war – „und damit mehr als ein Jahr und vier Monate nach Fristablauf“, wie Senatskanzleichef Böhning feststellt. Es war die Bewerbung Estelmanns. Heilmann pochte darauf, dessen Bewerbung zu berücksichtigen.
Dieses Vorgehen des Justizsenators sei angesichts des langen Auswahlverfahrens und der nötigen Besetzung des Präsidentenpostens „nicht nachvollziehbar“, schreibt Böhning. Zudem bezweifelt er, ob der Bundesrichter Estelmann allein wegen seines höheren Beamtenstatus nun den Vorzug vor Schudoma hätte bekommen dürfen, dies sei „keinesfalls zwingend“. Es sei nicht gerade wahrscheinlich, „dass ein Richter am Bundessozialgericht schwierigere und verantwortungsvollere Aufgaben wahrzunehmen hat als eine Präsidentin des größten Sozialgerichts Deutschlands“, schreibt Böhning.