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Rathauschef Michael Müller (links) und Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei, stehen wegen des Falles McKinsey in der Kritik.
© dpa

Streit um Beraterverträge in Berlin: Koalitionspartner CDU attackiert Michael Müller

Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Evers bezeichnet den Vertrag mit Medienanwalt Schertz als "unglaublich peinlich für Müller".

In der Debatte über umstrittene Verträge der Berliner Senatskanzlei mit externen Beratern verschärft sich der Ton zwischen den Koalitionspartnern SPD und CDU erheblich. Gleichzeitig nimmt die Kritik an Björn Böhning (SPD), dem Chef des Senatskanzlei, zu. Anlass der neuen Konflikte ist eine Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt Christian Schertz, der die Senatskanzlei vor allem in medienrechtlichen Fragen vertritt.

Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Evers sagte dem Tagesspiegel: „Hat Böhning das Parlament zum Schertz-Vertrag belogen? Eher nicht. Hat er ihn bewusst verschwiegen? Wohl ja. Das ist aber nachvollziehbar. Dieser Vertrag ist ja unglaublich peinlich für den Regierenden und unterstreicht Star-Allüren, die in dieser Form nicht einmal Klaus Wowereit hatte. Der brauchte ja offenbar noch keinen Presserechtsexperten per Exklusiv-Vertrag.“ Über die Vereinbarung mit Schertz hatte die „B.Z.“ am Donnerstag berichtet, am Sonnabend stellte sie ein Foto des Vertrages via Facebook ins Internet.

Die Berliner Grünen werfen Böhning vor, diese nach Auskunft der Senatskanzlei schon seit Jahren existierende Vereinbarung am Mittwoch im Hauptausschuss des Parlaments nicht explizit erwähnt zu haben, als es bei einer viereinhalbstündigen Anhörung Böhnings durch die Parlamentarier um das Thema Beraterverträge ging. Besonders interessant ist der Vorgang im Kontext der aktuell diskutierten Vorgänge um einen Vertrag zwischen der Senatskanzlei und dem Beratungsunternehmen McKinsey zur Ausarbeitung eines Masterplans Integration. Denn der Anwalt Christian Schertz, dessen Vertrag mit der Senatskanzlei jetzt diskutiert wird, bemüht sich derzeit, im Auftrag der Senatskanzlei Druck auf die Presseberichterstattung in der Angelegenheit McKinsey auszuüben.

„Es gibt aktuell Rechtsberatungen zu weiteren Themen.“

Bei diesem Vorgang ist politisch umstritten, ob es überhaupt notwendig gewesen ist, dass die Senatsverwaltung die Firma McKinsey beauftragt hat, oder ob das nicht die Verwaltung selbst hinbekommen hätte. Auch wird kritisiert, dass die Vergabe an McKinsey ohne Ausschreibung erfolgt war. Zum anderen steht die Frage im Raum, unter welchen Umständen der Ex-SPD-Staatssekretär Lutz Diwell von McKinsey engagiert wurde.

Stefan Evers attackiert seinen Koalitionspartner.
Stefan Evers attackiert seinen Koalitionspartner.
© promo

Nach Darstellung der Senatskanzlei ist der jetzt öffentlich diskutierte Vertrag mit Schertz’ Kanzlei „Schertz Bergmann“ allerdings weder bislang geheimgehalten worden, noch habe Björn Böhning ihn in der Ausschuss-Sitzung verheimlicht. „Der Chef der Senatskanzlei hat auf diese und weitere Rechtsvertretungen, die die Senatskanzlei unterhält, in der Ausschusssitzung Bezug genommen“, teilte das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin auf Anfrage des Tagesspiegels mit. „Der Vorwurf, das Parlament wurde belogen, ist schlicht falsch.“ Im Hauptausschuss habe Böhning wörtlich gesagt: „Es gibt aktuell Rechtsberatungen zu weiteren Themen.“

Versäumnisse in der Kommunikation

Allerdings wurde der Vertrag mit Medienanwalt Schertz explizit in der Ausschusssitzung tatsächlich nicht erwähnt. Stattdessen nannte Böhning dem von der Senatskanzlei zitierten Wortlautprotokoll zufolge als ein Beispiel für externe Rechtsberatungen die Hauptstadt-Internetadresse „dot.berlin“ als „so ein Thema, was wir hier haben“. Direkt danach sagte er: „Es gibt sonst aktuell keine weiteren Beraterverträge, erst recht nicht im Bereich Flüchtlinge und Integration, seitens der Senatskanzlei.“

An diesem Punkt setzt die Kritik der Grünen an. „Nach dem Kommunikationsdesaster der vergangenen Wochen ist nicht zu verstehen, warum Herr Böhning diese anscheinend schon Jahre existierende Vereinbarung nicht erwähnt hat, wo doch mehrfach nach weiteren Verträgen gefragt wurde“, sagt die Grünen-Haushaltspolitikerin Nicole Ludwig auf Anfrage. „Zumindest kommunikativ zeigte er sich hier erneut sehr ungeschickt.“ Inwieweit in der Sache dieser Rahmenvertrag für juristische Beratung zu kritisieren ist, „wäre gegebenenfalls noch an anderer Stelle zu hinterfragen“.

Kannte Michael Müller die Details?

Die Senatskanzlei hingegen sieht keinen Grund für eine Kritik an ihrem Vorgehen. „Es gibt seit vielen Jahren eine regelmäßige und konstante Zusammenarbeit und Vertretung für die Senatskanzlei zu medienrechtlichen Fragen durch die Kanzlei Schertz-Bergmann“, heißt es in der offiziellen Erklärung des Presse- und Informationsamtes. „Diese Zusammenarbeit wurde mit dem Wechsel an der Hausspitze beibehalten.“ Eine rechtsanwaltliche Vertretung liege „im geschützten Vertrauensbereich“ einer jeden Behörde. Zur Frage, ob sich die Vertragsgestaltung im Laufe der Jahre änderte, heißt es: „Im Sinne des Steuerzahlers wurde eine übliche anwaltliche Honorarvereinbarung getroffen, die die Möglichkeit einer medienrechtlichen Vertretung und Interessenwahrnehmung in Verbindung mit einem günstigeren Stundensatz bei bis zu 15 Stunden schafft.“ Der vereinbarte Tarif belaufe sich auf etwa 3500 Euro monatlich, bestätigte Senatssprecherin Daniela Augenstein entsprechende Angaben der „B.Z.“.

Böhning ist auch in seiner eigenen Partei umstritten. In der SPD trauen ihm viele zu, dass er gemauschelt hat. Und dabei könne es durchaus möglich sein, dass auch Michael Müller zumindest die Details der Auftragsvergabe und der Rolle Diwells nicht erfahren habe.

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