Bebauung des ehemaligen Grenzübergangs: Streit um Checkpoint Charlie spaltet Berliner Senat
Die Grünen-Fraktion forciert die Übernahme des Baulands am Checkpoint Charlie für ein Museum. Linke regt eine „Enteignung“ der Flächen an. Müller hält an Verhandlungen mit "Trockland" fest.
- Hendrik Lehmann
- Ralf Schönball
- Laura Hofmann
- Hannes Soltau
Das Land Berlin soll sein Museum zum Kalten Krieg am weltbekannten touristischen Brennpunkt selbst bauen und dazu eines der beiden freien Grundstücke an der Friedrichstraße vom Insolvenzverwalter übernehmen. Das fordert die Fraktion der Grünen im Abgeordnetenhaus und hat einen entsprechenden Parlamentsantrag beschlossen. Die Forderung ähnelt einem Beschluss des SPD-Kreisverbands Mitte. Auch beim dritten Partner der rot-rot-grünen Koalition, den Linken, mehren sich die Gegner des geplanten Deals zum Checkpoint mit der Firma Trockland.
Zufrieden sind die Grünen noch lange nicht, aber im Antrag loben sie die „großen Fortschritten zum Vorteil des Landes“ bei den Verhandlungen mit der Firma Trockland. Diese hat einen Fuß in der Tür des Insolvenzverwalters, der seit der Pleite eines früheren Entwicklers des Quartiers über die beiden Grundstücke wacht. Mitzureden hat auch die Senatsverwaltung für Finanzen, mit der Trockland in diskreten Verhandlungen einen „Letter of Intent“ abstimmte – die Inhalte werden geheimgehalten. Nach massiven Bedenken von Planern und Politikern steht der Deal aber in der Kritik.
Daran knüpft auch der Antrag der Grünen an: „Der Mietvertrag, der in einem Letter of Intent festgelegt wurde, ist begrenzt, und die Fläche wird zu einem nicht unbeträchtlichen Mietpreis zur Verfügung gestellt“, schreibt die Autorin und Sprecherin für Stadtentwicklung Daniela Billig. Damit bestehe die Gefahr, dass bereits nach 25 oder 30 Jahren das Museum wieder geschlossen werden muss. Die Zukunft eines Museums an diesem besonderen Ort sei damit nicht gesichert.
Die Grünen sehen allerdings „die historische Chance“, den Checkpoint als Gedenk- und Erinnerungsort „der Berliner und deutschen Geschichte“ zu bewahren. Dazu müsse das Land Berlin das Grundstück östlich der Friedrichstraße übernehmen, durch städtebauliche Festlegungen könnten weitere Freiflächen gesichert werden und ein „eigener einzelstehender Museumsbau“ auf dem früheren Grenzbereich errichtet werden, dort, wo auch ein Wachturm stand und frei stehende Brandmauern an die Teilung erinnern.
Linke prüfen Enteignung
Bisher sehen die Pläne von Trockland den Bau einer Filiale der Franchise-Kette „Hardrock Hotel“ vor sowie Wohnungen, Büros und Läden. Dafür soll dem Antrag zufolge auf der westliche Straßenseite Platz bleiben, an der Einmündung zur Schützenstraße. Dieser Vorschlag berücksichtigt auch den Denkmalschutz, der über dem Checkpoint liegt, weil nicht mehr das Hardrock-Hotel städtebaulich im Vordergrund stehe, vielmehr trete dieses „hinter das Museum zurück“. Vor gut zwei Wochen war der größte SPD-Kreisverband in Mitte, wo der Checkpoint größtenteils liegt, auf Distanz zu den Trockland-Plänen gegangen.
In einem einstimmig gefassten Beschluss hatten die Genossen gefordert, dass das Land Berlin alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen müsse, um das Areal unter öffentlicher Kontrolle einer gemeinwohlorientierten Nutzung zuzuführen. Der Antrag fiel im SPD-Parteitag nach harter Kritik des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller durch. Der SPD-Kreisverband hatte die starke Verhandlungsposition des Landes betont, das über ein vertragliches Vorkaufsrecht für das Grundstück verfüge. „Das derzeit geplante Vorhaben lehnen wir in dieser Form ab“, sagt Eva Högl, Kreisvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.
Und die Linke? „Wir prüfen jetzt auch, ob man an dem Ort enteignen kann. Denn das wichtigste ist der Erhalt und die Wahrung des Ortes als Kultur- und Denkmalort“, sagt die Berliner Abgeordnete Katalin Gennburg. Das Trockland-„Konsortium“ sei „undurchsichtig“ und habe „sicher kein Interesse an der Gemeinwohlorientierung“. Es sei fragwürdig, einer solchen Firma „Eigentum in der Stadt zu verschaffen“. Und man müsse von der Vorstellung abkommen, dass der Kauf einer Fläche in Berlin auch dazu führt, dass man dort Baurecht bekomme. Im Fall von Trockland gebe es bisher offiziell kein Baurecht, betonte Gennburg.
„Man sollte einen Rückkauf der Flächen prüfen“
Mit vergleichbaren Fällen beschäftigt sich auch schon länger die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Sie sagt: „Es kann nicht sein, dass sich ausländische Milliardäre hinter verschachtelten Firmenkonstruktionen verstecken und wir nicht wissen wer Berlin aufkauft.“
Auch die Opposition im Abgeordnetenhaus schlägt sich auf die Seite der Regierungsfraktionen von Grünen und Linken: Berlins CDU-Generalsekretär und parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Frakion Stefan Evers fordert: „Man sollte ein Rückkauf der Flächen prüfen“. Stefan Förster von der FDP-Fraktion warnt: „Eine falsche Entscheidung am Checkpoint Charlie, der für die deutsch-deutsche Teilung schlechthin steht, würde weltweit negatives Aufsehen erregen.“
Müller hält unbeirrt an Verhandlungen mit Trockland fest
Bisher hält der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) allerdings so unbeirrt an den Verhandlungen mit Trockland fest wie seinerzeit an den Plänen für eine Bebauung des Tempelhofer Feldes. Wie berichtet hatte Müller auf dem Landesparteitag am Wochenende erklärt, er halte nichts davon, das jetzt gefundene Konzept für die Neugestaltung „auf null zu stellen“ und das Areal zu übernehmen. Anderenfalls bestände die Gefahr, „dass dort über weitere Jahre nichts passiert“. Die Forderung nach einem Ankauf des Areals durch das Land Berlin wurde gestrichen.
Befürwortet werden die Pläne auch von ehemals in Regierungsverantwortung stehenden Sozialdemokraten wie Klaus Schmidt-Deguelle. Der frühere Staatssekretär in der hessischen Landesregierung und spätere SPD-Minister-Berater steht als Berater in Diensten von Trockland. Schmidt-Deguelle war in der hessischen Landesregierung in Wiesbaden von März 1994 bis April 1999 als Staatssekretär und Regierungssprecher tätig. Von 1998 bis 1999 war Margaretha Sudhof, ebenfalls SPD, in der Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden tätig. Sudhof ist heute Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Finanzen. Sudhof beantwortet schon mal externe Anfragen an Finanzsenator Kollatz zum Deal zwischen Trockland und dem Senat. Zur Tagesspiegel-Anfrage über gemeinsame Termine der Genossen zu Trockland sagte eine Sprecherin: „Geleitet von Frau Dr. Sudhof gab es in der Senatsfinanzverwaltung einen Termin zu Hypoport mit Vertretern von Hypoport und Herrn Schmidt-Deguelle“, aber: „Es gab keinen einzigen gemeinsamen Termin mit Trockland und Herrn Schmidt-Deguelle.“