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Der Checkpoint Charlie ist ein Touristenmagnet.
© Getty Images/iStockphoto
Exklusiv

Bebauung in Berlin: Denkmalschutz am Checkpoint Charlie außer Kraft gesetzt

"Obergutachter" der Firma Trockland und Verwaltung haben neue Pläne. Im Streit um Neubauten am Gedenkort mischen auch noch Diepgen und Momper mit.

Etappensieg für die Firma Trockland und ihre Baupläne am Checkpoint Charlie: Der eben erst erlassene Denkmalschutz für den weltberühmten Kontrollpunkt ist wieder abgeräumt. Zwei Drittel der östlichen „Brandwand“ des Hauses, wo im Kalten Krieg Spione ihre Gegner jenseits des eisernen Vorhangs beobachteten, soll die Immobilienfirma zubauen dürfen. Dies sieht ein „Massenmodell“ vor, das dem Tagesspiegel vorliegt.

„Der Senat weicht von den eigenen städtebaulichen Leitlinien ab, die er erst am 7. August erlassen hatte“, sagt Theresa Keilhacker. Die Fachexpertin für Städtebau und Architektur im Beteiligungsverfahren Checkpoint Charlie sagt: Damit gehe das „authentische Raumerlebnis der ehemaligen Grenzübergangsstelle am Checkpoint Charlie unwiederbringlich verloren“, die verbliebene Platzfläche auf der Ostseite „verkäme zu einem Reststreifen ohne Proportion“.

Die Fortsetzung der Bauplanung erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und sie hätte wohl den ohnehin bestehenden Streit im Parlament zusätzlich befeuert. Aber schon die Öffentliche Aussprache über die unterschiedlichen Vorstellungen des Checkpoints in der SPD auf der einen sowie Linken und Grünen auf der anderen Seite wurde verhindert. Die SPD hatte im Alleingang die brisante Debatte zur Entwicklung des Checkpoint Charlie einfach von der Tagesordnung des Stadtentwicklungsausschusses streichen lassen. Völlig unüblich unter politischen Partnern in einer Regierung. Abgeordnete von Grünen und Linken waren stinksauer über ihren Koalitionspartner. Nur aus „Koalitionsräson“ ließen sie es nicht zum Eklat kommen.

"Die ganze Stadt redet darüber"

Das alles liegt auf der Linie des Senats, der sich durch eine geheim gehaltene Vereinbarung in die Abhängigkeit einer Firma mit Gesellschaftern in Steueroasen begab. „Die ganze Stadt redet darüber und die Koalition nimmt das Thema von der Agenda“, sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers. Die einzige Erklärung dafür sei, dass „sie selbst nicht weiß, was sie will“. Iris Spranger (SPD) wies das zurück. Es gebe „neue Ergebnisse“.

Die Neuigkeit ist eben das unter „Obergutachtern“ ausgekungelte und nicht mal dem Parlament vorgelegte „Massenmodell“, das für neuen Zoff sorgen dürfte. Gleich zwei dieser „Obergutachter“ kommen von Trockland. Die Firma ist Teil eines verschachtelten Firmennetzwerkes, das Kreditforderungen aus der Insolvenzmasse eines früheren Checkpoint-Entwicklers gekauft hatte. Daraus leitet sie Rechte an den Grundstücken ab.

Lompscher hatte im Abgeordnetenhaus immerhin zugegeben, dass ein „Massenmodell“ für die Bebauung der Grundstücke an der Friedrichstraße besprochen wurde. Dabei hatte sie diese nicht. Im selben Atemzug bekannte sich die Senatorin aber zu den „Ergebnissen des „städtebaulichen Workshopverfahrens“ zum Checkpoint. An solchen Widersprüchen erkenne man das "Herumdoktern an einem von vornherein falsch aufgesetzten Verfahren", sagte Keilhacker. Berlin müsse endlich sein Vorkaufsrecht wahrnehmen, um Handlungsspielraum zurückzugewinnen.“

Hintergrund: Der weltberühmte Checkpoint soll – nach Widerständen in der Öffentlichkeit – nicht komplett mit Beton zugegossen werden, sondern auch künftig als Grenzkontrollpunkt von zwei verfeindeten Blöcken während des Kalten Krieges erkennbar bleiben. Dazu soll ein Platz auf beiden Seiten der Friedrichstraße entstehen. Der würde auch als Vorraum für das geplante Museum des Kalten Krieges westlich der Straße dienen – und den Blick auf die Altbauten nicht versperren, von den aus die Spione beider Lager ihre jeweiligen Gegner ausspionierten.

Zahlende Kunden für das Grundstück

Doch viel Platz ist nicht auf dem eiligst erstellten Massenmodell und das zeigt, wie geräuschlos die Firma Trockland ihre Interessen durchsetzt. Diente der Alleingang der SPD im Parlament dazu, schnell Fakten zu schaffen? Trockland hat zahlende Kunden für ein Grundstück: Die US-Kette „Hard-Rock-Hotel“ will dort eine Filiale bauen. Deren Pläne sahen bunt leuchtende Videoleinwände im Eingang einer „expressiven Architektur“ vor, wie Lompscher sagte. Das Museum sollte dagegen größtenteils im Keller eines unauffälligen Neubaus westlich der Friedrichstraße verschwinden. Kommerz sticht Geschichte, granteln Kritiker.

Um sich dieses Eindrucks zu erwehren, mobilisieren die Initiatoren des Kalte-Kriegs-Museums für Trockland. Zu einer Pressekonferenz am 5. Oktober bieten sie eine Riege einflussreicher Alt-Politiker auf. Sie fordern die „Beseitigung der unwürdigen Situation dieses Brennpunktes der Weltgeschichte“ – und ebnen so den Krediteignern den Weg. Ein Streit im Abgeordnetenhaus über die schon mal als „Disneyfizierung“ des Checkpoints verunglimpfte Planung wäre da zur Unzeit gekommen. Verhinderte die SPD die Aussprache deshalb?

Jedenfalls wirbt der ehemalige Regierende Bürgermeister Walter Momper, SPD, für die Trockland-nahe Initiative „Museum am Checkpoint Charlie JETZT“. Momper macht seit gut zehn Jahren mit seiner „Projektentwicklungsgesellschaft“ in Immobilien – er öffnet Türen in der Politik. Auch Berlins CDU-Ehrenvorsitzender und langjähriger Regierender Eberhard Diepgen ist angekündigt. In Diepgens Zeit als Regierender fiel die Privatisierung der Checkpoint-Grundstücke an eine US-Firma, an der der ehemalige US-Botschafter in Budapest Mark Palmer und der Ex-US-Botschafter in Wien, Kosmetik-Erbe Ronald Lauder, beteiligt waren. John Kornblum war damals US-Botschafter in Berlin. Der namhafte Außenpolitik-Experte und Talkshow-Dauergast wirbt auch für Trockland – er ist da als „Senior Advisor“ tätig.

Wer aber ist Trockland eigentlich? Im Handelsregister ist ein verzweigtes Imperium aus Schachtelfirmen zu finden. Die Pointe: Wer wirklich dieses Netz beherrscht, in das Banker aus Zypern, Gesellschafter im steuerfreien Liechtenstein sowie russische Banker mit Sitz in London und Zypern eingeflochten sind, ist ein in Luxemburg und Lichtenstein wohlgehütetes Geheimnis. Luxemburg, das ist Europas größtes Steuerschlupfloch, wo nach einer Analyse der Grünen aus 2017 mindestens 300 Millionen Euro aus Mitgliedsländern der EU am Fiskus vorbei verschwanden.

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