zum Hauptinhalt
Ehemalige Polizeichefin in Berlin: Margarete Koppers.
© promo

Berliner Justiz: Streit um Auswahl der Berliner Chefanklägerin

Polizei-Vizepräsidentin Margarete Koppers soll Berlins Generalstaatsanwältin werden. Doch es gibt Kritik an der Personalie.

Die Berliner Justiz steht vor einem Führungsproblem. Die Besetzung der wichtigsten Personalie der Sicherheitspolitik könnte über lange Zeit ungeklärt bleiben. Der Posten des Generalstaatsanwalts – de facto Chefermittler der Stadt – ist vakant: Amtsinhaber Ralf Rother ist eigentlich schon seit September 2016 im Ruhestand. Nach Tagesspiegel-Informationen hat Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) den Vertrag mit Rother aber vorsorglich bis Ende Juli dieses Jahres verlängert.
Sowohl im Senat als auch der Justiz wird davon ausgegangen, dass über die Neubesetzung vor Gericht gestritten wird.

Verwaltungsrechtler fühlen sich schon an die von Klagen und Vorwürfen geprägte Suche nach einem Polizeipräsidenten von 2010 bis 2012 erinnert.  Wie berichtet, war die Auswahlkommission für die Neubesetzung des Generalstaatsanwalts kurz nach Amtsantritt von Behrendt ausgetauscht worden. Die neue Kommission entschied sich für Vize-Polizeipräsidentin Margarete Koppers, die sich zu Jahresanfang nach langer Abwesenheit zurückgemeldet hatte. Die neuen Kommissionsmitglieder sollen – so ein Vorwurf – eher den Grünen nahestehen.

Empfehlung für Koppers

Die unterlegene Mitbewerberin, die Brandenburger Staatsanwältin Susanne Hoffmann, ehemals Stellvertreterin des Brandenburger Generalstaatsanwalts, hat gute Chancen zu klagen. Denn unklar ist, ob die Auswahlkommission der Berliner Justizbehörde in einem laufenden Bewerbungsverfahren hätte ausgetauscht werden dürfen. Hoffmann war bereits Vize-Generalstaatsanwältin und ist derzeit als Abteilungsleiterin im Potsdamer Justizministerium für die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaft zuständig. Bestätigten Angaben zufolge hat nicht nur sie, sondern auch Koppers sich im drohenden Streit um den wichtigen Posten in Berlin juristischen Rat geholt.

Ex-Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hatte die Mitglieder der Kommission in seiner Amtszeit selbst ausgewählt, darunter waren renommierte, konservative Bundesrichter. Mehrere Termine waren angesetzt, doch Koppers war jedes Mal krankgemeldet. Der letzte Termin in dieser Reihe war auf den 19. Januar angesetzt. Doch zum Jahreswechsel kam die Absage. Wenig später, am 24. Januar, gab es einen neuen Termin – mit der neuen Kommission. Der neue Justizsenator Behrendt soll die Kommission nicht selbst besetzt haben, sondern Experten seiner Fachabteilung. Die Auswahlkommission, so heißt es in Justizkreisen, habe auch ohne Behrendts Zutun eine Empfehlung für Koppers abgegeben. Der Senator sagte auf Nachfrage: „Ich werde die Unterlagen zum Vorgang demnächst bekommen, so wie das die Verwaltungsabläufe vorsehen. Dann entscheide ich über den Vorschlag der Kommission und werde dann wiederum dem Senat einen Vorschlag machen.“

Ahnungslos ist auch die Senatskanzlei

Die CDU sprach am Freitag davon, dass sich „grüner Filz“ in der Justiz breitmache. Sven Rissmann, rechtspolitischer Sprecher, sagte: „Der vollständige Austausch einer hochrangigen Auswahlkommission ist ein beispielloser Vorgang, der im höchsten Maße erklärungsbedürftig ist.“ So eine Entscheidung in einem Auswahlverfahren müsse sachlich begründet werden. Gründe für den Austausch der Mitglieder seien nicht erkennbar – „es sei denn, der neue Justizsenator suchte eine Kommission, die vor allem seine Vorstellungen durchsetzt.“ Behrendt solle sich dem Parlament stellen, notfalls müsse ein Gericht den Vorgang beurteilen.

Die Koalitionspartner der Grünen, SPD und Linke, wissen bisher von nichts. „Uns ist weder der Vorgang noch eine Personalempfehlung bekannt“, sagte der SPD-Rechtsexperte Sven Kohlmeier dem Tagesspiegel. Auch die Linken teilten mit: „Mit uns wurde nicht darüber gesprochen.“ Auch während der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2016 sei die wichtige Personalie nicht mal am Rande der Sitzungen thematisiert worden, erinnern sich Teilnehmer. Ahnungslos ist auch die Senatskanzlei. „Die Besetzung der Stelle des Generalstaatsanwalts ist bei uns bisher kein Gegenstand von Diskussionen gewesen“, sagte Senatssprecherin Claudia Sünder. Im Roten Rathaus gebe auch noch keine schriftlichen Unterlagen aus dem Haus des Justizsenators.

Der Generalstaatsanwalt wird vom Senat ernannt. Bis in die neunziger Jahre hinein wurde er (oder sie) noch durch das Abgeordnetenhaus gewählt. Streit um die Rolle der Politik in der Justiz gab es immer. Der Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg warnte nun vor der Besetzung des Postens mit Koppers. Mit Blick auf den möglichen Einfluss durch Senator Behrendt sagte Rautenberg dem Tagesspiegel: „Wenn nun die größte Generalstaatsanwaltschaft der Bundesrepublik von einer Person geleitet werden soll, die keine Erfahrung als Staatsanwalt hat, muss man befürchten, dass die politische Generalstaatsanwaltschaft durch die Hintertür wieder eingeführt werden soll."

Es herrsche „dicke Luft“

Bis 2010 seien Generalstaatsanwälte in den Bundesländern politische Beamte gewesen, so Rautenberg. Sie konnten jederzeit ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand versetzt werde – etwa wenn es um politisch brisante Fälle ging. Wegen des bösen Anscheins, die Behördenchefs seien politisch beeinflussbar, sind Generalstaatsanwälte in den Ländern seit 2010 normale Beamte. Seither seien nur erfahrene Staatsanwälte oder mit der Behördenaufsicht vertraute Juristen zu Generalstaatsanwälten ernannt worden.

Wann sich der Senat mit einem Personalvorschlag Koppers befassen wird, ist angesichts drohender Bewerberklagen nun völlig offen. Auch einige Berliner Staatsanwälte wollen Koppers dem Vernehmen nach nicht. Es herrsche „dicke Luft“. Sie stören sich nicht nur an der Intransparenz der Entscheidungen, sondern an der Personalie als solche. Koppers gilt zwar als führungsstark, aber nicht als integrativ. Ihr fehle, so hört man, auch „der Stallgeruch“ der Staatsanwaltschaft. Unter Beamten ist sogar von einer Versorgungslösung für Koppers die Rede. Es ist kein Geheimnis, dass Koppers mit Polizeipräsident Klaus Kandt über Kreuz liegt. Für eine Klage gegen die Postenvergabe an Koppers hat die Justizsenatsverwaltung mehrere Steilvorlagen geliefert. So müssen beim Austausch in der Auswahlkommission für jedes einzelne Mitglied sachliche Gründe angebracht werden. Das wird für die komplette Kommission kaum möglich sein, heißt es aus der Justiz. Zudem muss neben dem Bewerbungsgespräch und der Leistungsbewertung auch die Eignung für das Amt geprüft werden.
Margarete Koppers und Susanne Hoffmann können beide beste Zeugnisse vorweisen, haben zudem den gleichen Beamtenrang. Allerdings ist angesichts der langen Karriere von Hoffmann in den Staatsanwaltschaften Berlin und Brandenburg die Frage nach der Eignung relativ klar. Koppers hat da weniger Erfahrung

KOMMISSION (ALT)

Unter Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) saßen folgende Personen in der Auswahlkommission: Cornelia Rogall-Grothe (bis 2015 Staatssekretärin im Bundesinnenministerium); Sabine Toepfer-Kataw (bis Ende 2016 Justiz-Staatssekretärin in Berlin); Markus Jäger (Richter am Bundesgerichtshof); Holger Rothfuß (bis 2015 Richter am Bundesgerichtshof); Helmut Trost (Generalstaatsanwalt Rostock).

KOMMISSION (NEU)
Unter Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) wurde die Auswahlkommission komplett ausgetauscht. Ihr gehören seit Januar an: Ralf-Peter Anders (Leitender Oberstaatsanwalt Lübeck); Achim Brauneisen (Generalstaatsanwalt Stuttgart); Martina Gerlach (Justiz-Staatssekretärin in Berlin); Andrea Diekmann (Vize-Präsidentin am Kammergericht Berlin, bis Juli 2016 Vize-Präsidentin am Landgericht als Nachfolgerin von Margarete Koppers); Petra Michaelis-Merzbach (Landeswahlleiterin in Berlin).

Zur Startseite