Pflegekräfte in Berlin: Streik an der Charité, Protest in der ganzen Stadt
An der Charité wird heute wieder gestreikt, Operationen werden verschoben. Das könnte auch die rot-rot-grüne Koalition belasten.
Streik und Proteste – turbulent wird es diese Woche an den Berliner Kliniken zugehen. Am heutigen Montag sind die Pflegekräfte an der Charité zum Streik aufgerufen. Dutzende Operationen hat die Klinikleitung offenbar verschoben, die Patienten sind informiert. Doch selbst wenn, wie immer bei Arbeitskämpfen im Gesundheitswesen, alle Notfälle behandelt werden – jeder Ausstand an Kliniken führt zu Komplikationen. Zumal die Charité-Leitung die traditionelle Notdienstvereinbarung mit Verdi am Wochenende nicht unterschrieben hat. Das könne, heißt es aus Senatskreisen, die rot-rot-grüne Koalition belasten.
Charité-Pflegekräfte wollen einklagbare Personalschlüssel
Mehr als 300 Krankenbetten, also jeder zehnte Platz wird diese Woche wohl leer bleiben müssen. Charité-intern wird davon ausgegangen, dass es vor allem an den Standorten in Wedding und Mitte zu Ausfällen kommt. Die Gewerkschaft Verdi, in der an der Charité viele Intensiv- und OP-Pflegekräfte organisiert sind, ruft vorerst zum unbefristeten Streik auf: Die Gewerkschaft fordert einklagbare Personalschlüssel. Zudem soll es am Dienstag einen Protestmarsch von Pflegekräften aller Kliniken vor dem Bundesgesundheitsministerium geben. Vor der Bundestagswahl gelte es, verbindliche Regeln für die Personalausstattung zu fordern – bislang haben CDU und SPD im Bund nur in einigen Bereichen schwer überprüfbare Untergrenzen eingeführt.
An der Charité ist man insofern weiter, als der 2016 nach einem harten Streik im Vorjahr abgeschlossene Tarifvertrag für jede Station bestimmte Fachkräftezahlen vorsieht. So soll an der Charité nachts etwa kein Mitarbeiter mehr allein auf einer Station im Dienst sein, für die Intensivpflege gilt eine Schwester für zwei Patienten pro Schicht, statt wie in anderen Kliniken drei, vier oder gar fünf Patienten. Allerdings hatte Verdi den Tarifvertrag wegen Umsetzungsmängeln auslaufen lassen; die Gewerkschaft will verbindliche, einklagbare Personalschlüssel auch auf den Normalstationen, auf der ja die meisten Patienten liegen. Diese Forderung sei im Alltag unpraktikabel, sagte dagegen der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, schon weil man dafür bis zu 300 Fachkräfte quasi in Reserve vorhalten müsse. Die Charité arbeite permanent daran, offene Stellen zu besetzen, einst war von Hunderten fehlenden Mitarbeitern die Rede, nun seien es 80 Pflegekräfte auf den Normalstationen, dazu 50 für die Intensivstationen. Und man suche sogar in Mexiko nach Pflegekräften, weil es in Deutschland kaum noch arbeitssuchende Fachkräfte gebe.
Charité-Streikleiter: "Krankenhausfinanzierung ist krank"
Die Charité beschäftigt rund 4000 Schwestern und Pfleger. Die schon vor anderthalb Jahren eingeführten Mindeststandards müssten endlich eingehalten werden, sagte Carsten Becker, Streikleiter und Kinderkrankenpfleger. Dazu brauche es verbindliche Schichtbesetzung, deren Unterschreitung zu Sanktionen führe. Zudem versorgt die Charité in der wachsenden Stadt jedes Jahr mehr Patienten als im Vorjahr: „Es muss Schluss damit gemacht werden, mit zu wenig Personal auch noch Leistung zu steigern, nur weil die Krankenhausfinanzierung krank ist.“ Der zuständige Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) sagte, der Charité-Tarifvertrag sei gut. „Auf Grundlage der dort getroffenen Vereinbarungen konnten in den vergangenen Jahren zahlreiche Verbesserungen erreicht werden.“ Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich am Wochenende zum Pflegenotstand. Merkel sprach sich für höhere Löhne und einen besseren Personalschlüssel aus: „Deshalb müssen und werden wir jetzt auch den Personalschlüssel nochmal überprüfen“, sagte sie bei einem Auftritt in Binz.
Die Patienten-Hotline der Charité: 030/450 550 500.