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Jan Koslowski ist Festivalleiter und Regisseur des Stücks "Zum Späti an der Plötze – Ein Schwank", das am 1. August im Freibad Plötzensee Premiere feiert.
© Kitty Kleist-Heinrich

Drama im FKK-Bereich: Strandbad Plötzensee wird Theaterbühne für Späti-Schwank

Im Strandbad in Wedding finden ab Freitag die „Festspiele am Plötzensee“ statt, mit Kunst, Musik und Theater. Ein Interview mit dem Leiter Jan Koslowski.

Pommes, Tretboote, Liegewiese: Eigentlich ist das Strandbad Plötzensee in Wedding eher ein Ort der entspannten Freizeitgestaltung, denn der Hochkultur. Das soll sich jetzt ändern, zumindest vorübergehend: Vom 31. Juli bis zum 8. August finden dort erstmalig die „Festspiele am Plötzensee“ statt, ein Kulturfestival, das verschiedene Künste wie Theater, Filme und Lesungen vereinen will. 

Außerdem soll es eine Open-Air-Ausstellung mit Werken verschiedener Künstler geben, die sich an verschiedenen Orten auf dem Gelände des Strandbads verteilen – zum Beispiel in den Duschen. Unter dem Motto „Urlaub und Reisen“ soll das Strandbad so zu einem begehbaren Gesamtkunstwerk werden.

Künstlerischer Leiter des Festivals ist der Theaterregisseur Jan Koslowski. Im FKK-Bereich des Strandbads inszeniert er das Theaterstück „Zum Späti an der Plötze – Ein Schwank“. Darin soll es um die Notwendigkeit eines Freizeitortes im sich verändernden Stadtraum gehen. Und um die Frage, wo es überhaupt noch Orte der Begegnung gibt.

Herr Koslowski, wie fühlt es sich an, nach einer so langen Pause wieder etwas auf die Bühne zu bringen?
Es ist eine totale Erleichterung. Ich habe gemerkt, dass es für mein Leben ein großer Bestandteil ist, zu inszenieren und zu arbeiten. Ich merke auch, dass es bei uns allen im Team eine wahnsinnig große Freude darüber gibt, wieder zu spielen, in einen normalen Probenalltag zu kommen und die Arbeit zu machen, die man eigentlich macht.

Die Festspiele am Plötzensee finden dieses Jahr zum ersten Mal statt. Wie kam es dazu?
Ich hatte eigentlich zwei größere Sommertheater-Produktionen geplant. Beide sind wegen Corona und nicht ausgezahlter Fördertöpfe geplatzt. Dann gab es den Kontakt zum Strandbad Plötzensee. Ich mag Strandbäder sehr gerne und kenne die leitende Rettungsschwimmerin hier. Im Strandbad gibt es durch das vorhandene Hygienekonzept die Möglichkeit, gewisse Sachen anders zu machen, als in einem klassischen Theater.

Was ist das Thema der Festspiele?
Am Anfang war die Idee, auf keinen Fall etwas über Corona zu machen, sondern über Versammlung und Gemeinschaft. Wir begreifen diesen Ort als Freiraum. „Frei“ und „Raum“ sind die großen Überschriften. Es geht darum, was der Plötzensee für ein Ort innerhalb der Stadt ist und um das Thema Reisen.

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Was bedeutet ein Sehnsuchtsort, wie dieser See, in einer Zeit, in der Mobilität eingeschränkt ist? Was ist das für ein Freizeitort und wer kommt hier her? Normalerweise müssten wir den Plötzensee ins Theater holen, aber der Plötzensee ist hier, er ist Teil der Bühne und alle Leute auf der anderen Seeseite sind Teil der Kulisse und der Szenerie, wie die Strandbadbesucher auch.

Sie beschäftigen sich in dem Theaterstück auch mit Gentrifizierung und Verdrängung. Haben Sie Angst, dass Sie mit dieser Veranstaltung zu dem Prozess beitragen und den Strandbadbesuchern ein Stück Freiraum wegnehmen?
Das machen wir auf jeden Fall, indem wir den FKK-Bereich ab einer bestimmten Uhrzeit besetzen. Uns ist bewusst, dass wir als Theatermacher und -macherinnen die Vorhut der Gentrifizierung sind. Wir ziehen hier ins Strandbad ein und werden damit auf jeden Fall etwas verändern.

Sonst ein Ort des Schwimmvergnügens: das Standbad Plötzensee in Wedding.
Sonst ein Ort des Schwimmvergnügens: das Standbad Plötzensee in Wedding.
© Kitty Kleist-Heinrich

Die Frage ist doch, wer am Ende davon profitiert. Wir machen das als ehrenamtliches Projekt, niemand von uns verdient einen Cent daran. Nur deshalb ist es überhaupt möglich, diese Idee an diesem Ort umzusetzen. Der Raum soll nicht abgeschottet sein, sondern eine Einladung für alle.

Die Ehrenamtlichkeit ist auch ein Resultat von fehlenden Förderungen. Wie beurteilen Sie aus Sicht eines Kulturschaffenden die Reaktion der Berliner Landesregierung auf die Corona-Pandemie?
Ich glaube, dass es eine große Frustration gibt, wenn man schaut, wie weit ein Lobbyismus für andere Spaten reicht und wie realitätsfern über Kultur nachgedacht wurde.

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In anderen Bundesländern wurden nochmal extra Fördertöpfe für neue Formate ausgegeben, die an die aktuelle Situation angepasst sind. Gerade mit Sommertheater, das draußen stattfindet, hätte man eine Möglichkeit gehabt, neue Spielorte zu finden.

Sie haben das Hygienekonzept bereits angesprochen. Wie sieht das konkret aus?
Wir haben einen Corona-Beauftragten, es wird außerdem nicht nur einen Ausstellungsort geben, sondern einen Parcours. Insgesamt dürfen 4000 Menschen auf das Gelände, das Theaterstück ist auf 99 begrenzt. Und dann gibt es innerhalb des Strandbades die Strandranger, die auf die Einhaltung des Abstands achten.

Leonard Laurig

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