Berlin-Zehlendorf: Stillgelegte Friedhofsbahn: Radweg statt S-Bahn-Gleise
Bis 1961 rollte die S-Bahn von Wannsee nach Stahnsdorf. Die Bahn will die Grundstücke loswerden, die Gemeinden haben andere Ideen. Und Sie?
Es war eine hübsche, aber doch sehr umstrittene Idee: ein Radschnellweg auf der stillgelegten Stammbahntrasse – das war der Plan der Berliner CDU. Und jetzt legen die Berliner mit dem Vorschlag nach, auch die Trasse der ehemaligen Friedhofsbahn vorübergehend als Radweg zu nutzen. Nur: Dafür müssten auch die benachbarten Umlandgemeinden von der Idee überzeugt werden – und das ist eher unwahrscheinlich.
Die Bahn will die Trassengrundstücke der seit über 50 Jahren stillgelegten, vier Kilometer langen S-Bahnstrecke, die bis 1961 den Stahnsdorfer Südwestkirchhof mit dem S-Bahnhof Wannsee verband, verkaufen. In einem Bieterverfahren hatten sich Kleinmachnow und Stahnsdorf um die im Gemeindegebiet liegenden Grundstücke einschließlich der gesperrten Eisenbahnbrücke über den Teltowkanal (gut zu sehen neben der Autobahn A 115) beworben.
Die Kommunen wollen gemeinsam die Möglichkeit einer späteren Wiederinbetriebnahme der vier Kilometer langen Strecke offenhalten. Nach einer denkbaren Verlängerung der S 25 vom S-Bahnhof Teltow-Stadt nach Stahnsdorf könnte damit der Ringschluss nach Berlin gelingen. Doch auch Monate nach der Ausschreibung verhandeln die Parteien. „Die nächsten Gespräche werden gerade terminiert“, sagt jetzt Kleinmachnows Rathaussprecherin Martina Bellack. Ähnliches ist in der Stahnsdorfer Gemeindeverwaltung zu hören. Die Bahn lehnt eine Stellungnahme derzeit ab.
Inserat der Bahn sorgt für Irritationen
Beide Kommunen betonen, die Trasse für den Schienenverkehr erhalten zu wollen. Ein Radweg, wie von den Steglitz-Zehlendorfern vorgeschlagen, lehnt Kleinmachnow als unmittelbarer Grundstücksnachbar ab. „Wir halten einen Radweg dort nicht für sinnvoll“, sagte Rathaussprecherin Bellack. Mit dem als Radweg ausgebauten Stahnsdorfer Damm gebe es bereits eine „hervorragende Verbindung zum S-Bahnhof Wannsee“.
Bislang haben die Berliner das Gespräch mit den Nachbarn zum Radweg aber noch nicht gesucht. Zunächst hatten Grüne und CDU in einem gemeinsamen Antrag ihre Idee in den Stadtplanungsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf eingebracht. Im Februar waren die Ausschussmitglieder dem Antrag einstimmig gefolgt. Das Bezirksamt soll nun baurechtlich prüfen, ob die Bahnstrecke per Radweg gesichert werden kann. Ob sich Steglitz-Zehlendorf ohne Radweg an den Kosten für den Kauf der ehemaligen Trassengrundstücke beteiligen würde, ist offen.
Für Irritationen hatte zwischenzeitlich ein neuerliches Inserat der Deutschen Bahn gesorgt. Demnach will sich das Unternehmen neben den im Bieterverfahren ausgeschriebenen Trassengrundstücken nun auch von einem 26 000 Quadratmeter großen, unbebauten und überwiegend mit Bäumen und Gehölzen bewachsenen Grundstück an der Heinrich-Zille-Straße in Stahnsdorf trennen. Dabei handelt es sich um die ehemalige Ladestraße der alten Friedhofsbahn am Stahnsdorfer Bahnhof. Stahnsdorf habe auch für dieses Flurstück ein Kaufangebot abgegeben, um es für eine Reaktivierung der Strecke zu sichern, erklärte Gemeindesprecher Stephan Reitzig.
Wiederbelebung der Stammbahn
Die Sorge, die Bahn könnte analog zur Friedhofsbahn über kurz oder lang auch Trassengrundstücke der ehemaligen Stammbahn, die vom Potsdamer Platz in Berlin über Steglitz-Zehlendorf und Kleinmachnow nach Potsdam verlief, verkaufen, scheint derzeit unbegründet. Auch die Bahn hält eine Wiederbelebung der 1838 eröffneten Verbindung für unausweichlich. Konzernsprecher Gisbert Gahler zufolge wachse der Verkehr zwischen Berlin und Potsdam schon heute dynamisch.
Die Stadtbahn sei mit den dort verkehrenden S-, Fern- und Regionalzügen „ausgelastet bis überlastet“. Ein weiteres Wachstum im Korridor Berlin-Potsdam könne langfristig nur auf einer wieder in Betrieb genommenen Stammbahn stattfinden, so Gahler. „Aus diesem Grund erscheint es sehr wichtig, die Trasse für die Zukunft zu sichern.“ Alles andere werde durch die Politik bestimmt. Schon Berlins Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) hatte vor einigen Wochen gesagt: „Wenn Berlin und Potsdam wachsen, werden wir die Stammbahn in zehn bis fünfzehn Jahren dringend wieder für den Bahnverkehr brauchen.“
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Solveig Schuster