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Joachim Gauck hielt die Rede bei der Stiftungswoche.
© Reuters/Thomas Peter

Gerechtigkeit in der Stadt: Stiftungen in Berlin zeigen, woran sie arbeiten

Die Open Society Foundations, gegründet von George Soros, ist eine von 100 Stiftungen, die diese Woche mit Veranstaltungen lockt. Diesjähriges Motto: Wem gehört die Stadt?

Verteilungskämpfe auf allen Ebenen: Kunst, Kultur und natürlich die Wohnungen: „Wem gehört die Stadt?“, lautet das Motto der 10. Berliner Stiftungswoche, die am Dienstag begann und noch bis zum 12. April an wechselnden Veranstaltungsorten stattfindet. Über 100 Stiftungen zeigen während der elf Tage währenden Woche, die am Dienstag begonnen hat, in rund 150 Veranstaltungen, woran sie arbeiten und wofür sie sich einsetzen. Schirmherrin Daniela Schadt übersetzt die Leitfrage der Woche so: „Welchen Beitrag leistet die Zivilgesellschaft für ein lebenswertes Miteinander in unserer Gesellschaft?“

Das Motto führte freilich unweigerlich auch zu der Frage, wie politisch Stiftungen sein dürfen und sollten. Es sei gar nicht möglich, nicht politisch zu sein, sagte Selmin Caliskan, Direktorin für Institutional Relations bei den „Open Society Foundations“, vorab beim Stiftungsdinner im Max-Liebermann-Haus. Weltweit sind sie der größte private Förderer von Initiativen, die sich für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Demokratie einsetzen.

Gegründet wurden sie von George Soros, der seit 1984 insgesamt 32 Milliarden Dollar aus seinem persönlichen Vermögen gespendet hat. Letztes Jahr haben die Open Society Foundations ihren regionalen Hauptsitz von Budapest nach Berlin verlegt wegen des zunehmend repressiven politischen Umfeldes in Ungarn.

Damit sind sie auf Anhieb Berlins größte Stiftung geworden. Derzeit fördern sie rund 50 Projekte in Deutschland mit 1,5 Millionen Euro. Damit die Projekte nicht abhängig würden, beschränke sich die Förderung auf 33 Prozent der benötigten Mittel, sagte Selmin Caliskan. Schon die Frage, wie man einen Kindergartenplatz fürs Kind bekommt, sei politisch, und auch eine bewusst unpolitische Stiftung offenbare eine Haltung. „Uns ist es wichtig, dass es eine gesunde öffentliche Debatte gibt.“

Entfernung von den Nachbarn

Die wird natürlich nicht nur politisch geführt. Wie kreativ Stiftungen das Titelthema aufnehmen, zeigt die Bandbreite des Programms. Ganz aktuell ist das Thema Einsamkeit, gerade auch in einer Großstadt, befördert durch die Internetkultur. „5000 Facebook-Freunde und trotzdem einsam?“, dieser Frage geht der Leiter der nebenan.de Stiftung, Sebastian Gallander, am 9. April im Rahmen einer Veranstaltung der BMW Foundation Herbert Quandt nach. Während wir in der virtuellen Welt mit Menschen aus anderen Ländern Interessen teilten, entfernten wir uns im wirklichen Leben von unmittelbaren Nachbarn: Wie lässt sich das ändern?

Und was passiert mit meiner Stadt, wenn ich nicht mehr bin? Die Ausstellung „Was bleibt, Portraits im Hospiz“ mit Bildern von Peter Ahner ist ebenfalls zu sehen. Ort und Zeit findet man im Internet unter www.ricam-hospiz.de. Einen Blick hinter die Kulissen der Königlichen Porzellan-Manufaktur gewährt die Stiftung KPM. Die Stiftung Zukunft Berlin wiederum prüft aus diesem Anlass gemeinsam mit Bürgermeistern aus Brandenburg, wie sich die Kooperation mit Berlin verbessern ließe. Auch Berliner Schüler-Unternehmen kommen vor.

Die Auftaktrede hält in diesem Jahr der frühere Bundespräsident Joachim Gauck. Ihm geht es darum, das umfangreiche Engagement von Stiftungen in unserer Gesellschaft zu würdigen. Aus seiner Sicht ist gerade „in politisch stürmischen Zeiten eine wache Zivilgesellschaft unverzichtbar, vor allem wenn sie von einem breiten Fundament ehrenamtlicher Kräfte in unserem Land getragen wird“.

Dabei spielen für ihn die Stiftungen, deren Zahl in den letzten Jahren immer größer geworden ist, eine besondere Rolle. Stiftungen machten das Leben vieler Menschen besser. „Unsere offene Gesellschaft lebt davon, dass Bürgerinnen und Bürger nicht passiv bleiben, sondern sich zuständig fühlen für das, was geschieht. In besonders positiver Weise geschieht das in den Stiftungen“, erklärte er vorab.

Unbeabsichtigte Ähnlichkeit

Die thematische Ähnlichkeit des Mottos der 10. Stiftungswoche zur Langzeitrecherche „Wem gehört Berlin?“, die der Tagesspiegel zusammen mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv im vergangenen Herbst startete, sei zufällig, sagte der Geschäftsführer der Stiftungswoche, Stefan Engelniederhammer. Man habe das erst nach der Entscheidung über das diesjährige Thema bemerkt.

Für ihn ist das gleichwohl ein Zeichen, dass das Thema hochaktuell ist. In den vergangenen Jahren sei man immer wieder überrascht worden, wie kreativ gerade auch kleinere Stiftungen mit den gesetzten Themen umgehen und was für eine Diskussionsvielfalt dabei entstehe. So soll eine neue Gerechtigkeitsdebatte angestoßen werden, und es soll um Kultur und Freiräume in der Stadt gehen.

www.berlinerstiftungswoche.eu

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