zum Hauptinhalt

Stiftung Zukunft Berlin: Die Bürger-Animateure

Dieter Rosenkranz und Volker Hassemer sind die treibenden Kräfte in der Stiftung Zukunft Berlin. Diese widmet sich neben Kulturprojekten zunehmend sozialen Fragen.

So wird eine zufällige Begegnung zum Glücksfall: Kurz nach seinem Umzug nach Berlin traf Dieter Rosenkranz Volker Hassemer und kam mit ihm ins Gespräch. Er würde gern etwas für seine alte Heimatstadt tun, vertraute der erfolgreiche Unternehmer dem genialen Netzwerker an, der als Senator für Kultur und Stadtentwicklung und Chef von Partner für Berlin seit Jahrzehnten ein Quell sprudelnder Ideen war und viel darüber nachgedacht hatte, wie man die Stadt mit bürgerschaftlichem Engagement voranbringen kann. Allein – es fehlte ihm damals die Infrastruktur. Ungefähr zehn Jahre später sitzen beide in den modernen Räumen der Stiftung „Zukunft Berlin“ in Tiergarten vor einer Aufnahme der Temporären Kunsthalle und blicken auf den gemeinsamen Beitrag, der für Berlin aus der ersten Begegnung erwachsen ist.

Dieter Rosenkranz hat schon früh gelernt, wie wichtig es ist, sich für andere einzusetzen. Und das Leben hat ihm bescheinigt, wie richtig man damit liegen kann. Ganz am Rande erzählt er von seiner Freundschaft mit Christo, die es schon lange gab, bevor an die Reichstagsverhüllung auch nur zu denken war.

Dass er dem späteren Verpackungskünstler half, als der noch jung und unbekannt war, geschah eher zufällig. Der Vater, ein Textilmaschinenbauer, bekam Besuch von einem bulgarischen Textilfabrikanten. Sein Sohn sei durchgebrannt, um Künstler zu werden, verriet der, als das Geschäftliche erledigt war. Und bat: „Wenn Sie ihn mal sehen, dann kaufen Sie ihm doch bitte etwas ab.“ Damals lebte die Familie in Wuppertal. Dorthin kam Christo 1959 und verkaufte Rosenkranz ein Werk, das dieser heute „Pre-Pre-Christo“ nennt. Es hängt in den Stiftungsräumen neben Ansichten von der Reichstagsverhüllung. „Ich nenne es ,La femme en décomposition‘, die verwesende Frau“, lächelt der stolze Besitzer. Damals unterstützte er Christo mit 200 DM monatlich, worüber der sich sehr gefreut habe. Auch die Familie von Jeanne-Claude lernte er kennen.

Schon als Zehnjähriger sammelte er vor 75 Jahren chinesische Zeichnungen. Zu seinen aktuellen Projekten gehört eine Lichtinstallation des US-Künstlers James Turell für die Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofs, wo er selber einmal begraben sein will. Er liebt diese Installationen besonders, weil man nicht weiß, wo sie anfangen und aufhören.

Die Familie des geborenen Zehlendorfers verließ Berlin, als Rosenkranz vier Jahre alt war. Den größeren Teil seines Lebens verbrachte er in Wuppertal, wo er Maschinenbaufirmen zum Erfolg führte und auch seine Frau Si traf. Den Namen hat er ihr gegeben, „si“ wie französisch „wenn“ (du mich heiraten willst), „si“ wie italienisch „ja“ oder ähnlich wie chinesisch „Atem“. Seine Frau brachte ihn dazu, wieder in Berlin ansässig zu werden. Eigentlich wollte er nur seinen Zweitwohnsitz in Kalifornien tauschen gegen einen in Berlin, weil ihm die langen Flüge zu viel wurden. Aber dann wurden beide im Tiergartener Diplomatenviertel heimisch.

Die Begegnung mit Hassemer führte zur Gründung des Vereins Forum Zukunft Berlin. Da aber in der globalen Welt niemand mit einem Verein etwas anzufangen weiß, wohl aber mit einer Stiftung, gründeten sie vor fünf Jahren die „Stiftung Zukunft Berlin“. Sie wurde unter anderem bekannt durch die Temporäre Kunsthalle, die dann nach Wien zog und von Francesca von Habsburg übernommen wurde. „Ein Glücksfall“, sagt er.

Inzwischen verlagert sich das Interesse des Gründers verstärkt auf soziale Fragen. Mithilfe der Schirmherrin Christina Rau machte er zum Beispiel aus dem Problemfall Rütli-Schüle den Modellfall Campus Rütli. Jedem Kind hat die Stiftung ein Instrument geschenkt. „Das ist ganz wunderbar, wenn man den jungen Schülern aus unterschiedlichen Kulturkreisen zuhört, wie sie Geige spielen“, sagt Rosenkranz. Er wirbt gern fürs Stiften, „weil es einen mit so tiefer Befriedigung erfüllt“. Das Gefühl, wirklich etwas bewegen zu können, erfüllt den mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Unternehmer, der auf viele Erfolgsstories zurückblickt, besonders tief. „Es gibt viel mehr Leute wie mich, die das könnten, und die sollten es auch tun.“

Lokale Probleme ordnet er global ein, das erhöht seine Motivation noch. China betrachtet er durchaus als Bedrohung, „weil die so auf Bildung setzen“. Auch deshalb sei es wichtig, dass nicht nur der Staat etwas unternehme. Ausgewählte Schüler werden mit Stipendien unterstützt. „Jeder bekommt 80 Euro im Monat und einen PC.“

Das ist der menschliche Aspekt einer neuen Form bürgerschaftlicher Arbeit. Volker Hassemer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, hat den theoretischen Überbau geschaffen. Der Autor der Streitschrift „Wozu Berlin?“ findet, dass Politik bürgerschaftliches Engagement als Ergänzung und Korrektiv brauche. Die Frage, wie man Berlin im Bundesgebiet und bei Neuberlinern definieren kann, um der Stadt ein angemessenes Image zu schaffen, hat ihn lange beschäftigt. Deshalb lädt die Stiftung Ministerpräsidenten der Bundesländer zu Hauptstadtreden und prominente Repräsentanten des öffentlichen Lebens zu Europareden ein.

Das strategische Ziel sind bessere Entscheidungen für die Stadt. Hassemer, der in den 80er Jahren Kultursenator war und in den 90ern als Senator für Stadtentwicklung auf Europas größter Baustelle nach eigenen Worten die Rolle seines Lebens fand, kennt die Möglichkeiten und die Grenzen der Politik. Früher brachte er bereits Experten im „Stadtforum“ zusammen. Ähnlich integrativ wirkt er in der Stiftung. Je fünf bis 15 Bürger befassen sich mit verschiedensten Themen.

Die Stiftung arbeitet nicht mit Kapital, sondern mit einem jährlichen Zuschuss des Gründers und Mitteln weiterer Förderer. Davon werden die Miete bezahlt und Mitarbeiter, die den Ehrenamtlichen organisatorisch helfen. Das Modell Neukölln gehört zu Rosenkranz’ liebsten Projekten. Schirmherrin Christina Rau, die Frau des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, kennt er noch aus Wuppertal. Sie ebnet Wege zu Senatsstellen und klärt verfahrene Situationen auch mal im Bezirksamt. Inzwischen interessiert sich die Uni Konstanz dafür. Sie begleitet und erforscht das Modell Campus Rütli, macht es damit nachahmenswert für andere Schulen.

Ein anderes Lieblingsprojekt des Stiftungsgründers heißt „Europa eine Seele geben“ und ist ebenfalls eine Erfindung Hassemers. 50 junge Europäer aus 20 Ländern versuchen, die gemeinsamen kulturellen Wurzeln Europas stärker zu nutzen. Zum Beispiel geht es darum, am Pariser Platz Spielfilme laufen zu lassen, die die Geschichte Europas erzählen.

Bis auf einige Projektmanager arbeiten alle ehrenamtlich, auch Hassemer. Er hat die Globalisierung und ihre neuen Herausforderungen im Blick: Gerade vor diesem Hintergrund müsse die Gesellschaft mitwirken. „Bürgerschaftliche Mitverantwortung ernst nehmen“, hieß kürzlich eine Veranstaltung. Unter den Teilnehmern waren neben politisch interessierten Berlinern auch altgediente Aktivisten und potenzielle Wutbürger. Aktive Teilnahme und Teilhabe am Schicksal der Stadt bedeuten Zukunftschancen, betont Hassemer immer wieder. Da die Stiftung unabhängig ist, kann sie wichtige Themen auf die Agenda bringen, die oft vernachlässigt werden. Zuletzt bat man US-Botschafter Philip Murphy um einen Blick auf die Stadt. Der hatte die in New York als Tochter haitianischer Einwanderer aufgewachsene, mit einem Deutschen verheiratete Neu-Berlinerin Rose-Ann Clermont dabei, um deutlich zu machen, was wirklich wichtig ist: gelungene Integration.

Die Stadt habe sich stark verändert, die Bedingungen für den Aufbau einer Bürgergesellschaft seien wieder da, sagt Hassemer. Die Hälfte der Bevölkerung kam erst nach 1989 nach Berlin. Damit sind auch neue Akteure am Ball. Solche wie der Stifter Dieter Rosenkranz und der bewährte Stadtgestalter Volker Hassemer, die für neue Chancen und Visionen sorgen.

Weitere Informationen online:

www.stiftungzukunftberlin.eu/de

Zur Startseite