Berlins Gesundheitssenatorin zur Impfstoff-Krise: Steigt „Berlin Chemie“ in die Impfstoff-Produktion ein?
Dilek Kalayci hat mit dem Pharmakonzern aus Berlin-Adlershof gesprochen. Doch ob Experten von „Berlin Chemie“ zeitnah helfen können, ist unklar.
Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) nährt Hoffnungen darauf, dass die Hauptstadt doch noch in die Impfstoff-Produktion einsteigt. Am Donnerstag sagte Kalayci im Abgeordnetenhaus, dass sie dazu mit dem Pharmakonzern "Berlin Chemie" in Gesprächen sei.
"Ich habe heute früh unseren Regierenden Bürgermeister unterrichtet, dass ich und meine Behörde in guten Gesprächen sind mit Berlin-Chemie", sagte Kalayci. Das Pharmaunternehmen sei bereit, eine Impfstoffproduktion aufzubauen. "Berlin-Chemie hat Ressourcen, gute Voraussetzungen, um eine Impfstoff-Produktion aufzubauen und auch schnell auszubauen." Eine geeignete Halle und Personal stünden zur Verfügung, sagte die Senatorin: "Mit unserer Unterstützung gehen wir davon aus, dass ein schneller Ausbau der Produktion möglich ist."
Regierungschef Michael Müller wirkte überrascht, erklärte aber nach der Sitzung, dass die Nachrichten "Mut" machten. Der SPD-Politiker ist zugleich Wissenschaftssenator und in der Medizinforschung gut vernetzt. Beamte anderer Senatsverwaltungen zeigten sich über Kalaycis Ankündigung verwundert - am Abend sollten sie Recht bekommen.
"Berlin Chemie" gehört seit 1992 zur italienischen Menarini-Gruppe. Berlin-Chemie, dass seinen Stammsitz in Treptow hat, ist für das Arzneimittelgeschäft in Deutschland und Osteuropa zuständig. Das Unternehmen gibt an, circa 5000 Mitarbeiter erwirtschafteten 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Kenner der Pharmabranche sagten dem Tagesspiegel, sie rechneten nicht damit, dass in Berlin bald Impfstoff produziert werde - womöglich könnten in den nächsten Wochen aber Experten von Berlin Chemie mit anderen Herstellern anderweitig kooperieren. Noch ist nicht bekannt, dass Berlin Chemie mit einem der Impfstoff-Erfinder - Curevac, Biontech, Astra-Zeneca und Moderna - über Lizenzen und Aufträge verhandelt habe.
Erhebliche Zweifel waren auch aus der Opposition zu hören. Kalayci habe konkrete Nachfragen unbeantwortet gelassen, sagte CDU-Wissenschaftsexperte Adrian Grasse, ihre Ankündigung stehe zudem im Widerspruch zu Äußerungen Müllers vor zwei Wochen, als der Senatschef eine Impfstoff-Produktion in Berlin noch ausgeschlossen habe: "Im rot-rot-grünen Senat weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut."
[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Seinen Einstieg in der Impfstoff-Produktion hatte auch Bayer vor zwei Wochen angekündigt. Berliner Pharmazeuten des Konzerns helfen nun bei der Entwicklung des Corona-Impfstoffs der deutschen Firma Curevac. So werden Experten der Bayer-Pharma-Sparte in Berlin-Wedding in den letzten Schritten zur Zulassung eingesetzt.
Es gehe dabei vor allem um Fragen der Arzneimittelsicherheit, Bayer habe mit der Zulassung neuer Medikamente viel Erfahrung, sagte Bayer-Sprecher Oliver Renner zu Jahresanfang: "Wir prüfen, an welchen Standorten das Sinn macht." Zuvor hatten der Chemiekonzern und die Tübinger Pharma-Entwickler Curevac verkündet, einen Kooperationsvertrag abgeschlossen zu haben.
Mit Blick auf die Pharmaindustrie in Deutschland hatten sich Medizinforscher und Politiker schon zu Pandemiebeginn dafür ausgesprochen, Produktionen zurückzuholen. Seit Jahren wurden Pharma-Erzeugnisse, deren Erforschung in Europa stattfand, zunehmend in Indien und China und Indien produziert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte im März in Brüssel gesagt: "Das ist nicht kurzfristig zu machen, das ist offenkundig. Der Aufbau von Produktionen wird sicherlich eher Monate und Jahre brauchen."