Neue Probleme für Tesla in Grünheide: Start der Gigafactory verzögert sich wohl bis Herbst
Kein Start im Juli: Wichtige Arbeiten sind nicht erledigt, das Hauptgenehmigungsverfahren läuft. Was ist los auf Deutschlands bisheriger Rekordbaustelle?
Es wären nur noch zweieinhalb Monate. Eigentlich sollten in Teslas neuer Gigafactory für den europäischen Kontinent in Grünheide ab Juli die ersten Fahrzeuge vom Band rollen. Doch ein Produktionsstart im Juli scheint nach Tagesspiegel-Recherchen inzwischen ausgeschlossen, obwohl das Unternehmen davon bislang nicht abrückt. Denn neben Rückständen beim Bau lässt auch die Hauptgenehmigung für die Fabrik weiter auf sich warten.
Nach Umweltminister Axel Vogel (Grüne) hat jetzt auch Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) bestätigt, dass womöglich sogar die Antragsunterlagen erneut öffentlich ausgelegt werden müssen - zum dritten Mal. Im Wirtschaftsausschuss des Landtages rechnete Steinbach am Mittwoch „rein mechanisch“ und anhand dann geltender Fristen und „mit vielen Konjunktiven“ vor, dass es im Fall einer solchen umfassenden Neuauslegung eine Verzögerung von etwa drei Monaten geben würde. Eine fehlerhafte Genehmigung, die dann am Oberverwaltungsgericht gekippt würde, wäre allerdings schlimmer für Tesla. Wie berichtet, bereiten Umweltverbände bereits eine Klage vor.
„Die Genehmigung muss so vorbereitet und erarbeitet sein, dass sie anfechtungsresistent ist. Das muss oberste Maxime sein“, sagte auch Steinbach. „Dann ist es mir auch egal, ob es vier, sechs oder acht Wochen länger dauert.“ Das Projekt hatte Elon Musk im November 2019 erstmals verkündet, Baubeginn war im Juli 2020, wegen der Corona-Pandemie hatte sich die öffentliche Anhörung verzögert. „Es dauert eigentlich gar nicht so lange“, sagte Steinbach.
Zwar versucht Tesla, auf der Baustelle weiter Gas zu geben und Zeit-Reserven zu erschließen. So hat das Unternehmen einen weiteren 8A-Antrag - eine Voraberlaubnis für Arbeiten auf eigenes Risiko - gestellt, um auf der Baustelle im 24-Stunden-Betrieb und in den Hallen so schnell wie möglich auch sonntags arbeiten zu dürfen. Trotzdem ist nach Tagesspiegel-Recherchen vor Oktober/November 2021 - nicht nur wegen der Genehmigungsprobleme - ein Produktionsstart im Grunde unrealistisch geworden. Selbst dann wäre es immer noch eine Rekordzeit in Deutschland.
Auf dem 300-Hektar-Areal herrscht etwas verkehrte Welt. Die Fabrik ist im Hochbau fast fertig, aber noch nicht einmal erschlossen, normalerweise ist es andersherum: Gerade werden auf dem Areal die Trinkwasser- und Abwasserrohre sowie andere Leitungen verlegt. Das sind im Trinkwasserschutzgebiet keine trivialen Arbeiten. Erst wann diese unterirdischen Systeme fertig sind, kann der Bau der Werkstraßen beginnen, was sich verzögert.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Vier große überdachte Betonbecken, in die das Regenwasser voraufbereitet versickern soll, müssen ebenfalls noch gebaut werden. Und auch der Bau der neuen Abwasserleitung ins fünf Kilometer entfernte Erkner, für die der Berliner Ring und die Eisenbahnstrecke Berlin - Frankfurt (Oder) unterquert werden muss, hat noch nicht richtig begonnen. Eine Brandenburger Firma hat den Zuschlag bekommen. Ein Corona-Ausbruch verursachte weitere Verzögerungen.
Für das Hauptgenehmigungsverfahren der Gigafactory wollte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) letzte Woche im Umweltausschuss des Landtages angesichts der möglichen Neuauslegung keine Aussage wagen. "Ich kann nicht sagen: Wir werden Mitte Mai die abschließende Genehmigung vorlegen." Die Auskünfte des zuständigen Abteilungsleiters Axel Steffen zu den Gründen lassen aufhorchen. Demnach fehlen noch Stellungnahmen von Behörden und, so Steffen: "Wir warten auf ein Sachverständigengutachten zur Störfallproblematik."
Die Störfallproblematik ist ein heikler Punkt
Genau die war schon bei der öffentlichen Anhörung in Erkner ein hochkritischer Punkt. Der Rechtsanwalt der anerkannten Naturschutzverbände, Thorsten Deppner, hatte auf Risiken im Umgang mit in der Fabrik verwendeter Flusssäure hingewiesen, auf Fehler im Antrag. Es ging darum, dass bei einem Störfall Flusssäure nicht in gasförmiger Form austreten würde (Tesla-Antrag), sondern angesichts der Druckangaben als Flüssigkeit, und das in höheren toxischen Mengen, womit andere Sicherheitsstandards auf dem Areal gelten würden.
"Die rechtlichen Folgen davon wären unter anderem, dass Sie verpflichtet sind, einen Sicherheitsbericht zu erstellen und den auch der Öffentlichkeit vor Genehmigung auszulegen. Also spätestens an dieser Stelle wären wir dann – also ich verweise da jetzt mal auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - an der Stelle, wo Sie rechtsprechungsmäßig sicher verpflichtet sind, die Auslegung und auch die Erörterung dieses Termins zu wiederholen", hatte Deppner gesagt. Das Landesumweltamt ist verpflichtet, sich mit gewichtigen Einwänden in einer Hauptgenehmigung auseinanderzusetzen. Eine Neuauslegung droht auch, weil Tesla inzwischen auch die "Planung der Regenwasserableitung" nachgebessert und damit verändert hat.
[Was ist los in Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem neuen Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]
Wirtschaftsminister Steinbach wollte anders als bei früheren Auftritten keine Einschätzung abgeben, ob die Produktion im Juli starten kann. Er verwies auf das Unternehmen. Tesla hält am Start im Sommer bisher fest, hatte jüngst aber in einem Brandbrief die Genehmigungsbürokratie in Deutschland beklagt und einen Vorrang für Energiewende-Vorhaben gefordert, die bisher wie ein neues Kohlekraftwerk behandelt würden. Steinbach sagte dazu, generell halte er es wie Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) für verkehrt, eine Einteilung "in gute und schlechte Projekte vorzunehmen." Steinbach sprach sich aber für einen Vorrang für Projekte mit Erneuerbaren Energien aus, die der Versorgungssicherheit dienen. Eine Autofabrik fiele nicht darunter.
Für die von Elon Musk angekündigte Batteriefabrik in Grünheide gibt es nach seinen Worten keinen neuen Stand, bisher auch keinen Genehmigungsantrag Teslas, was aber normal sei. Erst müsse das Verfahren um eine Förderung beim Bundeswirtschaftsministerium abgeschlossen sein. Wenn es Tesla nicht in dieses europäische Batteriezellen-Förderprogramm schaffen sollte, werde die Batteriefabrik womöglich "hier nicht gebaut werden."
Tesla-Projekt künftig nicht mehr Priorität
Im Wirtschaftsausschuss des Brandenburger Landtages ist der aktuelle Status der Gigafactory künftig nicht mehr der erste Punkt auf der Tagesordnung, was bisher der Fall war: Auf Antrag und mit der Mehrheit der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen beschloss das Gremium am Mittwoch eine Änderung dieser Praxis und Priorität: Tesla soll künftig am Ende der Sitzungen behandelt werden, wenn der Minister ohnehin seinen "Bericht über aktuelle Entwicklungen von Unternehmen im Land Brandenburg" berichtet.
Der Abgeordnete der Freien Wähler, Philipp Zeschmann, zeigte sich fassungslos, dass das größte Investitionsprojekt in Brandenburg seit 1990 im Wirtschaftsausschuss des Landtages künftig "unter ferner liefen" abgehandelt werde. Auch das passt zu den Problemen auf der Baustelle.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität