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Geschichte im Hipster-Look. Tobias Allers mit einem historischen Stadtplan am Engelbecken in Kreuzberg.
© Sascha Wolters/promo

Kultur in Bewegung: Stadtführungen in Kombination mit Flüchtlingsfragen

Berlin hat eine lange Migrationsgeschichte. Tobias Allers bietet Stadtführungen an, die diese mit aktuellen Flüchtlingsfragen kombinieren.

„Kreuzberg ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt Tobias Allers und zeigt auf die Umgebung rund um das Kottbusser Tor. „Eigentlich ist ganz Berlin eine Erfolgsgeschichte was kulturelle Vielfalt angeht.“

Mit Geschichte kennt sich Allers aus. Der 31-Jährige ist der Gründer von Berlin Kultour und veranstaltet Touren durch die Hauptstadt zu bestimmten gesellschaftlichen Themen. Seine Stadtführung „Geflüchtete aus historischer Perspektive“ setzt die aktuelle Geflüchteten-Thematik in einen geschichtlichen Rahmen, der von repetitiven Mustern gekennzeichnet ist. Und das ist neu.

Geflüchtete aus historischer Perspektive

„Es ist ein Spiel mit Ängsten“, sagt Allers, Typ Hipster mit Männerdutt, Rauschebart, Skinnyjeans und ausgewaschenem T-Shirt. Der zertifizierte Städteführer möchte diesen Ängsten mit seinen Touren etwas entgegensetzen: „Die Geschichte Berlins war schon immer eine Geschichte der Migration“, sagt er, während er die Träger seines eigens entworfenen Berlin-Kultour-Rucksackes zurechtzieht.

Eigentlich wollte Allers in Kunstgeschichte promovieren, doch dann entschloss er sich, seine Leidenschaft für Geschichte, Kunst und Kultur zu leben. Als er vor etwa drei Jahren aus Hannover hierherzog, machte er beim Verband der Berliner Stadtführer eine Ausbildung zum Stadt- und Gästeführer. Die Datenbank des Verbandes der Berliner Stadtführer Berlin Guide verzeichnet allein 314 Mitglieder. Doch solche Touren wie er bietet sonst niemand an, sagt Allers. 15 Touren bietet er mit Berlin Kultour, jede mit einem anderen thematischen Schwerpunkt: von Berliner Street-Art bis zum Botschaftsviertel. „Es ist schön, Menschen nahezubringen, was ich selbst an der Stadt interessant finde“, sagt er. „Außerdem rede ich gern“, gibt er lächelnd zu, während er sich durch den Bart fährt.
Die Tour #2 „Geflüchtete aus historischer Perspektive“ ist für ihn ein Beispiel dafür, wie wichtig die Erkenntnis über die Vergangenheit für das Heute sein kann.

Eine Metropole durch Migration

Zweieinhalb Stunden dauert seine Tour, klingt erst mal nach wenig für die bewegte Geschichte der Stadt. Anhand von sechs Stationen zeigt er auf, wie sehr die Stadt von Flucht- und Migrationsgeschichten geprägt wurde und so erst zu dem wurde, was sie heute ist: eine Metropole. Die Tour startet in Mitte vor dem Palais Podewils im Klosterviertel, etwa im Jahre 1685. Allers berichtet von der Fluchtbewegung der Hugenotten, macht deutlich, wie den Calvinisten von der deutschen Bevölkerung zunächst mit Argwohn begegnet wurde: „Die Calvinisten waren sehr orthodox und wurden von der hiesigen Gesellschaft auch zunächst als fremd angesehen“, erzählt er vor der Kulisse des prachtvollen Adelspalais. Kulturelle und soziale Identität sind eben immer ein Prozess, gesellschaftliche Diskurse sind fließend.

Keine Geschichte der wechselseitigen Liebe

Allers möchte zeigen, dass Schemata erkennbar sind, die möglicherweise erklären, wie in der Vergangenheit mit kulturellem Zuwachs umgegangen wurde: „Es gibt immer Parallelen, die man heranziehen kann“, sagt Allers. „Natürlich ist jedes geschichtliche Ereignis singulär und einzigartig, aber es lassen sich Muster erkennen.“ Wie zum Beispiel im Fall der jüdisch-christlichen Abendlandtradition. „Ja“, sagt er, „das Judentum hat immer dazugehört, es war aber bestimmt nicht immer eine Geschichte der wechselseitigen Liebe.“ Er steht nun vor dem Ephraim-Palais, das prunkvolle Rokokogebäude ist die zweite Station seiner Tour. „Juden waren in Zünften nicht erlaubt und wurden für den Pestausbruch im Jahre 1347 verantwortlich gemacht.“ Diese Muster der anfänglichen Angst und Ablehnung vor dem Neuen lösten sich jedoch aus der Erfahrung meist in der zweiten oder dritten Generation, sagt er.

Gegenwart am Kottbusser Tor

Und weiter geht es: mit Lenné-Dreieck und Engelsbecken in Mitte, dem Oranienplatz in Kreuzberg und der Brachfläche des Projektes „House of One“ am Petriplatz in Mitte, wo der weltweit erste Sakralbau mit Synagoge, Kirche und Moschee entstehen soll. „Ein positives Beispiel für die Zukunft, eine Idee davon, wie Zusammenleben funktionieren könnte“, sagt Allers.

Die Tour endet schließlich in der Gegenwart, direkt am Kottbusser Tor. Allers erklärt die ehemalige Gastarbeiterbewegung der Sechzigerjahre inmitten des heutigen Kreuzbergs und schließt die Führung lächelnd mit den Worten: „Ich hoffe, mit diesen Touren dafür sensibilisieren zu können, dass es repetitive Muster gibt. Es liegt an uns allen, die Zukunft mitzugestalten.“

Die Touren gibt es auf Deutsch und Englisch, die nächste Tour „Geflüchtete aus historischer Perspektive“ findet am Samstag, den 16. April, um 15 Uhr statt und kostet 10 €. Anmeldung und weitere Informationen unter: www.berlinkultour.de

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