AfD-Alterspräsidentin im Brandenburger Landtag: Spring-Räumschüssel hat Zweifel an parlamentarischer Demokratie
Der neue Brandenburger Landtag konstituiert sich nach der Wahl. Als Vize-Landtagspräsidenen werden Andreas Galau (AfD) und Barbara Richstein (CDU) gewählt.
Am Mittwoch hat sich der neue Brandenburger Landtag konstituiert. Eröffnet wurde die erste Sitzung des neu gewählten Parlaments im wiederaufgebauten Stadtschloss in Potsdam durch die AfD-Abgeordnete Marianne Spring-Räumschüssel als Alterspräsidentin.
Die 73-Jährige hat mit ihrer Eröffnungsrede lautstarke Zwischenrufe der anderen Fraktionen provoziert. Ihr wurde vorgeworfen, eine AfD-Rede zu halten. In ihrer Rede äußerte Spring-Räumschüssel Zweifel an der repräsentativen Demokratie, diese stoße an ihre Grenzen. Viele Bürger seien enttäuscht, für viele Brandenburger hätten politische Entscheidungen nichts mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun.
Die AfD-Abgeordnete wiederholte zugleich den Versuch der AfD im Landtagswahlkampf, sich als wahre Vollstrecker der politischen Wende in der DDR vor 30 Jahren zu gerieren. Es gebe zwar freie und geheimen Wahlen, sagte sie. Aber der Wählerwille werde nicht ausreichend abgebildet. Immer mehr Brandenburger setzten ein Fragezeichen hinter die Demokratie.
Die politische Debatte sei vergiftet durch politische Korrektheit, als Beispiele führte sie die Debatten um den Euro, die Zuwanderung und die Energiewende an. „Kritiker, die nicht dem politische Mainstream folgten, werden diffamiert, in die rechte Ecke gestellt und bekommen im Beruf Probleme.“
Zugleich bemängelte sie die Kritik am Erstarken der AfD, mit der indirekte Wählerschelte würde ein Viertel der Wähler aus dem demokratischen Spektrum ausgeschlossen. Das sei ein Abschied vom demokratischen Diskurs.
Der Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Sebastian Walter, kritisierte die Rede der Alterspräsidentin scharf. „Es war eine unwürdige Rede für die Konstituierung eines Landesparlaments. Sie hat das Amt für die übliche AfD-Propaganda missbraucht. Auch heute ist klar geworden, dass von der AfD keine Antworten auf die Probleme im Land zu erwarten sind“, sagte Walter dem Tagesspiegel. „Wer im Jahr 2019 eine Sitzung eröffnet und an Fontane und den Mauerfall erinnert, aber über den Kriegsbeginn 1939 schweigt, hat nichts aus der Geschichte gelernt.“
Proteste gegen die AfD
Vor dem Landtag gab es Proteste gegen die AfD, die auf zehn Abgeordnete dezimierte Linksfraktion stellte sich Miniatur-Wölfe als Zeichen gegen Rechtsextremismus auf die Tische.
Auf der Besuchertribüne haben neben Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und Städte- und Gemeindebundchef Jens Graf auch ehemalige Landespolitiker Platz genommen, darunter die früheren Abgeordneten der Linken Anita Tack und Hans-Jürgen Scharfenberg.
Auch die noch amtierende Ministerriege ist auf der Besuchertribüne erschienen, darunter auch Amtsträger wie Sozialministerin Susanna Karawanskij (Linke), die dem neuen Kabinett nicht mehr angehören wird, da Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eine Kenia-Koalition mit CDU und Grünen anstrebt und nicht mehr mit den Linken koalieren will.
Manche Abgeordnete zeigen auch optisch ihre Parteizugehörigkeit. Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher trägt ein grünes Kostüm, Co-Fraktionschef Axel Vogel eine grüne Krawatte.
Der Potsdamer SPD-Abgeordnete Uwe Adler, der neu in den Landtag gewählt wurde, ist mit seinen charakteristischen roten Hosenträgern erschienen, die er auch im Wahlkampf stets als Markenzeichen trug.
Ulrike Liedke wird neue Landtagspräsidentin
Als neue Landtagspräsidentin wurde Ulrike Liedtke (SPD) bestimmt. Sie erhielt in geheimer Wahl 77 Ja-Stimmen und sechs Nein-Stimmen. Fünf Abgeordnete enthielten sich.
Liedtke, Gründungsdirektorin der Musikakademie Rheinsberg und Vizepräsidentin des Deutschen Kulturrates, war 1989 Mitbegründerin der Sozialdemokratischen Partei in der DDR. Die 60-Jährige sitzt seit 2014 im Landtag.
Die bisherige Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) hat im Barnim ihr Direktmandat an den Chef der Freien Wähler, Péter Vida, verloren und sitzt nun nicht mehr im Parlament, obwohl sie auf der Landesliste auf Platz zwei Stand. Aber die Landesliste der SPD zog angesichts des Zweitstimmenergebnisses von nur 26,2 Prozent nicht, alle Abgeordneten der SPD haben es per Direktmandat in den Landtag geschafft.
Andreas Galau (AfD) wird Vizepräsident
Der Landtag wählte den parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Andreas Galau, mit einfacher Mehrheit zum Vizepräsidenten. Von den 88 Abgeordneten stimmten nur 36 für Galau. Die AfD-Fraktion verfügt über 23 Sitze. Gegen Galau stimmten 20 Abgeordnete, 31 Mandatsträger haben sich enthalten. Ein Abgeordneter hat seinen Stimmzettel ungültig gemacht.
Galaus Wahl zum Vizepräsidenten war mit Spannung erwartet worden. Die Linksfraktion hatte bereits im Vorfeld Ablehnung signalisiert, bei SPD und Grüne wollten sich zumindest einige Abgeordnete enthalten.
Die CDU-Fraktion wollte Galau in Teilen mittragen. Für die Wahl war eine einfache Mehrheit nötig. Nach einer Änderung der Landesverfassung in der vergangenen Wahlperiode steht der AfD der Posten sogar zu.
Wäre die Wahl nicht vollzogen worden, hätte die AfD-Fraktion vor das Landesverfassungsgericht ziehen können. Solang nicht alle beiden Vizepräsidenten gewählt sind, gilt die Konstituierung als nicht abgeschlossen. Bis dahin kann kein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Dafür bleiben aber nach der Konstituierung laut Landesverfassung nur drei Monate Zeit, ansonsten drohen Neuwahlen. Das ist durch das Ergebnis für Galau nun abgewendet worden.
Zweite Vizepräsidentin wird Barbara Richstein (CDU)
Bei Linken und Grünen sorgte Galaus Wahlergebnis für Kritik. Isabelle Vandre (Linke) erklärte: „So viel zum Thema klare Kante von den anderen Fraktionen.“ Galau sei nicht ihr Vizepräsident. Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher erklärte, für ihren Geschmack seien es „zu viele Ja-Stimmen“ für Galau gewesen.
Die frühere CDU-Justizministerin und langjährige Landtagsabgeordnete Barbara Richstein wurde auf Vorschlag der CDU-Fraktion als Landtagsvizepräsidentin gewählt. Sie erhielt 75 Ja-Stimmen und neun Nein-Stimmen. Es gab vier Enthaltungen. Anders als Galau erhielt sie nach der Wahl viel Beifall aus allen Fraktionen.
von Lützow fällt durch
Bei der Wahl des Landtagspräsidiums fällt einer der beiden AfD-Vorschläge im ersten Wahlgang durch. Daniel Freiherr von Lützow erhält 57 Nein-Stimmen und nur 28 Ja-Stimmen. Drei Abgeordnete enthalten sich.
Im zweiten Wahlgang fiel von Lützow erneut durch. 86 von 88 Abgeordneten gaben ihre Stimme ab. Er erhielt 27 Ja- und 55 Nein-Stimmen, vier Abgeordnete enthielten sich. Ein neuer Vorschlag, der bei der AfD liegt, soll in einer der nächsten Präsidiumssitzungen unterbreitet werden.
Im Vorfeld hatte auch die CDU-Fraktion angekündigt, nicht für von Lützow zu stimmen. Dieser sei „ein Rechtsextremist“, hatte CDU-Fraktionschef Jan Redmann am Dienstag erklärt. Deswegen werde sich die CDU-Fraktion bei dessen Wahl anders positionieren als bei der Abstimmung über Andreas Galau.