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Sie sollen und wollen es machen: Michael Stübgen (l), kommissarischer Parteivorsitzender der CDU Brandenburg, Dietmar Woidke (M), Ministerpräsident, Ursula Nonnemacher, Grünenfraktionsvorsitzende.
© dpa

Koalitionsbildung in Brandenburg: Kenia könnte genau das richtige Bündnis sein

Kann aus Kenia etwas werden? „Muss ja“ kann nicht die Antwort sein. Brandenburg muss sicherer, moderner, nachhaltiger werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thorsten Metzner

So schnell kann’s gehen. In Brandenburg schmiedet Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der vor drei Wochen mit Ach und Krach die Wahl gewann, nun mit Tempo eine Kenia-Koalition. Die Verhandlungen beginnen, doch die Partner könnten kaum gegensätzlicher sein. Die SPD: konservativ wie kaum irgendwo und nach 29 Jahren im Dauerbetrieb ausgezehrt. Die CDU: machthungrig, aber anfällig für Kabale. Die Bündnisgrünen: unverbraucht und drängend, auch kulturell ein Gegenentwurf, aber eine Speckgürtel-Partei. Und vorneweg mit Woidke ein Ministerpräsident aus der Lausitz, der bislang für Kohlekraft, Industrie-Landwirtschaft und Law-and-Order steht. Kann so aus Kenia überhaupt etwas werden?

Muss ja. So lautet die Antwort – typisch brandenburgisch. Das Wahlergebnis lässt, verantwortlich betrachtet, kaum etwas anderes zu. Die AfD ist zweitstärkste Kraft, Brandenburg tief gespalten. Der Osten hat blau gewählt, der Westen rot, in der Mitte liegt Potsdam, die Insel der Grünen. Immerhin hätte eine Kenia-Koalition eine halbwegs stabile Sechs-Stimmen-Mehrheit im Landtag. Rot-Grün-Rot hätte nur eine Stimme mehr als die Opposition. Und eine abgewählte rot-rote Regierung durch ein neues Links-Bündnis abzulösen, verfolgt von einer rechten, konservativen Opposition, das würde das Land zerreißen.

Die AfD-Landstriche enttäuschter Hoffnungen waren früher oft Hochburgen der PDS. Darum holte Matthias Platzeck die Linken einst in die Regierung. Nur, dass die märkische Sozialdemokratie ihr bisher bewährtes Instrument, die Konkurrenz im Kabinett kleinzumachen, bei der AfD nicht anwenden kann.

Vorbild könnte die Ampel von Manfred Stolpe sein

Also: Kenia; muss ja. Wie schwierig das wird, haben schon die Sondierungen gezeigt – mit einem zähen Ringen um jeden Halbsatz zum Kohleausstieg, zu Abschiebeknästen, zu Windrädern. Die Rhetorik war entsprechend gequält. Schon die rot-rote Koalition scheiterte, weil sie Milliarden verteilen, aber keine übergreifende Idee für dieses Land mehr formulieren konnte. Nun ist Woidke drauf und dran, eine Koalition kleinster gemeinsamer Nenner zu schmieden statt eine der größten Möglichkeiten. Dabei hat schon einmal eine Dreier-Allianz in Brandenburg bewiesen, dass es anders geht. Das war die Ampel, mit der Manfred Stolpe 1990 das Land in die Neuzeit führte. Jeder bekam Raum. Da formte die FDP mit Minister Hinrich Enderlein die Hochschullandschaft, da konnte ein grüner Matthias Platzeck halb Brandenburg unter Naturschutz stellen. Kann Kenia auch mehr, als eine Koalition aus Not zu sein?

Im Land rund um Berlin muss so viel angepackt werden. Die Schulen müssen besser werden, die Gerichte funktionieren. Mehr Züge müssen fahren, Dörfer Anschluss finden. Die Polizei muss schneller am Einsatzort sein. Und man muss endlich überall mobil telefonieren können. Ganz zu schweigen von der Jahrhundertaufgabe, die Lausitz nach der Kohle neu aufzustellen. Dieser Umbau wird begleitet von hohen, teils illusorischen Erwartungen der Bevölkerung. Und von zwei Oppositionsparteien, die frischen Wind hineinbringen, einen zeitgemäßeren Stil. Für Brandenburg, das zusammengeführt, sicherer, moderner, nachhaltiger werden muss, ist Kenia jetzt genau das richtige Bündnis. Wenn es denn seine Macher verkörpern. Aus der Not eine Tugend machen – auch das wäre brandenburgisch.

Nur muss ja – das muss scheitern.

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