Olympische Spiele in Berlin: Sportverband: Olympiabewerbung wird am Bürger scheitern
Nach dem Votum zum Tempelhofer Feld will die Politik nun die Bürger bei Großprojekten besser beteiligen. Einer Bewerbung um Olympia 2024 geben Sportvertreter daher kaum eine Chance.
Berlins Landespolitiker wollen mehr Demokratie wagen – und riskieren damit, dass große Vorhaben wie eine Olympiabewerbung an der Ablehnung der Bevölkerung scheitern.
Das befürchten zumindest Sportfunktionäre. Auslöser der aktuellen Debatte ist das Scheitern der Tempelhof-Pläne des Senats. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid gegen eine Randbebauung des einstigen Flughafenareals haben sich führende Landespolitiker in den vergangenen Tagen dafür ausgesprochen, auch bei anderen Großprojekten stärker als bisher die Bürger mitentscheiden zu lassen.
Als Beispiel hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh am Wochenende eine mögliche erneute Olympiabewerbung Berlins für das Jahr 2024 genannt. Am Montag bekräftigte Innen- und Sportsenator Frank Henkel (CDU) seine Meinung, „dass Olympia gegen die Bevölkerung nicht machbar ist“. Sein Sprecher Stefan Sukale sagte dem Tagesspiegel: „Ein solches Projekt kann nur gelingen, wenn es vorher einen gesellschaftlichen Dialog gibt.“ Dies schließe „auch eine Volksbefragung als Instrument mit ein“.
Derzeit ist es nach der Landesverfassung allerdings nicht möglich, dass die Politik von sich aus ein Referendum organisiert. Daher hatte SPD-Fraktionschef Saleh bereits angekündigt, dass für eine derartige Bürgerbeteiligung wohl Berlins Verfassung geändert werden müsste.
„Dagegen zu sein ist einfacher, als dafür zu sein.“
Ein anderes Szenario wäre, dass seitens interessierter Bürger per Unterschriftensammlung ein Volksentscheid zugunsten einer Olympiabewerbung herbeigeführt wird. Bislang hat sich aber niemand gefunden, der eine derartige Initiative starten will – auch wegen der eher abwartenen Haltung von Senat und Abgeordnetenhaus, wie der Sprecher des Landessportbundes, Dietmar Bothe sagt. Solange die Politik eine Bewerbung nicht zu ihrem Thema mache, werde auch der Landessportbund „nicht vorpreschen“.
Sollte die Landespolitik nun zu der Ansicht kommen, dass man die Bürger von sich aus befragen will und die von Saleh und auch von Henkel angesprochene Verfassungsreform noch für die Bewerbung um die Spiele 2024 anstrebt, müsste Berlin sich sputen: Bis zum 31. August sollen die potenziellen Bewerber Berlin und Hamburg dem Deutschen Olympischen Sportbund zahlreiche Fragen zu einer möglichen Bewerbung beantworten. Darunter auch folgende: „Wie steht die Bevölkerung Ihrer Stadt zu einer möglichen Bewerbung? In welcher Weise würden Sie sich der Zustimmung einer Mehrheit der Bevölkerung in Ihrer Stadt und in ganz Deutschland versichern?“
Die Antworten auf diese Fragen sieht der organisierte Berliner Sport mit erheblicher Skepsis. So sagt Jens-Uwe Kunze, Vizepräsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft Berlin und Geschäftsführer des Turn- und Freizeitsportbundes, dass er als Verbandssprecher zwar für eine Mitsprache der Bürger bei diesem wichtigen Thema sei. Persönlich hält er jedoch einen Volksentscheid oder eine von der Politik initiierte Bürgerbefragung für „kontraproduktiv“. Der Grund: „Dagegen zu sein ist einfacher, als dafür zu sein.“ Es sei zudem erfahrungsgemäß schwierig, Mehrheiten für sportpolitische Anliegen zu mobilisieren, auch wenn rund 600 000 Berliner in Sportvereinen aktiv seien. Daher lautet Kunzes Prognose für eine mögliche Olympia-Abstimmung: „Wir werden scheitern.“
Beim Verein „Mehr Demokratie“, der sich für mehr Bürgerbeteiligung einsetzt, verfolgt man die Debatte mit gemischten Gefühlen. Einerseits sei eine Olympiabewerbung Berlins ein passendes Thema für einen Volksentscheid, wenn sich eine entsprechende Initiative bilden sollte, sagt Landesvorstandssprecher Oliver Wiemann. Andererseits lehne man das von Saleh angeregte „Plebiszit von oben“, wie es Wiedmann nennt, ab: Derartige Instrumente würden von der Politik „zu oft manipulativ eingesetzt“.