Von Olympiastadion bis Velodrom: Berlin hat fast alles für die Olympischen Spiele
Berlin hätte für die Olympischen Spiele bereits eine fast komplette Infrastruktur, sagen Befürworter einer Bewerbung. Vieles wurde für die Spiele 1936 gebaut oder ist der Bewerbung 2000 zu verdanken – und manches dürfte Protest erregen.
Ist die Niederlage für München eine neue Chance für Berlin? Zumindest was die Sportstätten angeht, wäre Berlin schon jetzt gut gerüstet, um im nächsten Jahrzehnt die Olympischen Sommerspiele auszutragen und Tausende von Athleten, Trainern und Berichterstattern sowie Millionen von Zuschauern zu empfangen. Bis auf eine neue Regattastrecke für die Ruderer und das Olympische Dorf zur Unterbringung der Athleten sind eigentlich kaum Neubauten nötig, davon ist nicht nur der Präsident des Landessportbundes, Ex-Senator Klaus Böger, überzeugt. Ein sportlicher Rundlauf:
Olympiastadion
Das Stadion und das Gelände drumherum waren das Zentrum der Spiele 1936 – und könnten auch im Jahr 2024 oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder das Zentrum der Spiele darstellen. Im Olympiastadion könnten Eröffnungs- und Schlussfeier stattfinden, die Leichtathletikwettbewerbe sowie das Finale des Fußballturniers.
Und die weiten Flächen des Geländes bieten sicher noch für andere Disziplinen Platz. Die Anlage und auch mehrere in den 1990er Jahren gebaute Hallen, die für die – gescheiterte – Bewerbung Berlins um die Sommerspiele 2000 gebaut wurden, sind nach Ansicht der Landesregierung und der Sportverbände in gutem Zustand, um so ein Großereignis zu veranstalten. „Die Infrastruktur ist hervorragend“, sagt Senatssprecher Richard Meng. „Für den Sommersport ist eigentlich alles da, es muss nicht viel Geld investiert werden.“ Ganz so optimistisch sieht das allerdings nicht jeder. „Bei den Sportstätten gibt es einen enormen Investitionsbedarf“, sagt der Grünen-Sportpolitiker Martin Beck.
Olympiapark
Der Olympiapark von 1936, vormals Reichssportfeld, steht als Ensemble unter Denkmalschutz, was eine erneute Nutzung für Olympia nicht ausschließt. Die verschiedenen Plätze für Hockey, Fußball, Cricket oder Tennis ließen sich als Trainingsplätze für die Athleten nutzen. Ebenso die Sporthallen im historischen Turnhaus. Auch Reitplätze stünden zur Verfügung. In der Waldbühne wäre Platz für das Rahmenprogramm. Die Wasserballer von Spandau 04 und die Modernen Fünfkämpfer haben im Olympiapark ihre Basis. Die Sanierungsplanung für die nächsten Jahre zielt allerdings nicht auf eine mögliche Bewerbung Berlins ab. Gegenwärtig wird das historische Schwimmhaus, das zusammen mit dem Turnhaus zum „Deutschen Sportforum“ gehört, und der nördliche Trakt des „Hauses des Deutschen Sports“ für die Poelchau- Oberschule hergerichtet, deren Schüler Leisstungssport betreiben.
Nächstes Projekt ist der Ausbau des Deutschen Sportmuseums, das bis 2017 in Räume unterhalb der Maifeldtribünen einziehen soll. Dafür stehen sieben Millionen Euro zur Verfügung. Anschließend ist das Olympiabad dran. Im Herbst 2014 soll die Sanierung beginnen. Kosten wird sie mindestens 22 Millionen Euro. Unklar ist, ob die historischen Tribünen wieder hergerichtet werden können. Wettkämpfe wird es in dem Stadion nicht mehr geben. Das Becken wird derzeit als Sommerbad genutzt. Der Olympiapark war als Hauptquartier der britischen Armee für Jahrzehnte unter Verschluss. Jetzt wird der Park vom Senat verwaltet und schrittweise saniert. Der Finanzbedarf wird insgesamt auf 80 Millionen Euro geschätzt
Max-Schmeling-Halle
Die Halle, in der die Füchse regelmäßig Handball spielen, ist eine der Sportanlagen aus dem gescheiterten Bewerbungskonzept um die Spiele 2000. Nicht nur der Landessportbund-Präsident Böger ist überzeugt, dass sie mit ein paar Renovierungen auf einem Stand gehalten werden kann, der auch im kommenden Jahrzehnt als olympiatauglich gelten kann.
Velodrom, Schwimmhalle
Die beiden imposanten Bauten an der Landsberger Allee gehören ebenfalls zum architektonischen Erbe der gescheiterten Olympiabewerbung für 2000 – und wären nach Ansicht des Landes ohne Probleme auch für künftige Spiele nutzbar, um die Wettkämpfe der Schwimmer und anderer Wassersportler sowie der Radfahrer auszutragen. Dazu kommen auch private Hallen wie die O2-World mit ihren 15 000 Plätzen, in der regelmäßig sportliche Großereignisse und die Spiele der Eisbären und von Alba stattfinden.
Messegelände am Funkturm
Das Messegelände am Funkturm könnte im kommenden Jahrzehnt wie schon für 2000 eine wichtige sportliche Rolle spielen. Sieben Sportarten sollten damals dort ausgetragen werden, darunter Fechten, Ringen, Gewichtheben und Turnen. Allerdings gibt es gegenüber der letzten Berliner Bewerbung eine Einschränkung: Das Internationale Congresscentrum ICC wird kommendes Jahr möglicherweise für immer geschlossen und stünde nicht mehr wie einst geplant als Pressezentrum zur Verfügung. Dafür steht das der CityCube.
Regattastrecke Tegel
Eine der wenigen Anlagen, die komplett neu gebaut werden müssten, wäre die Regattastrecke für die Ruderer und Kanuten, da die Regattastrecke Grünau olympischen Bedingungen nicht mehr entspricht. Daher hat der Landesruderverband schon vor einigen Jahren vorgeschlagen, auf dem Gelände des Flughafens Tegel nach dessen absehbarer Schließung eine neue Regattastrecke zu errichten. Die habe auch vom Wind her die ideale Ausrichtung – und bis 2024 dürfte der neue Flughafen BER vielleicht wirklich eröffnet und Tegel für den Luftverkehr geschlossen sein.
Ehemaliges Flugfeld Tempelhof
Das Areal könnte bei künftigen Olympischen Spielen eine große Rolle spielen – wenngleich noch offen ist, welche. Landessportbund-Präsident Böger könnte sich hier ein Olympisches Dorf vorstellen (siehe Interview). Dieses müsste mehr als 10 000 Athleten eine Unterkunft bieten. Da eine derartige Nutzung viel Widerstand provozieren dürfte, wären aber auch temporäre Bauten auf Teilen der großen Freifläche denkbar. Und für das Olympische Dorf käme vielleicht auch ein Teil des heutigen Flughafens Tegel in Frage.
Lesen Sie auf der nächsten Seite ein Interview mit Klaus Böger, dem Chef des Berliner Landessportbundes.
"Nur reiche Städte können auf Olympia verzichten"
Herr Böger, ist das Aus für München eine neue Chance für die Olympischen Spiele in Berlin?
Zuerst gilt es, das Plebiszit zu respektieren und zu reflektieren. Gibt es in Deutschland noch ein Interesse an solchen Großereignissen? Der Deutsche Olympische Sportbund muss votieren, ob man sich wieder bewerben will. Als nächstes stehen die Spiele 2024 an, da muss man bis 2015 über eine Bewerbung entscheiden.
Und Berlin?
Olympia ist eine Chance für Berlin und Deutschland. Wir brauchen aber jetzt erstmal einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, nicht nur einen der Eliten wie in München. Da muss man sich auch mit den Argumenten der Kritiker konstruktiv auseinandersetzen.
Was wären die Argumente für die Spiele in Berlin?
Ich bin ein alter Streiter für die Erkenntnis: Nur reiche Städte können es sich erlauben, auf Olympia zu verzichten.
Wo könnte Berlin denn profitieren?
Zum einen bräuchten wir kaum neue Bauten. Bis auf eine Rgeattastrecke ist hier an Sportstätten alles vorhanden und muss nur renoviert werden. Berlin könnte dazu ein Olympisches Dorf mit Nullemission gewinnen, zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld. Das gäbe einen Schub für die Stadtmodernisierung und könnte ein Zeichen für einen lebenswerten Ballungsraum setzen.
Aber wer zahlt die Rechnung?
Bezahlen müsste das die Stadt. Aber es wäre ein Gewinn an Infrastrukutr. Wie sähe die Stadt wohl ohne all das aus, was für die Olympischen Spiele 1936 gebaut wurde?
Die Fragen stellte Lars von Törne.
Klaus Böger, 63, ist seit 2009 Chef des Berliner Landessportbundes. Von 1999 bis 2006 war der SPD-Politiker Senator für Bildung, Jugend und Sport.