Flüchtlingsheime in Berlin: Sozialsenator Czaja verteidigt Allert und will jetzt selbst ran
Im Parlament gab es am Mittwoch heftig Krach um die Betreiber von Flüchtlingsheimen in Berlin. Sozialsenator Mario Czaja will nun auf eigene Häuser setzen.
Selten haben sich Abgeordnete in einer Sitzung des Berliner Gesundheitsausschusses angeschrien – Opposition versus Koalition. Noch seltener waren die Zuschauersitze im Saal 311 des Abgeordnetenhauses so voll wie diesen Mittwoch. In einer Sondersitzung mussten sich Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), Franz Allert, gegen Vorwürfe wehren, es habe Vetternwirtschaft bei Aufträgen für Flüchtlingsheime gegeben. Betreiber sollen vom Lageso für Sozialleistungen bezahlt worden sein, die sie nicht vollständig erbracht hätten, Aufträge für neue Heime seien ohne Ausschreibung an eine bestimmte Firma gegangen.
Czaja verteidigte Allert, dessen Patensohn der Geschäftsführer der Firma Gierso ist, die in Berlin auch Flüchtlingsheime im Auftrag des Lageso betreibt. „Uns liegen noch keine Zwischenergebnisse vor, die die Vorwürfe erhärten“, sagte Czaja am Mittwoch. Bislang habe es „keine Zweifel an einer sachgemäßen Amtsführung“ gegeben. Der Senator erklärte, weshalb auf langwierige Ausschreibungen verzichtet wurde: Weitgehend unstrittig ist, dass sich zu wenig Betreiber bewerben. Zugleich steigen die Flüchtlingszahlen stärker als prognostiziert, weshalb schnell auf Angebote zurückgegriffen werden muss.
Weil sowohl die von Czaja beauftragten Beamten der internen Revision als auch der Landesrechnungshof noch Wochen brauchen, bis sie sich zu den Vorgängen äußern, bleiben jedoch Fragen offen: Allert soll nicht selbst Verträge mit der Firma seines Patensohnes unterzeichnet haben, hat diese dennoch von seiner Stellung als Lageso-Chef profitiert? Allert hatte zudem wohl den früheren Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) informiert, nachdem er 2012 seinen Patensohn nach Jahren wiedergetroffen hatte – hatte das intern Folgen? Und Allert ist diesen Juli angezeigt worden, worüber er Senator Czaja damals informierte. Dieser hatte prüfen lassen, ob Allert etwas vorzuwerfen sei. Wurde nach dieser ersten Prüfung zu Recht entwarnt?
Das zieht emsige Geschäftsleute der Baubranche an
Eingangs hatten Grüne, Linke und Piraten dem Senator schwere Vorwürfe gemacht: Czaja habe versäumt, menschenwürdige Unterkünfte zu errichten, als absehbar gewesen sei, dass die Kriege im Nahen Osten eskalieren würden. Deshalb habe er auf zweifelhafte Heimbetreiber und umstrittene Wohncontainer zurückgreifen müssen, um die vielen Asylbewerber unterzubringen. Alle Berliner Landesregierungen haben bislang auf Sozialverbände und Privatfirmen gesetzt, denen sie pro Tag und Asylbewerber im Schnitt 20 Euro zahlten. So konnte, das ist die Idee, flexibel auf mehr oder weniger Flüchtlinge reagiert werden.
Die Tagessätze sind jedoch zuweilen höher, etwa wenn die Betreiber davon marode Häuser sanieren wollen. Das zieht emsige Geschäftsleute der Baubranche an. Canan Bayram (Grüne) nannte dies ein „falsches Konstrukt“ – was Senator Czaja ähnlich sieht. Er will eigene Gebäude auf Landesarealen, um weniger von – womöglich umstrittenen – Betreibern abhängig zu sein. Intern ist bekannt, dass bei Kontrollen sowohl Privatfirmen als auch gemeinnützige Sozialverbände negativ aufgefallen sind – ob aus Überforderung oder Profitstreben. Für Czaja gefährlich wäre wohl nur, wenn die Amtsspitze dies bei bestimmten Firmen geduldet hätte.
SPD-Gesundheitsexperte Thomas Isenberg warnte Mittwoch eher laut als leise vor Vorverurteilungen, was die Grünen-Abgeordnete Bayram dazu bewog, noch lauter von unbeantworteten Fragen zu sprechen, bis beide brüllten. Bayram wechselte 2009 von der SPD zu den Grünen – ob das den heftigen Wortwechsel erklärt, sei dahingestellt. Isenbergs Einwand ist berechtigt. Der Vorwurf aber, mit Flüchtlingen ließe sich dann viel Geld verdienen, wenn Heimbetreiber kaum kontrolliert würden, dürfte sich kaum als falsch erweisen.