Affäre um Flüchtlingsheime in Berlin: Sozialsenator Czaja muss noch viele Fragen beantworten
Wegen möglicher Korruption bei Flüchtlingsheimen gibt es neue Untersuchungen und viele Vorwürfe. Die Opposition geht Sozialsenator Mario Czaja heftig an.
Der Patensohn eines Spitzenbeamten bekommt öffentliche Aufträge, es gibt problematische Notunterkünfte, und die Opposition protestiert laut – die Affäre um das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) setzt Mario Czaja (CDU) zu. Der Sozialsenator hat sich auch am Donnerstag im Abgeordnetenhaus hinter Lageso-Präsident Franz Allert gestellt: Es gebe keine Anzeichen für Vetternwirtschaft beim Betrieb von Flüchtlingsheimen. Die Vorwürfe gegen Allert und zwei Betreiberfirmen, eine wird von Allerts Patensohn geführt, hätten sich bislang nicht erhärtet. Endgültige Ergebnisse gibt es allerdings erst in zwei Wochen.
60 Aktenordner zu allen Lageso-Verfahren mit den beiden Firmen werten die Kontrolleure gerade aus. Dem Vernehmen nach sollen sich im Landesrechnungshof zudem drei Experten mit den Vorgängen befassen. Die Opposition ist schon in Angriffslaune und stellte am Donnerstag im Parlament teilweise die gleichen Fragen wie am Mittwoch. An jenem Tag saß Czaja, der sich auch Kritik wegen der Verteilung der Flüchtlinge ausgesetzt sieht, in einer Sondersitzung des Sozialausschusses – und sagte dafür einen Kongress ab.
Gab es Bezahlungen ohne vertragliche Grundlage?
Wie aber kam es eigentlich zum Streit um das Lageso, wer hatte Allert im Juli wegen möglicher Vetternwirtschaft und kürzlich dann auch Czaja angezeigt? Die heutigen Gegner hatten einst kooperiert: Bei der Betreuung von Flüchtlingen in der Moabiter Levetzowstraße arbeitet die Betreiberfirma Gierso mit einer Initiative von Anwohnern zusammen, der „Neuen Nachbarschaft Moabit“. Einem Mitglied zufolge, Udo Bockemühl, besteht die Initiative aus 100 Anwohnern – „vom 19-jährigen Studenten bis zur 83-jährigen Rentnerin, die die Flüchtlinge willkommen heißen wollen“. Kinderbetreuung und Hilfen für Erwachsene habe man angeboten, dafür von der Gierso zunächst einen Raum bekommen. Alles war gut – bis zum Zerwürfnis im November 2013: Seitdem gibt es Streit, der nun die Politik erreicht hat. Bockemühl zufolge führten die Hinweise der Initiative auf Missstände im Heim dazu, dass der Betreiber die Helfer rausgeworfen habe. Die Betreuung erfolgt nun von einem Nachbarhaus aus. Doch seitdem ist die Front zwischen Anwohnern und Heimbetreiber sowie dessen Auftraggeber, dem Lageso, so verhärtet, dass Mitglieder der Initiative im Juli Strafanzeige erstatteten. Der Vorwurf: Die Abrechnung für die Flüchtlingsbetreuung sei nicht korrekt gelaufen, das Lageso habe die in Rechnung gestellten Leistungen nicht genau überprüft – was Betreiber, Lageso und Czaja bestreiten.
Völlig abwegig könnten die Vorwürfe nicht sein, jedenfalls dem Handeln der Staatsanwaltschaft nach zu urteilen: Für einen Anfangsverdacht reichten sie, ein Aktenzeichen wurde angelegt, gegen Lageso-Chef Allert wird ermittelt. Könnten er und sein Stab die Vergabe von Aufträgen an die Betreiberfirma seines Patenkindes gut geheißen – und einen womöglich laxen Umgang bei der Abrechnung sozusagen übersehen haben? „Eine Bevorteilung oder anderweitige rechtswidrige Einflussnahme auf Vergabeentscheidungen im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften der Firmen Gierso oder Pewobe oder irgendwelcher anderer Betreiber von Flüchtlingsunterkünften gab es meinerseits zu keiner Zeit“, erklärt Franz Allert.
Einige Aufgaben sollen vom Betreiber sogar abgerechnet worden sein, obwohl es damals gar keinen Vertrag darüber gab. Und wenn nirgendwo der Umfang der Leistungen beschrieben ist, die der Betreiber für pauschal gezahlte Tagessätze je Heimbewohner erhält – auf welcher Basis wurden die Mittel dann ausgezahlt?