Erstmals offizielle Zahlen: So viele Kitaplätze fehlen im "Platzdelta" Berlin
Laut Senatsjugendverwaltung gibt es in Berlin für etliche Kinder keinen Kitaplatz, obwohl ihre Eltern einen Gutschein dafür haben. Der Bedarf könnte bis Ende Juli noch weiter steigen.
Bisher waren es nur Schätzungen, jetzt ist es offiziell: Für rund 2500 Kinder gibt es in Berlin momentan keinen Kitaplatz, obwohl ihre Eltern einen Gutschein dafür haben. Das geht aus einem Schreiben der Senatsjugendverwaltung vom 12. März an die Jugendämter der Bezirke hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Es bestehe „ein erhebliches ungedecktes Platzdelta zum Ende Januar 2018“ heißt es in dem Schreiben: „So standen den nicht belegten circa 5500 angebotenen Betreuungsplätzen rund 8000 bewilligte Gutscheine gegenüber.“ Im Februar hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Versorgungslücke auf „mindestens 3000 Plätze“ geschätzt.
Diese Lücke könnte bis zum Ablauf des Kitajahres 2017/18 Ende Juli noch weiter steigen. Denn bis dahin werden zahlreiche weitere Kinder das erste Lebensjahr vollenden und haben ab dann einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz.
"Ultima Ratio"
Senat und Bezirke greifen angesichts des Engpasses wie berichtet zu Notmaßnahmen. Als „Ultima Ratio“, so heißt es in dem Schreiben, können unter bestimmten Voraussetzungen übergangsweise private Betreuungskosten erstattet werden. Zuvor aber müssen die Bezirke alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen. Dazu gehöre auch, dass die Jugendämter eine zeitweise Überbelegung prüfen sollen.
Diese Vorgabe stößt bei Kitaträgern auf Empörung. Auch die Grünen-Landesvorsitzende Nina Stahr kritisiert: „Das halten wir für den absolut falschen Ansatz. Dass der Senat jahrelang geschlafen hat, darf jetzt nicht auf dem Rücken der Kinder und Eltern ausgetragen werden. Solange Berlin nicht ausreichend Kita-Plätze bereitstellen kann, müssen private Betreuungskosten erstattet werden.“
Eine weitere Maßnahme betrifft die Kitas der Eigenbetriebe. Diese sollen frei werdende Plätze in bestimmtem Umfang vorrangig dem Jugendamt anbieten. Das könnte darauf hinauslaufen, dass Bezirkskinder bei der Vergabe bevorzugt werden. Denn die Jugendämter werden die Plätze voraussichtlich vorrangig an Familien vermitteln, die in ihren Bezirken gemeldet sind. Monika Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg, interpretiert dies jedenfalls so – und begreift es als Bestätigung ihrer Praxis.
Vor wenigen Wochen hatte das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg einer Neuköllner Familie einen Platz bei einer Kreuzberger Tagesmutter verwehrt – mit der Begründung, dass der Bezirk zunächst den Rechtsanspruch der Bezirkskinder zu erfüllen habe. Die Senatsverwaltung hatte zunächst rechtliche Bedenken. Nach einer Prüfung sei man aber nun zu dem Schluss gekommen, dass das Vorgehen im Bereich der Tagespflege in Ordnung sei, sofern es nicht um einen „dauerhaften, pauschalen Ausschluss von Kindern, die nicht im Bezirk wohnen“, gehe, teilte eine Sprecherin mit.
Insgesamt gibt es in Berlin 174.279 Kitaplätze mit Betriebserlaubnis, davon können aber nur 163.717 belegt werden (siehe Grafik). Das geht aus der Antwort von Staatssekretärin Sigrid Klebba (SPD) auf eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner hervor. Als Gründe nannte Klebba Baumaßnahmen, Personalvakanzen, bestimmte pädagogische Profile und Gruppenzusammensetzungen, die eine „Vollnutzung der erlaubten Plätze nicht zulassen“.