„Fridays for Future“-Klimastreik: So verlief die Großdemonstration in Berlin
Zehntausende forderten am Freitag eine neue Umwelt- und Klimapolitik. Auch Peter Fox von der Band Seeed hatte eine Botschaft für die Demonstrierenden.
Der Wind pfeift eisig an diesem Freitag und auch die Sonne drängt nur gelegentlich durch die Wolkendecke. Genug Gründe eigentlich, lieber im warmen Klassenzimmer zu bleiben. Trotzdem sind die S-Bahnen Richtung Brandenburger Tor am Vormittag voll von jungen Klima-Demonstranten. Viele haben bunte Schilder mit kreativen Sprüchen geschultert: „Fehlstunden verkraften wir, Klimawandel nicht“, steht auf einem, auf einem anderen „Fischers Fritze fischt Plastik“. Die Stimmung ist gut, ein Lautsprecherwagen macht die Demonstration stellenweise zur Tanzveranstaltung.
Zehntausende demonstrierten in Berlin
In Berlin kamen laut Schätzungen der Veranstalter von „Fridays for Future“ etwa 60 000 Menschen zu der Demonstration. Die Polizei bezifferte die Zahl der Teilnehmer an einer Kundgebung am Brandenburger Tor und einer Demonstration durch das Regierungsviertel auf mehrere Zehntausend. Zum Vergleich: Bei der großen Klimademo am 20. September in Berlin waren nach Angaben von Fridays For Future 270 000 Menschen dabei, die Polizei sprach damals von knapp 100 000.
Die Aktivisten fordern einen „Neustart“ der Klimapolitik der Bundesregierung. Bei der Abschlusskundgebung ruft Klima-Aktivistin Luisa Neubauer den jungen Demonstranten zu: „Wir sind 60 000!“ Riesen-Jubel brandet auf. Neubauer appelliert an die Schüler, jetzt nicht nachzulassen. Die Bundesregierung habe „keinen Bock“ und „keinen Plan“, mehr gegen den Klimawandel zu tun, sagte sie. „Darum müssen wir weitermachen, obwohl wir müde sind und alle sagen, ihr schafft es nicht.“ Per Twitter spricht die Klima-Bewegung nach der Veranstaltung von einer „unglaublichen“ Resonanz.
Dass letztlich so viele Menschen kommen, liegt sicher auch daran, dass die Schüler mittlerweile von vielen Erwachsenen unterstützt werden. Etwa ein Drittel der Menschen sind sichtlich nicht mehr im Schulalter. Sie begleiten ihre Kinder oder demonstrieren, wie ein älterer Berliner sagt, „für einen lebenswerten Planeten für die nächste Generation“. Glaubt man dem mächtigen Jubel, sind viele aber auch wegen der drei bekanntesten „E“ Berlins gekommen: der Band Seeed.
Die Berliner betreten gegen 13 Uhr die kleine Bühne vor dem Brandenburger Tor, die Siegessäule im Blick. Sänger Peter Fox wendet sich mit ernsten Worten an die Schüler. Er lobt sie für ihr Engagement, sagt aber auch: „Es wäre noch besser, wenn ihr auch samstags für mehr Klimaschutz demonstrieren würdet.“ Und: „Checkt auch euren eigenen Lifestyle!“ Demonstrieren allein reiche nicht, sagt Fox. So bekommen auch die schulschwänzenden Kinder noch eine Unterrichtseinheit. Applaus gibt’s, anders als in der Schule, trotzdem.
Trittbrettfahrer mischen sich unter Demonstrantinnen
Wie so häufig bei großen Protest-Aktionen versuchen auch an diesem Tag wieder Verschwörungstheoretiker und politische Wirrköpfe, die Menschenmasse für ihre Zwecke zu nutzen. So demonstrieren Aktivisten der Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) am Rande der Demonstration gegen Israel und versuchen, unter dem Vorwand des Klimaschutzes Stimmung gegen den jüdischen Staat zu machen. Auch linksradikale Gruppen und die Splitterparteien wie die MLPD versuchten, Informationsmaterial an die jungen Klimasschützer zu verteilen. Von den meisten Schülern ernten sie aber nur Kopfschütteln.
Auch in Brandenburg wird am Freitag in rund 20 Städten demonstriert. In Potsdam kommen am Mittag rund 2500 Teilnehmer zusammen, wie die Veranstalter mitteilten. Sie zeigen auf Plakaten Parolen wie „Lasst die Kohle in der Erde“. Passend dazu werden an diesem Wochenende Protestaktionen der Gruppe „Ende Gelände“ gegen den Kohleabbau in der Lausitz stattfinden. Geplant ist die Blockade von Baggern und Kraftwerken. Es dürfte weniger freundlich zugehen als am Freitag vor dem Brandenburger Tor.
Eine kleine Überraschung hatte der Tag auch für die älteren Demonstranten noch zu bieten. Der Ex-Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele nahm ebenfalls an der Demonstration teil. Ströbele erkrankte vor einigen Jahren an Krebs. Die Krankheit hat er überstanden, das Gehen fällt ihm aber schwer. Am Freitag war er mit einem Rollator unterwegs. Viele Demonstrierende erkannten den ehemaligen Bundestagsabgeordneten und waren sichtlich von seiner Teilnahme beeindruckt.