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Jüngst gab es am 29. September einen Warnstreik bei der BVG:
© imago images/Jürgen Heinrich

BVG-Streik in Berlin: So kommen Pendler am Freitag trotzdem ans Ziel

Der 24-Stunden-Verdi-Warnstreik bei der BVG hat am Freitagmorgen begonnen. Die S-Bahn und einige Buslinien fahren trotzdem. Ein Überblick über die Alternativen.

Seit heute morgen läuft in Berlin erneut ein Warnstreik im Nahverkehr: Für 24 Stunden will die Gewerkschaft Verdi im ÖPNV-Tarifkonflikt die BVG bestreiken - von Freitagfrüh um 3 Uhr bis Samstagfrüh um 3 Uhr sollen die meisten Busse sowie U-Bahnen und Trams im Depot bleiben. In Brandenburg sind die Beschäftigten aufgerufen, von Betriebsbeginn bis zum Mittag die Arbeit ruhen zu lassen. Mit welchen Verkehrsmitteln kommen Pendler während des BVG-Ausstandes trotzdem an ihr Ziel? Die wichtigsten Infos im Überblick.

Die BVG-Fähren und einige Buslinien fahren trotz Streik

Wie bereits bei vorherigen Streiks sind nicht alle Buslinien der BVG von der Arbeitsniederlegung betroffen. Denn einige Linien werden im Auftrag der BVG von privaten Unternehmen betrieben. Diese haben eigene Fahrzeuge und eigene Betriebshöfe, die nicht bestreikt werden, wie die Verkehrsbetriebe mitteilten. Daher seien einige Tages- und Nacht-Buslinien komplett in Betrieb, vier Linien fahren mit Einschränkungen. Auch die BVG-Fährlinien sind in Betrieb.

Die BVG informiert auf Twitter und auf bvg.de über die Einschränkungen.

  • Folgende Tages-Buslinien fahren komplett: 106, 112, 140, 161, 163, 168, 175, 179, 184, , 234, 263, 275, 284, 323 (BerlKönig BC), 334, 341, 349, 363, 369, 370, 371, 380, 399, 740 (BerlKönig BC), 744, 893
  • Diese Nacht-Buslinien fahren komplett: N12, N23, N34, N35, N39, N40, N52, N53, N56, N58, N60, N61, N62, N67, N68, N69, N77, N84, N88, N90, N91, N95, N97.
  • Diese Linien fahren mit Einschränkungen: 218, 283, 395, 398 (50 Prozent der Leistung)
  • In Betrieb sind weiterhin die BVG-Fährlinien F10, F11, F12, F21, F23, F24

S-Bahn und die Regionalbahn sind nicht vom Streik betroffen

Viele Berliner haben während des Warnstreiks die Möglichkeit, auf die S-Bahn und Regionalbahn umzusteigen. Die sind nicht vom Streik betroffen. "Alle Fahrzeuge, die zur Verfügung stehen, werden morgen im Einsatz sein, um den ohnehin dicht getakteten Fahrplan zu verstärken", teilte die S-Bahn am Donnerstag mit.

Das Unternehmen will demnach durch einen durchgehenden Einsatz der Verstärkerzüge auf der S1 und S5 rund 63 zusätzliche Fahrten schaffen, auf der Stadtbahnlinie S3 und auf der Nord-Süd-Linie S1 sollen durch Betriebsreserven zusätzliche Fahrten geschaffen werden.

  • Die Verstärkerzüge der S1 (Zehlendorf–Potsdamer Platz) und der S5 (Mahlsdorf–Ostbahnhof) fahren durchgehend von 5.30 Uhr bis 19.30 Uhr und nicht nur zu den Hauptverkehrszeiten. Das ergibt laut S-Bahn "63 zusätzliche Fahrten und etwa 11.000 Sitzplätze mehr".
  • Auf der Stadtbahn und auf der Nord-Süd-Strecke werden Betriebsreserven eingesetzt: Das heißt: "28 zusätzliche Fahrten der S3 zwischen Charlottenburg und Köpenick und  20 zusätzliche Fahrten auf der S1."
  • Auch die Regionalbahn fährt.

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Bereits beim letzten BVG-Streik, der über neun Stunden angesetzt war, hatte die S-Bahn auf der S1, S3 und S5 nach eigenen Angaben rund 60 zusätzliche Fahrten angeboten. Zwar waren die Züge vor allem im Berufsverkehr kurzzeitig etwas voller, doch beschränkte sich das erhöhte Fahrgastaufkommen nach Angaben der Bahn auf Verkehrsknotenpunkte wie das Ostkreuz und die Friedrichstraße. Hier war es jedoch mitunter unmöglich, die Abstandsregeln einzuhalten.

Die S-Bahn appellierte am Donnerstag an die Fahrgäste, "Mund und Nase zu bedecken und sich an die Maskenpflicht zu halten."

Ringbahn weiter unterbrochen

Fahrgäste auf der Ringbahn müssen am Freitag weiter Geduld mitbringen. Nachdem es am frühen Montagmorgen einen Brandanschlag auf einen Kabelschacht zwischen Ostkreuz und Frankfurter Allee gab, dauern die Reparaturarbeiten weiter an. Der Ring werde am Freitag weiterhin zwischen den Bahnhöfen Ostkreuz und Neukölln unterbrochen sein, teilte die S-Bahn am Donnerstag mit. Am Dienstag hieß es zunächst von der S-Bahn, die Reparaturarbeiten sollten mindestens bis Freitag dauern und der ganze Ring werde voraussichtlich Freitag wieder befahrbar sein.

Bereits am Montag wurde in diesem Bereich ein Ersatzverkehr mit Bussen sowie ein Pendelverkehr zwischen Ostkreuz und Baumschulenweg eingesetzt. Dieser wird nun verstärkt, die Anzahl der Ersatzbusse soll verdoppelt werden, hieß es von der S-Bahn:

  • 30 Busse fahren zwischen Ostkreuz und Neukölln.
  • 10 Busse verstärken zusätzlich den Pendelverkehr zwischen Ostkreuz und Baumschulenweg.

Am Donnerstagmorgen konnten Züge der Ringbahnlinien bereits wieder zwischen den Stationen Frankfurter Allee und Ostkreuz fahren, teilte die S-Bahn mit. Die Strecke Neukölln - Ostkreuz bleibt aber weiterhin gesperrt. „Ein Zeitpunkt zur vollständigen Aufnahme des durchgehenden Zugverkehrs kann derzeit noch nicht genannt werden“, twitterte die S-Bahn am Donnerstagmorgen. Am Nachmittag hieß es auf der Website, der Betrieb werde schrittweise ab Montag wieder aufgenommen.

Betroffen von Verspätungen und Ausfällen waren demnach die Linien S41, S42, S8, S85 und S9. Am Donnerstagmittag sahen die Einschränkungen wegen des Kabelbrandes so aus: Die Linien S41 und S42 fuhren zwischen Ostkreuz und Neukölln über Gesundbrunnen, Westkreuz und Südkreuz. Die S8 führ zwischen Zeuthen/Grünau und Schöneweide sowie zwischen Greifswalder Straße und Birkenwerder. Die S85 fuhr nicht. Die S9 fuhr zwischen Flughafen Schönefeld und Schöneweide sowie zwischen Ostbahnhof und Spandau.

Aktuellen Informationen finden sie auf der Webseite der S-Bahn und auf Twitter.

Auto, Carsharing, Taxi - und Fahrgemeinschaften

Auch der Umstieg aufs Auto dürfte am Freitag für viele Berliner eine Option darstellen. Wer kein eigenes Auto besitzt, kann einen der zahlreichen Car-Sharing-Anbieter nutzen.

Allerdings bedeutet der vermehrte Umstieg aufs Auto auch, dass es am Freitag voller werden kann auf den Straßen: Die Verkehrsinformationszentrale vermerkte beim letzten Streik deutlich mehr Staus als an einem gewöhnlichen Dienstag, die sich mit Ende des Berufsverkehrs jedoch schnell wieder auflösten. Einer der größten Berliner Anbieter von stationsungebundenen Leihwagen "Sixt Share" stellte vor allem zur Rush Hour eine deutlich erhöhte Nachfrage fest, wie eine Sprecherin dem Tagesspiegel damals sagte.

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Die vier größten nicht-stationsgebundenen Firmen Sixt, Share Now, Miles und We Share appellierten beim letzten Streik an ihre Kunden, auch Fahrgemeinschaften zu bilden.

Wer sich vor dem Losfahren einen aktuellen Verkehrsüberblick verschaffen will, kann etwa die Verkehrslagekarte der VIZ Berlin im Netz ansehen.

Das Fahrrad - bei freundlichem Wetter

Auch das (Leih-)Fahrrad gilt als zuverlässige Option, um während des Streiks zur Schule oder zur Arbeit – und wieder nach Hause zu kommen. Vorausgesetzt, das Wetter stimmt.

Ein Blick in den Wetterbericht des DWD zeigt: Der Freitag soll mit einem Wechsel aus Sonne und Wolken sowie Höchsttemperaturen um 15 Grad noch freundlicher als das Wochenende werden. Nur in der Niederlausitz kann es vor allem am Vormittag viele Wolken und mancherorts Regen geben. Am Samstag erwarten die Meteorologen dann eine dichte Wolkendecke sowie gelegentlich Regen. Die Maximalwerte liegen nur noch bei 14 Grad.

Beim letzten BVG-Streik waren viele Berliner dank milder Temperaturen auf dem Fahrrad gut aufgehoben. Das Zweirad als BVG-Alternative kam am Streikmorgen sogar so vielen in den Sinn, dass sich auf den Haupttangenten Richtung Innenstadt immer wieder Fahrrad-Staus bildeten.

Die Flughäfen Tegel und Schönefeld erreichen

Der Flughafen Berlin-Tegel ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln bekanntermaßen nur mit dem Bus erreichbar - und die Linien 109, 128, TXL und X9 stehen nicht auf der Liste der Busse, die trotzdem fahren.

Eigene Shuttlebusse der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) nach Tegel werden am Freitag nicht im Einsatz sein, teilte ein Sprecher auf Nachfrage mit.

Die FBB twitterte am Donnerstag: "Passagierhinweis SXF und TXL: Bitte informier dich vor der Anreise zum Flughafen über den anstehenden Streik im ÖPNV am 09.10.2020" und teilte einen Tweet der BVG zu den nicht bestreikten Buslinien.

Beim letzten Streik gestaltete sich die Fahrt zum Flughafen Tegel für einige Reisende schwierig. An den Tegel-Zubringer-Bahnhöfen Jungfernheide und Beusselstraße fehlten jegliche Hinweise auf den Streik und da auch Verkehrs-Apps wie Google Maps ihre Routenplanung nicht aktualisierten, warteten einige Reisende vergebens auf den TXL-Bus.

Anders als bei vorherigen Streik-Tagen stellte der Airport selber beim Streik Ende September keine Shuttlebusse zur Verfügung, was auch am geringen Passagieraufkommen wegen der Coronakrise in Tegel gelegen haben dürfte. Am Ende blieb den in Moabit und Charlottenburg gestrandeten nur das Taxi zum Flughafen.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Siean dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Auch Reisende zum Flughafen Schönefeld, die auf eine Fahrt mit der U7 über den U-Bahnhof Rudow gesetzt haben, sollten umplanen.

Doch nicht alle Buslinien, die am Schönefelder Terminal halten, werden laut der Liste der BVG bestreikt. So fahren die Linien 163, 744 und die Nachtlinie N60 zum Flughafen. Als Alternativen bleiben hier noch die Regionalbahn sowie die S45 und S9.

Letztere fuhr nach dem Kabelbrand nahe Frankfurter Allee jedoch auch am Donnerstagnachmittag nur eingeschränkt zwischen Flughafen Schönefeld und Schöneweide sowie zwischen Ostbahnhof und Spandau.

Was ist der Hintergrund des Warnstreiks?

Verdi hat im Tarifkonflikt mit den Arbeitgebern im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) ihren Aufruf zum Warnstreik für Freitag auch auf Berlin und Brandenburg erweitert, wie sie am Dienstag mitteilte. Damit sind in dieser Woche acht Bundesländer betroffen. Hintergrund ist die Forderung des Verdi-Bundesverbands nach einer bundesweit einheitlichen Tarifregelung für die rund 87.000 Beschäftigten im ÖPNV. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hatte das am Dienstag erneut abgelehnt.

Tarife im Nahverkehr werden derzeit in den 16 Bundesländern einzeln ausgehandelt. Weil sich deshalb die Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Regionen aus Sicht der Gewerkschaft zu weit auseinander entwickelt haben, sollen die regionalen Regelungen um eine bundesweite ergänzt werden. Der VKA lehnt das ab und sieht die Zuständigkeit für die Tarifverhandlungen weiter bei seinen Mitgliedsverbänden auf Landesebene.

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„Die Warnstreiks sind nicht nur eine Zumutung für die Bevölkerung, sondern auch für die krisengeplagten Nahverkehrsunternehmen, die enorme Einnahmeverluste im Zuge der Corona-Krise zu verkraften haben“, teilte der VKA am Dienstag mit. Die stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende, Christine Behle, entgegnete: „Wir informieren frühzeitig über die Warnstreiks, damit sich die Bürgerinnen und Bürger auf die Situation einstellen und Alternativen organisieren könnten.“

Am Dienstag waren Beschäftigte des ÖPNV in Hessen dazu aufgerufen, die Arbeit ruhen zu lassen. Niedersachsen und Bremen sollten am Mittwoch betroffen sein, NRW und Baden-Württemberg am Donnerstag. Freitag soll der Verkehr nun in Bayern, Berlin und Brandenburg ruhen. 

Wie reagieren Fahrgastverbände und BVG?

Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat Verständnis für die für Freitag angekündigten Warnstreiks in Berlin und Brandenburg geäußert. „Natürlich ist das mehr als ärgerlich“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Interessengemeinschaft Eisenbahn, Nahverkehr und Fahrgastbelange, Jens Wieseke, der Deutschen Presse-Agentur. „Aber es hat ja auch seine Gründe, warum gestreikt wird.“

Die Aktion sei auch das Ergebnis eines jahrelangen Desinteresses der Politik gegenüber den Problemen im ÖPNV. „Die schlechte Lohnentwicklung ist ja keine neue Erkenntnis.“ Wieseke appellierte an beide Seiten, schnell zu einer Lösung zu kommen, denn die aktuelle Corona-Situation mache die Lage für die Fahrgäste nicht einfacher.

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Auch der Landes-Fahrgastverband Pro Bahn bezeichnete die Forderungen der Beschäftigten am Mittwoch als „berechtigt“. Allerdings treffe die Aktion ausschließlich die Fahrgäste. Arbeitgeber würden „sogar noch Lohn- und Sachkosten (z.B. Energie) einsparen“, hieß es. Der Verband forderte deshalb von den Verkehrsunternehmen in Berlin und Brandenburg Not-Fahrpläne, „die bei einem weiteren Streik in Berlin oder Brandenburg aus der Schublade geholt werden können“.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) kritisierten am Dienstag die Aktion der Gewerkschaft. „Angesichts steigender Coronawerte kommt auch dieser, für ganze 24 Stunden geplante, Warnstreik zu einem völlig falschen Zeitpunkt und setzt unsere Fahrgäste einem unnötigen Gesundheitsrisiko aus“, teilte das Unternehmen mit. (mit dpa)

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