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Die drei Herren von der AfD: Hans-Olaf Henkel, Bernd Lucke und Alexander Gauland
© rtr

Ex-FDPisten, Republikaner, Sarrazin-Fans: So hat die AfD in Brandenburg gesiegt

In Brandenburg hat AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland bei den Landtagswahlen rund zwölf Prozent geholt. Im Wahlkampf unternahm Gauland eine Gratwanderung - zwischen reflektiertem Konservatismus und populistischen Parolen. Am Ende mit Erfolg.

Eine Tonstörung ging dem großen Jubel bei der AfD-Wahlparty voraus. "Kann die ARD mal dafür sorgen, dass wir Ton bekommen?", fragt der Moderator kurz vor 18 Uhr in den Saal im Kutschstall-Ensemble nahe dem Potsdamer Landtag. Manch ein AfD-Mitglied musste da grinsen – ausgerechnet die ARD, deren Gebührenfinanzierung die AfD abschaffen will. Beim tonlosen Bild bleibt es den ganzen Abend über. Jubel bricht trotzdem aus unter üppigen Kronleuchtern in historischem Ambiente.

Parteichef Bernd Lucke flüstert seinem Vize Hans-Olaf Henkel aufgeregt ins Ohr: "Wenn das in Thüringen schon zehn Prozent sind, was wird dann erst in Brandenburg passieren..." Als dort dann ein blauer AfD-Balken mit zwölf Prozent zu sehen ist, reckt Spitzenkandidat Alexander Gauland die Arme nach oben. Eine Geste, die man so sonst nicht von ihm kennt. Gauland ruft in den Saal: "Wenn man Persönliches und Politisches nicht verquicken sollte, dann würde ich sagen: Das ist der glücklichste Tag in meinem Leben."

Dann bedankt er sich bei den Wählern, und auch bei der Bundes-AfD, schließlich habe die AfD in Brandenburg nicht mal eine eigene Geschäftsstelle. „Wir sind in der deutschen Politik angekommen“, ruft Gauland, bevor er von der Bühne tritt und in den Landtag geht. Kurz vor 18 Uhr war der Mann des Abends noch bescheidener aufgetreten: "Ich hätte gern einer Frau den Vortritt gelassen, ich bin da altmodisch." Gemeint war Frauke Petry, die AfD-Chefin von Sachsen. Deren Ergebnis von 9,7 Prozent hat Gauland nun in den Schatten gestellt.

Es war eine Gratwanderung, die Gauland im Wahlkampf unternommen hatte – zwischen reflektiertem Konservatismus und populistischen Parolen. Am Ende mit Erfolg. Der frühere CDU-Staatssekretär in Hessen, Publizist und ehemalige Herausgeber der "Märkischen Allgemeinen", wird nun zum ersten Mal in einem Landtag sitzen. Obwohl er das eigentlich nie wirklich wollte und meist nur verschmitzt dreinblickte, wenn man ihn auf diese Perspektive ansprach. Nun wird er auch noch eine überraschend große Truppe im Parlament im Zaum halten müssen.

Gauland lobt Sahra Wagenknecht und gewinnt Wähler aus allen Parteien

Denn in größerem Umfang konnte die AfD ehemalige Wähler von Linkspartei und SPD für sich gewinnen. Möglicherweise auch eine Folge des betont Russland-freundlichen Kurses, den Gauland eingeschlagen hatte. Noch wenige Tage vor der Wahl hatte er in einem offenen Brief gezielt um Wähler der Linken geworben - so gebe es dort Politiker wie Sahra Wagenknecht, die "mit ihrer Haltung zur Euro-Rettungspolitik gut zur AfD passen würden".

Tatsächlich kamen 19.000 Wähler von der Linken und 11.000 Wähler von der SPD zur AfD. Von der CDU waren es 18.000 und von der FDP 17.000 Wähler. Damit wird die AfD nun endgültig zum Problem aller Parteien, mit Ausnahme der Grünen vielleicht, die lediglich 1000 Stimmen abgeben mussten. Parteichef Bernd Lucke zeigte sich darüber in Potsdam wenig überrascht: "Wir setzen uns für eine soziale Marktwirtschaft ein, unsere Themen sind auch für linke Wähler attraktiv." Mit dem Slogan der "konservativen Volkspartei", den die AfD in Sachsen für sich in Anspruch nimmt, stimme er nicht ganz überein: "Unser Anspruch ist weitreichender."

Wie schon während des Wahlkampfs, so wird auch beim Einzug der AfD auf der parlamentarischen Bühne vieles von der Person Gauland abhängen. Dessen nachdenkliche Art wurde in der Vergangenheit auch von politischen Gegnern geschätzt. Dass er im Wahlkampf aber zum Beispiel von der Entstehung "riesiger Asylbewerber-Ghettos" sprach, brachte ihm nicht nur in Potsdam Kritik ein.

Die AfD hat vor allem mit den Themen Sicherheit und Flüchtlinge gepunktet

Tatsächlich dürften es vor allem die Themen innere Sicherheit und Flüchtlingspolitik gewesen sein, die der AfD nun Wähler zugetrieben haben. In Potsdam sagte Lucke, man müsse auch darüber nachdenken, an der Grenze zu Polen wieder Grenzkontrollen einzurichten. Im Wahlkampf hatte Gauland gesagt: "Lieber lasse ich mich Populist nennen, als den Wähler zu betrügen, indem ich über die wahren Probleme schweige."
Das Thema der Abgrenzung nach rechts dürfte Gauland auch im Landtag erhalten bleiben. Gleich hinter ihm auf der Liste wird Rainer van Raemdonck einziehen, der früher Landesvize bei der Partei "Die Freiheit" war. Die war einst von dem abtrünnigen Berliner CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz ins Leben gerufen worden - und hatte sich auf Islamkritik spezialisiert. Dem Tagesspiegel sagte van Raemdonck, er habe auf eine Art Sarrazin-Partei gehofft, mit deren Islamkritik dann aber nicht viel anfangen können. Auch da dies in Brandenburg kein großes Thema sei.

Die Aufnahme von Ex-"Freiheit"-Mitgliedern ist seit langem ein Streitpunkt in der AfD. Vor einem Jahr hatte die Bundes-AfD sogar einen weitreichenden Aufnahmestopp verhängt. Gauland hingegen sagte vor wenigen Tagen, man könne niemandem eine AfD-Mitgliedschaft verweigern, nur weil er für kurze Zeit "Mitglied in einer rechten Partei" gewesen sei. Die Linkspartei bestehe ja auch zu einem großen Teil aus Menschen, die sich einmal auf einem politischen Irrweg befunden hätten.

Wer sonst noch in den Landtag einzieht? Auf Platz drei kandidierte Franz Wiese, ein Maschinenbauer aus dem Kreis Märkisch Oderland. Speziell sind zumindest seine Vorstellungen von der Parlamentsarbeit: Aktenstudium und Ausschussarbeit werde er "seinem Referenten überlassen", hatte er anlässlich seiner Parteitagsbewerbung geschrieben. Stattdessen wolle er durch seinen Wahlkreis reisen. Weiter hinten, auf Platz 6, steht Thomas Jung, der sogar Landesvorsitzender der "Freiheit" war, auf Platz 7 Andreas Galau, für den die AfD bereits die vierte Partei ist - nach CDU, FDP und Republikanern. Auf Alexander Gauland, so er denn Fraktionschef werden will, dürfte als Landespolitiker also noch einige Arbeit zukommen.

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