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Thilo Sarrazin will gegen den Ausschluss aus der SPD wieder in Berufung gehen.
© imago images/Gerhard Leber
Update

„Rassistisch, herabwürdigend, diskriminierend“: So begründet die SPD den Parteiausschluss von Thilo Sarrazin

Auch ein Auftritt bei der FPÖ in Österreich spielt eine Rolle: Die Berliner SPD findet deutliche Worte für Thilo Sarrazin. Der will erneut in Berufung gehen.

Von Ronja Ringelstein

Mit sehr deutlichen Worten begründet die Landesschiedskommission der Berliner SPD den Ausschluss von Thilo Sarrazin aus der Partei. Sarrazin habe "durch sein Verhalten und seine Äußerungen erheblich, beharrlich und wiederholt gegen die Grundsätze der Partei verstoßen und der Partei dadurch schweren Schaden zugefügt".

Die Landesschiedskommission hat damit den Ausschluss des ehemaligen Finanzsenators und Bundesbank-Vorstands in zweiter Instanz bestätigt, die Begründung liegt seit Freitag vor. In dieser legt die Kommission dar, wie Sarrazin gegen den Grundsatz der Solidarität verstoßen hat, indem er beispielsweise an Wahlkampfveranstaltungen der rechten FPÖ aus Österreich teilnahm.

„Antimuslimischer Rassismus“

Auch einen Verstoß gegen das Grundsatzprogramm der SPD durch antimuslimischen Rassismus erkennt die Kommission und kommt zum Schluss, Sarrazin "bewegt sich seit Jahren im Grenzbereich des noch Hinnehmbaren." Er sei wiederholt zur Einhaltung der Grundsätze der SPD gemahnt worden und habe die Grenze des noch zu Tolerierenden mit seiner Buchveröffentlichung und seinen öffentlichen Auftritten in den Jahren 2018 und 2019 "nunmehr deutlich überschritten".

In erster Instanz hatte zunächst die Kreisschiedskommission im Juli 2019 auf Parteiausschluss Sarrazins entschieden. Dabei hatte sich die Kommission unter anderem darauf gestützt, dass das 2018 unter dem Titel "Feindliche Übernahme" veröffentlichte Buch "in seiner antimuslimischen Stoßrichtung klar als rassistisch anzusehen" sei. Gegen diese Entscheidung war Sarrazin in Berufung gegangen, die wurde jetzt als unbegründet zurückgewiesen.

Auftritt mit Strache von der FPÖ sei unsolidarisch

Im Einzelnen sieht die zweite Instanz durch einen Auftritt bei einer Wahlkampfveranstaltung der FPÖ im März 2019 einen "groben und erheblichen Verstoß gegen die Solidarität". Nach Auftritten bei der FPÖ in den Jahren davor hatte die damalige SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi Sarrazin abgemahnt, dennoch trat Sarrazin im März letzten Jahres erneut in Wien an der Seite von Heinz-Christian Strache und anderen FPÖ-Spitzenleuten auf.

Die Veranstaltung galt als Wahlhilfe für den FPÖ-Wahlkampf zur Europawahl. "Dass der Antragsteller [...] diese Veranstaltung [...] nicht als Wahlkampfveranstaltung wahrgenommen haben, sondern nur einer Einladung im Rahmen einer Lesung aus seinem Buch gefolgt sein will", sieht die Schiedskommission als "unglaubwürdige Schutzbehauptung".

„Verstoß gegen Grundsätze der SPD“

Auch auf Sarrazins Äußerungen in seinem Buch "Feindliche Übernahme" geht die Kommission, wie die Instanz zuvor, ein und bestätigt den darin erkannten "erheblichen Verstoß gegen Grundsätze der SPD". Sarrazins Analyse und Schlussfolgerungen "zeigen trotz des erkennbaren Bemühens um Wissenschaftlichkeit deutlich antimuslimisch-rassistische Denkmuster und stehen in eklatantem Widerspruch zur [...] Programmatik der SPD.

In seiner Veröffentlichung spricht Sarrazin unter anderem von einer "signifikant unterdurchschnittlichen Bildungsleistung der Muslime", die er mit dem "kulturellen Einfluss des Islam" begründet. Er spricht von einer kulturellen Prägung "im Sinne von Passivität" und "geringem Bildungseifer". Auch schreibt er Muslimen "gewaltsames Expansionsstreben" zu, insgesamt stellten Muslime laut Sarrazin eine Bedrohung dar. Er rät dazu, dass sich die "fortgeschrittenen Teile der Welt" gegen "Masseneinwanderung aus den rückständigen Regionen abschirmen" oder auf eine "Welle der Gewalt vorbereiten" müssten.

Die Kommission schreibt hierzu, dass "gesellschaftliche Probleme schonungslos debattiert werden müssen". Allerdings könne eine Partei wie die SPD, die ein "aufgeklärtes und emanzipatorisches Menschenbild" in das Zentrum ihres Selbstverständnisses stelle "keine monokausalen Erklärungsmuster gutheißen, die die Ursache aller Probleme im Wesentlichen allein einer unabänderlichen kulturellen Prägung durch den Islam zuschreibt."

Sarrazin spricht von Meinungsfreiheit

Der 74-jährige Sarrazin hingegen hat vorgebracht, das alles sei Teil seiner Meinungs- und Berufsfreiheit, deshalb müsse die Partei seine Veröffentlichungen hinnehmen.

Dazu meint die Kommission nun: "Rassistische, herabwürdigende, diskriminierende verbale Rundumschläge gegen weite Bevölkerungsschichten und -gruppen liegen außerhalb des Toleranzbereichs." Die Berufsfreiheit sei außerdem gar nicht berührt, da Sarrazin schließlich in keinem Beschäftigungsverhältnis zur SPD stehe.

Sarrazin sagt, er habe sein Parteibuch verloren

Wahrscheinlich ist, dass nun eine dritte Runde – diesmal vor der Schiedskommission des Bundes – folgen wird. Sarrazins Anwalt hat die Berufung innerhalb der nächsten zwei Wochen bereits angekündigt.

Sein Parteibuch muss Sarrazin dann aber wohl in keinem Fall abgeben, denn, so behauptet er, er habe es verloren. "Die Ausstellung eines neuen Mitgliedsbuches zu beantragen, nur um es nach Erhalt sofort wieder bei der Schiedskommission abzugeben, wäre einer "sinnentleerten Förmelei" gleichgekommen.

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