Ex-Finanzminister vor SPD-Ausschluss: Berliner SPD bejubelt Urteil gegen Thilo Sarrazin
Die SPD-Schiedskommission Charlottenburg-Wilmersdorf hat beschlossen, dass Sarrazin aus der SPD geworfen werden darf. Das führt zu Begeisterung in Berlin.
In der Berliner SPD war der Jubel groß. Die Entscheidung der Kreisschiedskommission Charlottenburg-Wilmersdorf, dass der ehemalige Finanzsenator Thilo Sarrazin aus der Partei geworfen werden darf, stieß am Donnerstag auf einhellige Zustimmung. „Es ist gut, dass der Rassist rausfliegt und damit die SPD nicht länger missbraucht, um seine rechte Hetze zu verbreiten“, sagte der Vize-Landeschef der Partei, Julian Zado, dem Tagesspiegel. Sarrazin missachte die Grundwerte der SPD nicht nur, er trete sie mit Füßen.
Obwohl die rechtlichen Hürden für einen Ausschluss hoch seien, so Zado, sei es richtig zu zeigen, dass die Sozialdemokraten Rassismus unter keinen Umständen tolerierten. Ähnlich zufrieden mit dem Schiedsspruch war der Vorsitzende des SPD-Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf, Christian Gaebler. Er lobte die „klare und substantiierte Begründung“ des Urteils gegen Sarrazin, der seit seinem beruflichen Wechsel aus Rheinland-Pfalz nach Berlin im Januar 2002 im Ortsverband Westend organisiert ist, sich dort aber schon lange nicht mehr sehen lässt.
Von einer „überfälligen Entscheidung“ sprach am Donnerstag die Landesvorsitzende der Jungsozialisten, Annika Klose. Wer Rassismus propagiere und der „Neuen Rechten“ den Weg bereite, habe jegliches Recht verloren, sich Sozialdemokrat zu nennen. Die SPD stehe für das Gegenteil der Sarrazin’schen Thesen ein, sagte Klose dem Tagesspiegel. „Für mehr Freiheit und Gerechtigkeit und als Bollwerk gegen rechts.“ Die Partei weine ihm keine Träne nach und wünsche ihm „und allen anderen Rassisten“ für ihre politische Zukunft möglichst keinen Erfolg.
Der prompten Aufforderung der Berliner AfD, sich ihren Reihen anzuschließen, wird Sarrazin allerdings nicht folgen. Der AfD-Sprecher Ronald Gläser nannte den noch nicht rechtskräftigen Rauswurf einen „krassen Verstoß gegen die Regeln innerparteilicher Demokratie“. Sarrazin sei eingeladen, „bei uns mitzuarbeiten“. Schließlich sei die AfD gerade in früheren SPD-Hochburgen wie Spandau oder Neukölln stark, weil ein Teil der SPD-Wähler, die sich früher durch Politiker wie Sarrazin repräsentiert sahen, „der Partei Kühnerts, Cheblis und Salehs den Rücken gekehrt haben“.
Er habe die Glaubwürdigkeit der Partei in Frage gestellt
Ein sehr entspannter Thilo Sarrazin machte aber am Donnerstag gegenüber dem Tagesspiegel deutlich, dass er sein SPD-Parteibuch bis zur letzten Instanz vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen werde. Die SPD habe in erster Instanz leider nicht die Kraft gefunden, eine andere Entscheidung „im Interesse der Meinungsfreiheit und der innerparteilichen Demokratie“ zu treffen. Als einfaches Mitglied sei er gern bereit, die Erneuerung der SPD mitzutragen.
Seit 2009 verbreitet der Ex-Finanzsenator seine umstrittenen Thesen zur Migration und der Rolle des Islam mit großer öffentlicher Resonanz in Büchern und Aufsätzen, auf Veranstaltungen und in Interviews. Dies führte zu insgesamt drei Parteiordnungsverfahren, zweimal entging Sarrazin dem Ausschluss aus der SPD.
Jetzt urteilte das Kreisschiedsgericht in Charlottenburg-Wilmersdorf, dass der erneute Ausschlussantrag begründet sei, weil Sarrazin „erheblich gegen die Grundsätze der Partei verstoßen und ihr dadurch schweren Schaden zugefügt hat“. Er beschreibe in seinen Analysen die hier lebenden Muslime als gegenüber der angestammten Bevölkerung weniger wertvoll, steht in der elfseitigen Entscheidung, die dem Tagesspiegel vorliegt. Dies sei „klar rassistisch“.
Dieser antimuslimische Rassismus, so die Kommission, stehe mit seinem diskriminierenden, abwertenden und den Rechtsstaat aushöhlenden Inhalt in eindeutigem Widerspruch zum Menschenbild der Sozialdemokratie und dem Grundverständnis der SPD von Rechtsstaat und völkerrechtlichen Regeln. Die von Sarrazin geforderte Begrenzung der Zuwanderung aus „Gründen der Religion“ verletze das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz.
Außerdem wird dem Berliner Genossen vorgehalten, dass er bei Wahlveranstaltungen der rechtspopulistischen FPÖ in Wien im Oktober 2015 und beim sogenannten Hambacher Fest im Mai 2018 aufgetreten sei. Damit habe er sich mit Gegnern der SPD bzw. deren Bruderpartei SPÖ gemeingemacht und zu erkennen gegeben, „dass er diesen näher steht als der Partei, der er angehört“.
Dies ist nach Ansicht der Schiedskommission ein Verstoß gegen die innerparteiliche Solidarität. Unter dem Mantel seiner SPD-Mitgliedschaft habe er durch die Verbreitung antimuslimischer und kulturrassistischer Äußerungen die Glaubwürdigkeit der Partei in Frage gestellt. Im Rahmen der Verhandlung vor der Schiedskommission habe Sarrazin nicht überzeugend darlegen können, warum er die SPD auch heute noch als politische Heimat ansehe.