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Freuen sich: Siemens-Chef Joe Kaeser und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller
© Reuters/Hannibal Hanschke
Update

Innovationscampus in der Hauptstadt: Siemens-Investition: Jubel und Sorge

Politik und Wirtschaft feiern den geplanten Siemens-Innovationscampus. Doch der Bezirk warnt vor Verdrängung und Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze

Die wichtigste Nachricht war schon am Vorabend bekanntgeworden: Siemens investiert 600 Millionen Euro in Berlins Zukunft. Details dieser Investition, mit der unter anderem ein Campus für Forschung, Wissenschaft und Wohnen in der Hauptstadt geschaffen werden soll, gaben Siemens und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller am Mittwochmorgen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz bekannt.

Dort wurde zu Beginn der Veranstaltung bestätigt, was der Tagesspiegel schon am Vorabend gemeldet hatte: Der von Siemens geplante Innovationscampus mit Investitionen von bis zu 600 Millionen Euro wird in Berlin verwirklicht. Diese Standort-Entscheidung hat Siemens beschlossen, mit der Landesregierung wurde am Mittwoch in Berlin eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet.

Eine Investition dieses Umfangs durch ein einzelnes Unternehmen hat es in Berlin seit Jahrzehnten nicht gegeben. Ziel ist es laut Siemens, das Areal in Spandau bis zum Jahr 2030 zu einem Technologiepark zu entwickeln. Es soll demnach auch ein "urbaner Stadtteil der Zukunft" entstehen. Das Gründungskonzept der Siemensstadt im Jahr 1897 habe darin bestanden, Arbeiten, Forschung und Wohnen zu vereinen, erklärte Siemens-Chef Joe Kaeser. Auch heute müsse die Zukunft der Arbeit neu gedacht werden.

Es gehe um ein „vernetztes Ökosystem mit flexiblen Arbeitsbedingungen, gesellschaftlicher Integration und bezahlbarem Wohnraum“, sagte Kaeser. Für die Ansiedlung in Berlin hatte Siemens vom Senat Zugeständnisse verlangt, etwa beim Denkmalschutz und bei Baurechten auf dem Gelände, auf dem das alte Dynamowerk und das Schaltwerk stehen. Zudem müsse die Verkehrsanbindung verbessert und die Ausstattung mit Breitband-Internet sichergestellt werden.

"Das ist ein sehr guter Tag für Berlin! Danke an alle, die das im Senat, in den Verwaltungen und im Bezirk möglich gemacht haben", twitterte der Regierende Bürgermeister. Aus seiner Sicht wird das Siemens-Bekenntnis zu Berlin Impulse für die nächsten 20 Jahre setzen: „Es werden Arbeitsplätze entstehen, der Wissenschaftsstandort wird profitieren, und die Infrastruktur wird auch entwickelt werden.“

Auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bejubelte das Ereignis per Twitter.

In den vergangenen Monaten habe man die Voraussetzungen dafür geschaffen, "dass Siemens in den Wirtschaftsstandort Berlin investiert. Der Einsatz hat sich gelohnt: Wir haben uns gegen die internationale Konkurrenz durchgesetzt", so Pop weiter. Ausdrücklich bedanke sie sich "bei allen Akteuren für die konstruktiven Verhandlungen" - auch bei den Siemens-Mitarbeitern, die "maßgeblich an der Erarbeitung des Konzepts" beteiligt gewesen seien. "Der Innovations-Campus sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern schafft auch neue", so Pop.

Julian Mieth, stellvertretender Senatssprecher, wies ebenfalls auf Twitter darauf hin, dass Pop noch einen anderen Grund zum Feiern hat: Ihren Geburtstag.

Freude auch beim Spandauer Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD), aus dem Urlaub schickte er ein digitales Lächeln in die Welt. Auf Nachfrage eines anderen Twitter-Nutzers räumt er allerdings ein, dass - wie berichtet - der Wegfall von etwa der Hälfte der Arbeitsplätze im Dynamowerk ein "Wermutstropfen" sei. Außerdem erneuerte er bei Twitter Spandaus Einladung an Google, sich nach dem Kreuzberg-Aus hier anzusiedeln: "Auch Google wäre dort willkommen."

Bezirksbürgermeister warnt vor Verdrängung

Kleebank weist aber in einer Mitteilung des Bezirks auch darauf hin, "bei allem Optimismus" besonders auf die Mieter und Beschäftigten in der Siemensstadt zu achten. "Der neue zu schaffende Wohnungsbestand sollte überwiegend in die Hand der städtischen Wohnungsunternehmen kommen", fordert Kleebank - das sei die beste Garantie gegen Mietenwucher und Verdrängung. Maren Kern aus dem Vorstand des Verbandes der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) begrüßte die Entscheidung, nun müsse aber auch gezeigt werden, dass "Berlin Neubau kann".

Auf Twitter meldete sich auch ein Nutzer zu Wort, offenbar Mitarbeiter im Schaltwerk - auch als Dynamowerk bekannt. "Wir Schaltwerker begrüßen die Entscheidung, jedoch bangen wir um unsere Arbeitsplätze. In den letzten Monaten ist hier viel passiert und das nicht zum Vorteil", so der User.

"Einfach fantastisch" findet Daniel Buchholz, Sprecher für Stadtentwicklung der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und direkt gewählter Abgeordneter für die Siemensstadt, die Entscheidung. Angesichts des geplanten Stellenabbaus - 700 Stellen in Dynamo- und Gasturbinenwerk in den nächsten Jahren - hält Buchholz die Entstehung von neuen Arbeitsplätzen auf dem neuen Campus für "notwendig". Und: "Mit dem von mir seit mehreren Jahren geforderten Wiederaufbau der Siemens-S-Bahn wäre das Glück perfekt" , so Buchholz weiter, dafür werde er sich "weiter mit aller Kraft einsetzen".

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete das Vorhaben als einen "großen Erfolg und eine Auszeichnung für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland". Mit dem Innovationscampus knüpfe Siemens an seine "Ursprünge, Erfolge und lange Tradition in der Hauptstadt" an.

Beatrice Kramm, Präsidentin der IHK Berlin, bezeichnet die Entscheidung des Siemens-Vorstandes als "großartigen Beleg für die starke Wirtschaftsentwicklung der Stadt". Berlin sei ein herausragender Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion, Unternehmen wie Siemens "vereinen diesen Dreiklang und finden in der Hauptstadt den Nährboden dafür". Zudem zeige die Siemens-Entscheidung, "dass sich aktive Wirtschaftspolitik und konstruktives Entgegenkommen für Unternehmen, Senat und damit die ganze Stadt lohnen".

Für Birgit Steinborn, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates der Siemens AG, ist die Siemens-Investition "das richtige Signal in Zeiten des globalen Strukturwandels": "In Berlin wird ein Leuchtturm geschaffen, der nachhaltige Schlüsseltechnologien und Innovationsfelder mit zukunftsfähigen Arbeits- und Lebenswelten für die Menschen über Ländergrenzen verbinden kann." Sollte es gemeinsam mit Unternehmen, Wissenschaft, Politik, Betriebsräten und Gewerkschaften den Strukturwandel bei Siemens mit den Werten des Unternehmens wie Pioniergeist und sozialer Verantwortung anzugehen, so Steinborn, sei das ganz im Sinne des Firmengründers, Werner von Siemens.

(mit AFP und dpa)

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