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Alles auf Elektro. Moia kutschiert seine Kunden nur mit E-Bussen.
© promo

Elektromobilität in Berlin: Senatorin Günther vertagt die mobile Revolution

Der Fahrdienstleister Moia würde gerne mit Elektrobussen durch Berlin fahren. Ausgerechnet die von den Grünen bestellte Verkehrssenatorin verhindert das.

Das Geschäftsmodell des Berliner Start-ups Moia passt eigentlich perfekt zu den Vorstellungen von Regine Günther. Denn die Verkehrssenatorin, die von den Grünen berufen wurde, lässt keine Gelegenheit aus, um für einen Umbau Berlins hin zur Vorzeigemetropole für moderne, umweltfreundliche Mobilität zu werben. Der Fahrdienstleister Moia wiederum transportiert mit einem eigens entwickelten Elektrokleinbus Passagiere, die sich zuvor per Smartphone-App einen Platz reserviert haben. In Hamburg startet das Unternehmen sein Angebot im April mit 100 Elektrofahrzeugen (siehe Bild), in Hannover soll die bislang benzinbetriebene Flotte in den kommenden zwei Jahren elektrifiziert werden.

Nach den ersten sechs Monaten Regulärbetrieb in Hannover und vor dem Start des Sammeltaxi-Projekts in Hamburg im April plant der VW-Shuttle-Service Moia bereits eine weltweite Expansion. Mit über 50 weiteren Städten befinde man sich im Gespräch, berichtet der Geschäftsführer des in Berlin ansässigen Unternehmens, Ole Harms: „Moia hat globale Ambitionen.“

Doch ausgerechnet vor der eigenen Haustür muss die 100-prozentige Volkswagen-Tochter ihre ehrgeizigen Ziele vorerst begraben. Das Ressort von Verkehrssenatorin Günther verweigert Moia die Genehmigung für den Shuttle-Service mit VW-Bussen. „Im Moment scheint der Wille noch nicht ausreichend vorhanden zu sein, uns als Anbieter zu begrüßen“, beklagt Harms im Gespräch mit dem Tagesspiegel diplomatisch das klare Nein des Senats. „Berlin ist für uns natürlich superattraktiv, nicht zuletzt weil sich hier der Stammsitz unserer Firma befindet.“ Daher gebe man die Hoffnung auch nicht auf, das Angebot „irgendwann mal nach Berlin bringen können“.

Berlin verweigert Genehmigung

Im August hatte Moia beim zuständigen Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) einen Antrag auf Genehmigung eines „Pooling Shuttles“ im Erprobungsverkehr mit 1000 Fahrzeugen gestellt. Ende Oktober teilte die Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr dem Unternehmen mit, dass eine Ausnahmegenehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz für das Konzept in Berlin nicht in Aussicht gestellt könne. Der formelle Negativbescheid durch das Labo steht noch aus, soll laut Verkehrsverwaltung aber voraussichtlich in Kürze erfolgen.

„Die Gründe für die Ablehnung liegen nach den Berliner Gegebenheiten auf der Hand“, erklärt Behördensprecher Jan Thomsen. Es gebe bereits zwei Ausnahmegenehmigungen zum Test von Ridepooling-Modellen, nämlich für den „Berlkönig“ der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit 100 Fahrzeugen in der östlichen Innenstadt sowie für den „CleverShuttle“ der Deutschen Bahn mit derzeit 30 Fahrzeugen im Westen der Stadt. „Berlin verfolgt das Interesse, mit diesen Erprobungen belastbare Erkenntnisse zu den Auswirkungen auf die private Mobilität, den öffentlichen Nahverkehr und das Taxigewerbe zu erhalten“, sagt Thomsen. „Weitere Probebetriebe mit ähnlichen Konzepten auf dem gleichen Gebiet wären dabei kontraproduktiv.“

Zudem widersprächen öffentliche Verkehrsinteressen dem Wunsch von Moia. Im Umweltverbund der Hauptstadt habe der ökologisch besonders nachhaltige Bahn-, Bus-, Rad- und Fußverkehr Vorrang. Ziel sei es, dort das Verkehrsaufkommen zu steigern. „Ride-Pooling“ sei zwar nicht ausgeschlossen, dürfe aber nicht zu einer Zunahme des Kfz-Verkehrs führen. Das Konzept von Moia, mit 1000 Kleinbussen und einem flexiblen Tarifsystem Beförderung anzubieten, stehe dem „eindeutig entgegen“.

Kritik von Verbänden und Opposition

„Kontraproduktiv ist das was der Senat macht“, erwidert hingegen Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands Elektromobilität (BEM). „Die ganze Welt hat mittlerweile begriffen, dass die urbanen Räume entlastet werden müssen – egal ob durch Vermittlungsdienste wie Moia oder Carsharing-Angebote.“ Der Senat vergebe daher ein große Chance, ist sich Sigl sicher: „Die Reaktion der Verwaltung ist völlig unverständlich für mich.“

Gänzlich überrascht scheint der Verbandspräsident allerdings nicht zu sein: „Es ist extrem anstrengend, den Ausbau der Elektromobilität in Berlin voranzubringen“, sagt er. „Das haben wir schon gemerkt, als es darum ging, eine Infrastruktur für Ladesäulen aufzubauen: Die einzelnen Bezirke haben da an jeder Stelle blockiert“, sagt er. „Für Unternehmen aus dem Bereich Elektromobilität ist Berlin alles andere als ein attraktiver Markt.“

Auch die Opposition kritisiert die Absage des Senats an den Fahrdienstleister. „Wenn private Anbieter höhere Serviceleistungen, mehr Fahrkomfort, längere Strecken für die Fahrgäste anbieten, lässt sich eine Ablehnung nicht fundiert begründen“, sagt Florian Swyter, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP im Abgeordnetenhaus. „Ziel muss es sein, für die Anbieter von Beförderungsdienstleistungen wie für alle Marktteilnehmer faire Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen.“ Die Absage der Senatsverwaltung, mit Moia einen weiteren Pooling-Dienst durch einen privaten Betreiber probeweise durchführen zu lassen, werfe Fragen nach dem fairen Zugang zum Beförderungsmarkt auf. „So sollten Erprobungen von neuen, innovativen Angeboten im Markt der Beförderungsdienstleistungen nicht allein öffentlichen Personenbeförderungsunternehmen vorbehalten bleiben“, sagt Swyter.

Hamburg macht es vor

Anders als an der Spree ziehen an der Elbe Politik und die Hamburger Hochbahn AG geradezu begeistert bei dem Moia-Projekt mit, feiern es als umweltfreundliche Ergänzung zum bestehenden Verkehrsangebot. „Ridesharing-Dienste schließen die Lücke zwischen Taxi und öffentlichem Nahverkehr“, sagte Hamburgs Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos) bei der Präsentation. „Einzelfahrten werden reduziert, der Stadtverkehr insgesamt entlastet.“ In der Hansestadt will Moia die Flotte auf 500 Kleinbusse aufstocken.

Während in Hamburg bronzefarbene Mini-Busse auf Basis eines zu 70 Prozent modifizierten VW-Crafters unterwegs sind, fahren durch Hannovers City derzeit 75 benzingetriebene, dunkelblaue Bullis des T-6-Modells. Binnen vier Jahren soll hier aber ebenfalls die gesamte Flotte elektrisch fahren. 60 000 Bürger der niedersächsischen Landeshauptstadt haben sich inzwischen bei dem Shuttle-Service angemeldet.

Trotzdem läuft das angestrebte Pooling- Prinzip, bei dem sich mehrere Fahrgäste eine Tour oder zumindest deren Abschnitte teilen, noch nicht rund. „Zu Beginn ist es uns nicht gelungen, Fahrten zu bündeln“, gibt Moia-Co-Chef Robert Henrich zu. Aber nachmittags und abends erreiche die Quote der geteilten Fahrten, also mit mehreren Fahrgästen, mittlerweile gute 50 bis 60 Prozent.

Das Geschäftsmodell ist in beiden Städten gleich. Per App ordern Kunden ein Fahrzeug, geben Start, Ziel und Passagierzahl ein. Binnen Sekunden tauchen auf dem Display Ein- und Ausstiegspunkte, die ungefähren Zeiten und ein verbindlicher Festpreis auf. Bei Buchung wird dieser über die hinterlegte Kreditkartennummer bezahlt.

Die Preise variieren je nach Nachfrage, sind also im Berufsverkehr teurer als vormittags. Sie sind zwar günstiger als ein klassisches Taxi, müssen aber immer gemäß behördlicher Auflage spürbar über dem eines Tickets für Bus und Bahn liegen. Die Taxiwirtschaft in Hamburg gibt sich bislang dennoch gelassen. Den neuen Shuttle-Service nehme man als „sportliche Herausforderung“ an, erklärte ein Sprecher des Unternehmens Hansa-Taxi.

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