zum Hauptinhalt
Im Kampf gegen Mieterverdrängung ernennen die Bezirke immer mehr neue Erhaltungsgebiete. Nun dreht der Senat den Geldhahn zu.
© imago/Christian Mang

Kürzungen bei Berliner Bauämtern: Senat streicht Stellen für Bekämpfung der Wohnungsnot

Ausgerechnet im Mieterschutz dreht der Senat den Bezirken den Geldhahn zu. Dabei herrscht Personalnotstand, weil die Stadt und die Aufgaben wachsen.

Die Personalnot in den Bezirken sorgt erneut für Zoff mit dem Senat. Ausgerechnet in der Bekämpfung der Wohnungsnot, die von der Koalition zur wichtigsten Aufgabe in dieser Legislaturperiode erklärt wurde, verweigert der Senat die weitere Finanzierung bestehender Stellen.

Betroffen sind Mitarbeiter der Ämter für Stadtentwicklung, die für den Schutz der Mieter in sozialen Erhaltungsgebieten eingesetzt werden. Dabei zerstören dort Entmietung und Verdrängung infolge der stark wachsenden Bevölkerung die „Berliner Mischung“ und ihre soziale und kulturelle Vielfalt in den Kiezen.

„Das ist eine kleinliche politische Fehlentscheidung“, sagt Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen bei der Grüne-Fraktion. Von dem Finanzierungsstopp in Ämtern für Bauen und Stadtentwicklung erfuhr sie durch eine Anfrage beim Senat. „Wir haben so viele Überschüsse, da kann sich der Senat nicht aus der Pflicht zur Bekämpfung der Immobilienspekulation herausziehen.“

Zumal der Senat den Bezirken immer mehr Aufgaben übertrage: Zuletzt verpflichtete er sie durch Bündnisse zur Planung und Genehmigung Tausender Wohnungen. Ohne Kontrolle der Investoren sei die Ausweisung von Erhaltungsgebieten nutzlos.

Ausnahmezustand in den Ämtern

In dem neuen Fall geht es zwar nur um sechs Stellen. Der Aufschrei ist aber trotzdem so laut, weil ohnehin schon Ausnahmezustand in den Ämtern für Bauen und Stadtentwicklung herrscht. „Wohnungsneubau, Vorkaufsrecht, Schulbau, Mobilitätsgesetz, alles neue Aufgaben, für die Mitarbeiter abgezogen werden“, sagt der Chefplaner und stellvertretende Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg Jörn Oltmann. 

Zur Bekämpfung der Verdrängung von Mietern in Milieuschutzgebieten sind in seinem Bezirk zwei Mitarbeiter im Einsatz. Statt Stellen zu streichen, bräuchte es doppelt so viele Mitarbeiter, so Oltmann. Zumal der Bezirk vier neue Gebiete unter Milieuschutz stellen musste, acht sind es nun insgesamt. Und weil die Spekulanten-Karawane weiterzieht an den Rand des Bezirkes, sollen weitere Lagen folgen, Mariendorf zum Beispiel.

Zumal die Rettung des bunten Berlin oft mit einem Kleinkrieg verbunden ist, um die Auslegung von Gesetzen sowie zeitraubenden Verhandlungen mit Investoren: Ob beim Hineingrätschen in Spekulationsgeschäfte durch die Anwendung des Vorkaufsrechts oder beim Abschluss von „Abwendungsvereinbarungen“ mit Bauträgern, damit die Sanierungskosten nicht explodieren und mit diesen die Kostenumlage auf die Mieter.

Vieles davon läuft unter Zeitdruck, weil Fristen einzuhalten sind. „Ohne Personal ist das doch kein Zustand“, sagt Oltmann, und: „Wenn der Senat mit uns die Wohnungsnot bekämpfen will, muss er die Bezirke unbedingt personell stärken“.

Abfuhr aus dem Hause Lompscher

Eine Abfuhr bekommen die Bezirke ausgerechnet aus dem Hause der Senatorin für Wohnen Katrin Lompscher (Linke), die sich eigentlich dem Mieterschutz verschrieben hat. Deren Staatssekretär Sebastian Scheel (ebenfalls Linke) beruft sich auf eine Vereinbarung aus lange vergangenen Jahren: „2015 wurde die Einführung der Umwandlungsverordnung beschlossen“, und damals sei „eine auf zwei Jahre befristete Anschubfinanzierung (für die Stellen; Anm. d. Red.) zugesagt“ worden. Davon hätten sechs Bezirke Gebrauch gemacht.

Jetzt sei eben Schluss mit der Starthilfe: „Die Bezirke verfügen über ausreichend Mittel, um den bestehenden Personalbestand sowie zusätzliches Personal zur Erfüllung der Richtlinien der Regierungspolitik zu finanzieren“, glaubt Scheel.

Dabei hat sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt gerade in den letzten drei Jahren extrem verschärft, weil zuletzt 60 000 zusätzliche Bewohner jährlich in die Stadt strömten. Und der neueste Hilferuf aus den Bezirken ist ein weiteres Beispiel für deren Personalnot.  

Weil Berlin seit Langem infolge des Sparkurses unter massivem Sanierungsstau leidet – allein bei den Kulturbauten der Bezirke müssten mindestens 375 Millionen Euro investiert werden –, fordern immer mehr Politiker wie der Grünen-Vorsitzende Daniel Wesener Konsequenzen: Mehr Geld für Personal in den Bezirken und eine bessere Bezahlung, weil sie am Arbeitsmarkt zurzeit „nicht konkurrenzfähig“ seien.

Zur Startseite