700 Wohnungen statt Freifläche: Senat reißt Bauplanung für Mauerpark an sich
Die Anwohner dürfen nicht mehr über die Bebauung des Mauerparks mitentscheiden. Der Berliner Senat entzieht dem Bezirk Mitte die Planung, da die Fläche von gesamtstädtischer Bedeutung sei. Damit hebelt er die Bürgerbeteiligung aus.
Der Senat entzieht dem Bezirk Mitte die Planung für die Neubauten am Mauerpark – und will bis Ende des Jahres verbindliches Baurecht auf dem umkämpften Areal schaffen. Dies sagte Bausenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch. Die Entscheidung über den Bau von 700 Wohnungen sei „keine Frage mehr, die in der Nachbarschaft entschieden wird“, sie sei vielmehr von gesamtstädtischer Bedeutung. In den vergangenen Jahren sei die Bevölkerung Berlins um rund 174 000 Menschen gewachsen und die neu hergezogenen Menschen drängten auf den ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt. Deshalb müssen Berlin „alle Instrumente“ zur Bekämpfung der Wohnungsnot einsetzen – und dazu gehöre auch der Neubau wie beim Projekt am Mauerpark.
„Wir sind als Regierung gewählt, um zu regieren – und das tun wir jetzt“, sagte Geisel. Es gelte dem „Risiko weiterer Verzögerungen“ zu begegnen. Die Baupläne seien seit Jahren mit den Bewohnern und Nutzern des Mauerpark diskutiert und wiederholt an die Bedürfnisse der Bürgerschaft angepasst worden. Nun sei ein „Punkt der Verbindlichkeit“ erreicht, der nicht wieder infrage gestellt werden dürfe, sonst werde die Stadt handlungsunfähig.
Knapp 700 Wohnungen sollen gebaut werden
Der Mauerpark ist nach den Buckower Feldern das zweite große Bauvorhaben, das der Senat an sich zieht. In beiden Fällen hatten sich Anwohner und Gegner der Bauprojekte formiert. Im Fall des Mauerparks werden bereits Unterschriften gesammelt, um einen Bürgerentscheid auf den Weg zu bringen. Der Senat zieht das Projekt zu einem Zeitpunkt an sich, an dem die Baupläne öffentlich ausgelegt werden und die Bürger ihre Einwendungen äußern können.
Auf einer Fläche von dreieinhalb Hektar sollen fast 700 Wohnungen entstehen, 70 Prozent davon als Mietwohnungen. 120 Wohnungen baut das landeseigene Wohnungsbauunternehmen Gewobag, 122 sind frei finanzierte Wohnungen privater Investoren. Außerdem sollen 219 Studentenwohnungen entstehen sowie 194 Eigentumswohnungen. Hinzu kommen 43 seniorengerechte Wohnungen und eine Kita mit 80 Plätzen.
Grüne und Linke kritisieren die Pläne scharf
Die Opposition kritisierte den Griff des Senats nach der Bauplanung am Mauerpark scharf. Von einer „unfassbar arroganten Haltung gegenüber den Berlinern“, sprach die Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion Antje Kapek. Der Bebauungsplan sei erst vor rund einer Woche ausgelegt worden. Dass Geisel das Verfahren nun an sich ziehe, „macht deutlich, dass er kein Interesse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung über das Bauvorhaben hat“. Der Senat habe nichts vom Debakel in Tempelhof gelernt und „Angst vor einer zu starken Stadtgesellschaft“. Von einem „starken Stück“ sprach Klaus Lederer von der Linksfraktion. Die bestehenden Baupläne für den Mauerpark sähen „eine Luxussiedlung und kein Projekt des sozialen Wohnungsbaus“ vor. Von einer „Bankrotterklärung für das Konzept der Sozialen Stadt“ sprach Lederer deshalb. Der Senat agiere als „Flächenscout für die Immobilienwirtschaft“. Der starke Zuzug und die Wohnungsnot seien „die Legitimation zur Verscherbelung der Stadt“, so Lederer. „Jeder kriegt sein Baugenehmigung zu jedem Preis“.
CDU begrüßt das Bauvorhaben
Dagegen begrüßte der Koalitionspartner CDU die Maßnahme: „Mit der Ankündigung, das Bebauungsverfahren Mauerpark in die Zuständigkeit des Senats zu überführen, macht Stadtentwicklungssenator Geisel von den eigens dafür geschaffenen Regeln Gebrauch“, sagte Matthias Brauner, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion. Damit werde sichergestellt, dass das Wohnungsbaupotential von 700 Wohnungen ohne Verzug realisiert und die guten Vorarbeiten des Bezirks Mitte fortgeführt werden. Heiner Funken von der Mauerpark-Allianz kündigte heftigen Widerstand gegen die Baupläne an.
Ralf Schönball