Ein neues Stadion für Hertha BSC?: Senat prüft Standort Tegel – Grüne strikt dagegen
Vier Prüfungen sind angeordnet: Die Regierungszentrale übernimmt die Steuerung der Standortsuche für ein Hertha-Stadion. Bisher spricht einiges gegen Tegel.
Im Olympiapark soll Hertha BSC kein Fußballstadion bauen – und der Plan B funktioniert voraussichtlich auch nicht. Zwar hat die Senatskanzlei kurzfristig das Thema an sich gezogen und die Stadtentwicklungs-, Umwelt- und Wirtschaftsverwaltung gebeten, den alternativen Standort Tegel zu prüfen. Doch bisher überwiegt die Einschätzung, dass fast alles gegen eine Hertha-Arena auf dem Gelände des Flughafens TXL spricht. Das gilt für den Naturschutz, das Planungsrecht und die mangelhafte Verkehrsanbindung.
Ein Koalitionspartner legte bereits sein Veto ein. „Aus Sicht der Grünen gibt es keine Möglichkeit, in Tegel ein Stadion zu bauen“, sagte deren wirtschafts- und sportpolitische Sprecherin Nicole Ludwig dem Tagesspiegel. „Es ist nicht erkennbar, wo man dem geplanten Forschungs- und Industriepark dafür 55 Hektar wegnehmen könnte.“ Es sei auch völlig schleierhaft, wie die Anbindung des Areals an den öffentlichen Personennahverkehr bis zur Eröffnung der neuen Arena 2025 ausreichend verbessert werden könnte, um alle zwei Wochen 50.000 Fans dorthin zu bringen. Auch der Landschaftsschutz spreche gegen das Projekt.
Der SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz ist ebenfalls sehr skeptisch. Er erinnert daran, dass die Fläche im Nordwesten Berlins nach der Schließung des Flughafens Tegel weitgehend durchgeplant ist. Dort sollen nicht nur die „Urban Tech Republic“, sondern auch der Grünraum „Tegeler Heide“, das Kurt-Schumacher-Wohnquartier und das gemischte Baugebiet „Tegel Nord“ entstehen.
Die dafür notwendigen Änderungen des Flächennutzungsplans und die Bebauungspläne sind beschlossen oder weit vorangeschritten. Die Umplanung einer über 50 Hektar großen Teilfläche sei zwar machbar, sagte Buchholz. „Aber das wäre erfahrungsgemäß ein mehrjähriger Planungsprozess.“ Außerdem geht der SPD-Abgeordnete davon aus, dass Umweltverbände gegen ein solches Projekt, soweit es den umliegenden Grüngürtel betrifft, massiv vorgehen werden.
Im Mai hatte der Innen- und Sportsenator Andreas Geisel (SPD) offiziell vorgeschlagen, das TXL-Gelände für den Bau eines Hertha-Stadions zu nutzen, nachdem die Gespräche über eine Fußballarena am Rand des Olympiaparks am Widerstand betroffener Anwohner gescheitert waren. Der Verein nahm das Angebot grundsätzlich positiv auf, zumal eine eigene Standortprüfung den alternativen Standort Tegel durchaus in Betracht gezogen hatte.
Allerdings versehen mit enormen Risiken: Nur 30 Prozent der Fans könnten mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, solange eine brauchbare S- und U-Bahn-Anbindung fehlt. Wohnquartiere in der Nähe lassen Probleme beim Lärmschutz erwarten und die Böden auf dem Flughafenareal sind teilweise schadstoffbelastet, so die vereinsinterne Analyse. Zudem drohten Nutzungskonflikte mit dem Technologie-, Forschungs-, Gewerbe- und Industriepark, dessen Planung seit 2009 weit vorangetrieben wurde.
Trotz dieser skeptischen Bewertung erklärte sich Hertha BSC bereit, über einen Stadionbau in Tegel mit dem Senat zu sprechen. Seit Mai passierte aber nichts, weil der Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki (SPD) es nicht vermochte, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Auch eine kurze Beratung in der Senatssitzung vor vier Wochen blieb ergebnislos.
Senatskanzlei übernimmt Steuerung der Gespräche
Um dem Vorwurf entgegenzuwirken, dass sich Rot-Rot-Grün für die Belange des Berliner Traditionsvereins nicht interessiere, übernahm jetzt die Senatskanzlei die weitere Steuerung der Gespräche. Unter Federführung der landeseigenen Tegel Projekt GmbH sollen die fachlich zuständigen Senatsverwaltungen bis Ende Oktober vier konkrete Standorte in Tegel prüfen, die Hertha BSC allerdings selbst schon untersuchen ließ: den Zentralen Festplatz, ein Grundstück westlich der Landebahn, eine Fläche auf der Landebahn nahe dem TXL-Terminal sowie ein Grundstück auf dem nördlichen Rollfeld in Nachbarschaft zum Flughafensee.
Der Festplatz scheidet aus, weil er zu klein ist. Die anderen Areale tangieren den Landschafts- und Naturschutz oder die Pläne für die „Urban Tech Republic“. Offenbar, so ist koalitionsintern zu hören, verfolge die jetzt beauftragte Prüfung durch mehrere Senatsverwaltungen hauptsächlich den Zweck, die Verantwortung für einen negativen Bescheid von der Innen- und Sportverwaltung wegzuschieben. Denn der öffentliche Druck wächst: Landessportbund-Präsident Thomas Härtel hat den Senat in der vergangenen Woche dringend aufgefordert, Hertha BSC auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück für ein Stadion zu unterstützen und „nicht nur zu sagen, was nicht geht“.
Vereinsführung hat Standort Olympiapark noch nicht aufgegeben
Demnächst beraten der Landessportbund, Hertha und der Berliner Fußballverband gemeinsam über das Thema, und die Suche nach einem Standort für die Arena wird sicher auf der Tagesordnung der Hertha-Mitgliederversammlung im November stehen. Allmählich drängt die Zeit. Der Verein ist fest entschlossen, 2022 mit dem selbst finanzierten Stadionbau zu beginnen. Sollte das Land Berlin nicht in der Lage sein, dafür ein öffentliches Grundstück im Rahmen eines Pachtvertrags zur Verfügung zu stellen, muss sich Hertha BSC möglicherweise nach einer privaten Immobilie umsehen. Außerdem hat die Vereinsführung den – aus ihrer Sicht – idealen Standort Olympiapark noch nicht endgültig aufgegeben.
Dafür bekommt Hertha jetzt sogar Rückendeckung vom SPD-Mann Buchholz. Er weist auf die vorbildliche Anbindung des Olympiageländes an die Berliner S- und U-Bahn hin. „Diese großartige Infrastruktur läge weitgehend brach, wenn Hertha wegziehen würde“, sagt Buchholz. Eine einigermaßen vergleichbare öffentliche Verkehrsanbindung woanders neu aufzubauen, wäre sehr teuer. Deshalb könne er nur dazu raten, den Olympiapark als Hertha-Spielstätte über 2025 hinaus „nicht voreilig auszublenden“.