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Das Strom-Verfahren ist politisch sehr brisant.
© dpa

Verfahren zur Netzvergabe geht weiter: Senat hält Kriterien für Stromnetzvergabe geheim

Das Verfahren für den Betrieb des Stromnetzes geht weiter. Der Senat wird dabei scharf kritisiert: Eine öffentliche Debatte ist nicht gewünscht – und Entscheidendes bleibt vertraulich.

Nach knapp zweijähriger verwaltungsinterner Reparaturpause läuft jetzt das Vergabeverfahren für den Betrieb des Stromnetzes wieder an: Die Finanzverwaltung hat den überarbeiteten „Zweiten Verfahrensbrief“ an die drei Interessenten geschickt, also an Vattenfall, den Landesbetrieb Berlin Energie sowie die Genossenschaft Bürger-Energie Berlin. Bis zum 14. März sollen die Bewerber ihre Angebote abgeben. Doch die neue Ausschreibung unterscheidet sich stark von der alten.

Auffälligster Unterschied ist der Umfang des Verfahrensbriefs: Von ursprünglich 35 Seiten sind nur 18 übrig. Während in der alten Version siebenmal das Stichwort „transparent“ oder „Transparenz“ auftauchte, ist es in der neuen gar nicht mehr zu finden. Vor allem aber sind die Kriterien, nach denen der Zuschlag für das milliardenschwere Geschäft erteilt werden soll, jetzt geheim: Während die alte Version einen detaillierten Katalog mit 315 erreichbaren Punkten enthält, ist dieser Bewertungsmaßstab jetzt in eine von vielen Anlagen verfrachtet worden, die der Senat geheim hält.

Das Energiewirtschaftsgesetz schreibt ein „transparentes und diskriminierungsfreies“ Vergabeverfahren vor. Auf Nachfrage sind zwei sehr unterschiedliche Erklärungen für den Kurswechsel zu bekommen. Die eine kommt von der Finanzverwaltung und lautet, dass man laut aktueller Rechtsprechung nicht mehr alle Kriterien veröffentlichen könne.

Vattenfall auf den Leib geschneidert

Die andere kommt von der Energie-Genossenschaft, die das Netz gemeinsam mit dem Landesbetrieb betreiben und ökologisch umbauen will. Sie lautet: Die Neuausschreibung ist Vattenfall so sehr auf den Leib geschneidert, dass sie dem Senat um die Ohren flöge, wenn sie öffentlich würde. Also behalte er sie lieber für sich.

Dazu, was genau sich am Kriterienkatalog geändert hat, dürfen die Verfahrensbeteiligten sich im Detail bei Strafe nicht äußern. Deshalb kann Luise Neumann-Cosel von der Bürger-Energie nur sagen, dass insbesondere der Bereich der Bürgerbeteiligung bei den Prioritäten für Aus- und Umbau des Netzes zusammengeschnurrt sei. Aus dem neuen Kriterienkatalog lasse sich ein deutlicher Vorteil für Vattenfall herauslesen.

Auf Nachfrage verweist die Finanzverwaltung auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Dezember 2013. In dem stehe, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen umfassend und gleichberechtigt über die Entscheidungskriterien informiert werden müssten. Zur Erklärung schreibt die Verwaltung: „Damit stellt der BGH klar, dass sich das Transparenzgebot (…) auf die am Verfahren beteiligten Bewerber beschränkt“ – auch wenn von einer Beschränkung in den zitierten Ausführungen des BGH keine Rede ist. Eine Veröffentlichung detaillierterer Infos kann laut Finanzverwaltung „die Rechtssicherheit des Verfahrens gefährden“.

Denn eine breite öffentliche Diskussion könne nicht nur „die entscheidenden Stellen“ – in Berlin also die Finanzverwaltung – in ihrem Urteil beeinflussen, sondern auch „die Gefahr“ bergen, dass die Bieter sich unter Druck gesetzt fühlen könnten, ihre Angebote an womöglich „sachfremden Vorstellungen“ der Öffentlichkeit auszurichten. Deshalb sei ein rechtssicheres Verfahren nur auf vertraulicher Basis gewährleistet.

Geheimniskrämerei ist bundesweit einmalig

Dagegen fände es Energiegenossin Neumann-Cosel durchaus angebracht, wenn die Öffentlichkeit sich zu einem Geschäft dieses Ausmaßes eine Meinung bilden könnte. Auch vermag sie sich nicht vorzustellen, dass ein professioneller Bewerber sich vom Druck der öffentlichen Meinung verschrecken lässt. Von ihrem Anwalt hätten die Energiegenossen erfahren, dass die Berliner Geheimniskrämerei bundesweit einmalig sei, während anderswo im Wesentlichen die Geschäftszahlen und Kalkulationen des bisherigen Betreibers – in Berlin also von Vattenfall – als geheim gälten.

Nach Auskunft von Neumann-Cosel hat die Genossenschaft bisher elf Millionen Euro rechtsverbindliche Kapitalzusagen. Man wolle trotz der verschlechterten Bedingungen weiter mitbieten. Davon abgesehen habe man schon im November beim Bundeskartellamt die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens wegen Diskriminierung gegen das Land Berlin beantragt.

Dieser Antrag bezieht sich auf die „Energiegespräche“, die die Finanzverwaltung während des eingefrorenen Vergabeverfahrens im vergangenen Jahr mit den Eigentümern der Gasag geführt hat. Thema war die Zukunft der Energienetze, also für Gas und Strom. Gesprächspartner waren die Gasag-Eigner Eon, Engie und – Vattenfall.

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