Berlin: Senator (West), Stadtrat (Ost) – sein Charme überzeugte
Elmar Pieroth, einst dienstältestes Senatsmitglied von Berlin, wird morgen 70. Jetzt baut er Brücken nach Osten. Nur über Haushaltslöcher redet er nicht gerne
Wenn er nachdenken muss, läuft er am liebsten zu Hause durch den Garten zum Wannsee. Dabei genießt er manchmal den Sonnenuntergang. „Das ist wie in Italien“, schwärmt er. Schon als Wirtschafts- und Finanzsenator, als Berater des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière und Stadtrat im Ost-Berliner Magistrat unter Tino Schwierzina brauchte er diese Idylle zum Nachdenken über verzwickte Fragen. 17 Jahre stand Elmar Pieroth im Dienst der Berliner Politik, von 1981 bis 1998. Am 9. November wird er 70.
Ideen sprüht er immer noch. Er ist doch kein Müßiggänger, sondern Unternehmer in seiner rheinhessischen Heimat und Brückenbauer nach Ost-Europa in seiner Wahlheimat Berlin. Folglich feiert er zwei Mal Geburtstag, morgen mit einigen hundert Mitarbeitern auf seinem Weingut Burg-Layen bei Bingen, am Sonnabend mit Weggefährten in Berlin und natürlich mit den sechs Kindern und zehn Enkeln.
Es muss ein glückliches Naturell sein, dass ihn so in Schwung hält. Elmar Pieroth zählt nur die heiteren Stunden, die trüben vergisst er glatt. Prinzipiell redet er über Erfolge und nicht über Misserfolge. Keine Arbeit ist ihm zu viel, aber er muss sich dabei wohlfühlen. Er weiß, was er geleistet hat, immer optimistisch, immer rastlos. Seine wichtigste Waffe ist doch der angeborene Charme, mit dem er zu fesseln versteht. Als er 1981 mit Richard von Weizsäcker nach Berlin kam, hatte er schon lange einen Namen als Unternehmer und Bundestagsabgeordneter. Mit 18 hatte er seine erste Weinstube. Fünf Jahre später übernahm er das väterliche Weingut und baute es zu einem Familienimperium aus. Erst dann studierte er Volkswirtschaft und ging in die Politik.
Er war Weizsäckers und Eberhard Diepgens einfallsreicher Wirtschaftssenator. Noch heute ist er stolz auf seine Innovationsoffensive, vor allem auf das „Berliner Innovations- und Gründerzentrum“ (BIG), das er 1983 auf dem AEG-Gelände in der Weddinger Ackerstraße als bundesweit erstes seiner Art ins Leben rief. Die Opposition zählte damals die steigende Zahl der Arbeitslosen, Pieroth zählte die neuen Arbeitsplätze – 43 000 bis 1988.
Weniger Glück hatte er im Gesamtberliner Senat der großen Koalition. 1991 wurde er Finanzsenator. Es war nicht sein Metier, und die Etatprobleme wuchsen dem Diepgen-Senat über den Kopf. Pieroth rechnete gern mit den Fingern. Es kam vor, dass er sich vor der Presse verhedderte und entwaffnend meinte: „Ei sagen wir fünf statt vier Milliarden Neuverschuldung, dann hammers aber.“ 1994 wurde die Neuverschuldung gar auf 7,4 Milliarden hochgetrieben.
Als er 1995 wieder Wirtschaftssenator wurde, wollte er es nur noch zwei Jahre bleiben. Der dienstälteste Senator fühlte sich nicht mehr wohl im Amtstrott, im miesen Koalitionsklima, bei den wirtschaftlichen Sorgen und der rigorosen Kürzungspolitik der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD). Auch bekam er Ärger mit dem Rechnungshof und dem Verfassungsgerichshof, weil er verfassungswidrig am Parlament vorbei eine Milliarde Zins- und Tilgungsforderungen aus Wohnungsbaudarlehen an die Industriebank verkauft hatte. Doch Diepgen wollte ihn nicht ziehen lassen. So zog sich sein Abschied quälend länger als ein Jahr hin. Pieroth verschwand öfter zu einem Nickerchen oder Spaziergang. Aber es ärgerte ihn, dass nur noch von seiner Amtsmüdigkeit die Rede war.
Kaum war er das Amt endlich los, strahlte er auch wieder. Er wurde persönlicher Osteuropa-Beauftragter des Regierenden Bürgermeisters Diepgen, ehrenamtlich. Später gründete er den Verein „Most“. Er ist Vorsitzender, Ehefrau Hannelore, seit bald 50 Jahren sein anderes Ich, „führt als Schatzmeisterin praktisch die Geschäfte“. Er ist ja viel unterwegs. Most ist das slawische Wort für Brücke. „Most“ baut Brücken zu Osteuropa, vermittelt zum Beispiel in Berlin studierende Osteuropäer als Praktikanten in Firmen. So entstehen Kontakte, die sich geschäftlich bezahlt machen sollen.
Pieroth war immer ein Nachwuchsförderer. Sei es, dass er junge Leute in der CDU nach vorn führte oder Studenten zu Firmengründungen ermunterte. Und er verstand sich stets als Ost-West-Mittler, zu Mauerzeiten wie im Zeichen der Einheit. Früh mahnte er zur Auseinandersetzung mit der PDS statt Verunglimpfung mit Rote-Socken-Kampagnen. Er sprach sogar bei Jugendweihen. Viele in der CDU begriffen diese Strategie nicht. Pieroths kennen keine Berührungsängste. Gewesene SED-Größen, die mit der PDS nichts zu tun haben, gehören zu ihren guten Bekannten und Freunden. Neugier auf Menschen zahlt sich aus.
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