Nach der Unionskrise im Asylstreit: „Seehofer hat Schaden angerichtet“
Michael Garmer, Chef der Berliner Werteunion, spricht im Interview über die Krise der Konservativen.
Herr Garmer, im Unionsstreit forderte Horst Seehofer, dass Asylbewerber, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden sollen. Der Bundesvorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch, sagte, inhaltlich stehe er hinter der Forderung der CSU – wo stehen Sie als Chef er Berliner Werteunion?
Wenn wir die Ziele aus Horst Seehofers Masterplan mit Angela Merkels europäischer Lösung erreichen können, wäre das der beste Weg. Natürlich hat Horst Seehofer mit seinem Verhalten so viel Druck erzeugt, dass wir schneller zu europäischen Vereinbarungen gekommen sind. Insofern hat das Sinn ergeben. Es geht nicht um Asylrecht und zeitweilige Hilfen für Kriegsflüchtlinge. Wir müssen die illegale Migration bekämpfen. Es ist legitim, dass wir entscheiden wollen, wen wir als Einwanderer akzeptieren.
Die Werteunion ist der Zusammenschluss der konservativen Initiativen innerhalb von CDU und CSU. Welche konservativen Werte rettet die CSU damit, dass sie Asylbewerber an der Grenze zurückweist?
Konservativ ist ein schillernder und erklärungsbedürftiger Begriff. In den 1990er Jahren wurden Gorbatschows Gegner im Politbüro ja auch als die „Konservativen“ apostrophiert. Da saßen aber nicht Alfred Dregger und Franz-Josef Strauß, sondern andere Konsorten. Manche unterscheiden zwischen werte- und strukturkonservativ. Aber auch das ist erklärungsbedürftig. Denn: Was sind denn Werte? Auch die sizilianische Mafia kann man als wertekonservativ bezeichnen, die hat ja auch ihre Werte. Ein ähnlich schwieriger Begriff ist „bürgerlich“.
Was ist denn für Sie konservativ?
Bürgerlich-konservativ hat für mich im Kern mit Liberalität und Verantwortung zu tun. Jeder soll die Freiheit haben, zu leben, wie er das für richtig hält, bis zu dem Punkt, an dem er die Freiheit der anderen einschränken würde. Das unterscheidet uns von den Linken, die sagen: Die Menschen sind unterschiedlich, das kann nicht so bleiben. Es geht dabei auch zum Beispiel um Verantwortung. Liberalität und Verantwortung sind für mich der Kern bürgerlich-konservativen Lebens.
Könnte man nicht auch sagen, dass die Politik, die Horst Seehofer in den letzten Tagen betrieben hat, verantwortungslos war und damit Ihrem Bild von Konservativismus widerspricht?
Der Ansatz war richtig. Aber in den letzten Stunden hat er überzogen. Da hat er Schaden angerichtet und das Vertrauen der Bürger in das politische System, das in letzter Zeit sowieso gelitten hat, noch mehr zerstört. Das ärgert mich sehr.
Was halten Sie von dem „Kompromiss“ mit Transitzonen?
Mit nationalen Lösungen kommen wir nicht weiter. Wenn Schengen bestand haben soll, brauchen wir funktionierende Außengrenzen. Da werden wir den Griechen und Italienern noch viel Unterstützung geben müssen – logistisch wie finanziell. Alles bis dahin kann nur vorläufig sein. Wir müssen dafür sorgen, dass das Sterben auf dem Mittelmeer aufhört. Das geht nur mit Maßnahmen, die hart klingen mögen. Wir müssen drei, vier Monate konsequent alle Menschen, die wir aus dem Mittelmeer fischen, zurückbringen. Dafür brauchen wir Auffangzentren in den nordafrikanischen Ländern. Wenn sich das herumspricht, wird auch die Schlepperei aufhören.
Das umzusetzen dürfte faktisch und rechtlich schwierig sein. Außerdem sind diese Lager, beispielsweise in Libyen, für die Menschen die Hölle.
Das stimmt. Dafür brauchen wir die Vereinten Nationen, damit sie diese Auffanglager überwachen. Aber ich sehe darin die einzige Möglichkeit.
Ist die Zeit Angela Merkels abgelaufen, wie der baden-württembergische Werteunionsvorsitzende Holger Kappel sagte?
Das würde ich nicht sagen. Aber der Streit hat allen geschadet – auch ihr. Es sind alle auf vier Jahre gewählt und ich erwarte, dass wir die anstehenden Probleme in den Griff bekommen. Gerade mit Blick auf die bayerische Landtagswahl sollten die Kollegen von der CSU sich jetzt zusammenreißen und die Aufgaben, die vor ihnen liegen, angehen und lösen. Da liegt viel beim Bundesinnenminister. Der hat es jetzt in der Hand als der ressortmäßig Zuständige.
Das Gespräch führte Ronja Ringelstein
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