BVG und S-Bahn in Berlin: Schwarzfahrer sind eben auch Straftäter
Der Rechtsstaat kann nicht einfach sagen: Manche Taten lassen wir folgenlos. Denn dann führt er sich selbst ad absurdum. Ein Kommentar.
Über den Umgang mit Schwarzfahrern lässt sich nicht nur sehr gut streiten, sondern der Disput erreicht auch schnell eine Ebene, bei der es um die Gesellschaft als Ganzes geht. „Wer eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, muss diese auch bezahlen“, sagen die einen, „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ Wer sozial zu schwach sei, für den gebe es das Sozialticket.
„Wer infolge Schwarzfahrens in Haft sitzt, ist ohnehin eine arme Sau und ein Habenichts, da sollte der Staat einfach beide Augen zudrücken und ihm das Leben nicht schwerer machen, als es für ihn schon ist“, entgegnen die anderen. Und: „Dass Falschparken nur eine Ordnungswidrigkeit ist, Schwarzfahren aber eine Straftat, zeigt eine völlig ungesunde Bewertung; beides sollte rechtlich gleichgestellt werden.“
Das Problem kann also als Systemfrage betrachtet werden. Schadet der Falschparker der Gemeinschaft im gleichen Maße wie der Schwarzfahrer? Eher nicht. Der Schwarzfahrer enthält dem Verkehrsunternehmen seinen Anteil vor. Es ist eine Form des Betrugs. Die BVG schätzt die Einnahmeverluste durch Beförderungserschleichung auf jährlich 20 Millionen Euro – dafür könnte sie 50 bis 60 Gelenkbusse kaufen, die wieder allen zugutekämen.
Der Schwarzfahrer schädigt die Gemeinschaft, der Falschparker nicht
Der Falschparker schädigt im Normalfall eigentlich niemanden und betrügt auch nicht. Der Unterschied in der rechtlichen Bewertung ergibt so gesehen seinen Sinn. Dennoch ist es sicher vertretbar, auch das Schwarzfahren zur Ordnungswidrigkeit machen zu wollen. Das wird seit Jahrzehnten diskutiert, vor allem die Grünen sind schon lange dafür.
Der Ist-Zustand ist aber nun mal: Schwarzfahren ist eine Straftat. Wird Strafantrag gestellt, muss sie verfolgt werden. Die BVG erstattet längst nicht in jedem Fall Anzeige, sondern nur, wenn jemand binnen zwei Jahren mindestens drei Mal erwischt wurde und das „erhöhte Beförderungsentgelt“ hartnäckig nicht zahlt. Das ist schon eine ziemlich moderate Herangehensweise.
Der Rechtsstaat kann sich nun schlecht vom Strafgedanken verabschieden, denn dann führt er sich ad absurdum. Er hat eben seine Prinzipien, und davon profitieren im Ergebnis alle.
Die BVG könnte ihr Eigentum auch bewachen und so sicherstellen, dass nur Berechtigte ihre Anlagen nutzen. Sie verzichtet darauf aus Kostengründen und nimmt stattdessen eine erhöhte Schwarzfahrerquote in Kauf.
schreibt NutzerIn yoda
Prinzipien haben auch viele Schwarzfahrer: Ein ziemlich großer Teil von ihnen fährt aus Überzeugung schwarz und zahlt aus Prinzip nicht das „erhöhte Beförderungsentgelt“ und auch nicht die Geldstrafe. So kommt es zur Ersatzfreiheitsstrafe. Es hat jeder die Möglichkeit, die Strafe mit sozialen Tätigkeiten abzuarbeiten, statt sie bloß abzusitzen. Im Idealfall bringt ihm das sogar noch etwas Sinnstiftung. Es wird so gut wie niemand direkt in die Haft gezwungen. Doch auch die soziale Arbeit verweigern viele konsequent. Sinnstiftung ist bei ihnen unerwünscht.
Und, das muss man auch sagen: Prinzipientreue kostet. Durch die Haft muss der Steuerzahler rund hundert Euro pro Tag und Schwarzfahrer aufbringen. Auch das gilt im Grunde für die ganze Gesellschaft: Die Hartleibigen, die sich ihr total verweigern, sind ihre teuersten Mitglieder.
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