Schwarzfahren in Berlin: BVG will keine Sperren an den Zugängen
Im Kampf gegen Schwarzfahrer macht die BVG mit verstärkten Kontrollen ernst. Bahnsteigtüren wie in London will sie aber nicht.
Für viele sind sie die ideale Möglichkeit, Schwarzfahrer aus der U-Bahn zu verbannen: Sperren an den Zugängen. Städte wie Paris, London oder New York haben sie. Berlin dagegen setzt – wie die anderen U-Bahn-Städte in Deutschland – auf ein offenes System ohne automatisierte Zugangskontrolle. Kontrolleure, die in einem Häuschen, Wanne genannt, saßen, gibt es schon seit zig Jahren nicht mehr.
Automatisierte Sperren auf den 173 U-Bahnhöfen der BVG einzubauen, wäre mit einem Milliardenaufwand verbunden. Und vor allem bei älteren Bahnhöfen baulich schwierig umzusetzen. Ursprünglich waren die Tunnel und Bahnhöfe fast unter der Straßenfahrbahn gebaut worden – als „Unterpflasterbahn.“
Von der Straße gelangt man über eine Treppe sofort auf den Bahnsteig. Für Sperren gibt es dort kaum Platz. Einfacher ist es, wenn Zwischengeschosse vorhanden sind, wie man sie später bei neueren Stationen eingebaut hat.
Auch in Paris gibt es Schwarzfahrer
Die BVG hat das nachträgliche Umrüsten zwar erwogen, dann aber doch verworfen. Zudem würde es potenzielle Schwarzfahrer auch nicht hundertprozentig fernhalten. Sie überspringen einfach niedrige Sperren oder schlüpfen durch Ausgangstüren, wenn ein Fahrgast den Bahnhof verlässt. Schon vor Jahren hatte der Pariser Nahverkehrsbetrieb RATP festgestellt, dass es auch an der Seine einen erheblichen Anteil von Nichtzahlern gebe.
Wer drei Mal ertappt wird, muss mit einer Strafanzeige rechnen. Vor wenigen Jahren hieß es noch, der Anteil der Schwarzfahrer bei den Insassen der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, in die in der Regel Insassen mit Kurzstrafen kommen, liege bei einem Drittel.
Schwarzfahren ist Erschleichung von Leistungen
Am Donnerstag nannte die Justizverwaltung aktuelle Zahlen: Demnach verbüßen derzeit von 463 Gefangenen 240 eine Ersatzfreiheitsstrafe, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt haben, 68 von ihnen wegen der Erschleichung vom Leistungen.
Neben Schwarzfahren zählen dazu auch das Erschleichen von Leistungen an Automaten, in Telekommunikationsnetzen oder bei Veranstaltungen. Gesondert erfasst würden Schwarzfahrer nicht, sagte Justizsprecherin Claudia Engfeld.
Viele haben kein Geld für Ticket
Der Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar forderte am Freitag, den Preis des Sozialtickets zu senken, weil viele Arme nur ohne Ticket einstiegen, weil sie kein Geld dafür hätten. Zudem solle das Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat geahndet werden.
Diesen Vorschlag lehnt die CDU rundweg ab. „Es ist ein Zeichen der Gerechtigkeit, dass jeder seinen Beitrag zahlen muss“, sagte ihr Verkehrspolitker Oliver Friederici. Er setzt auf Abschreckung: „Die Quote der Schwarzfahrer wird durch die höhere Kontrolldichte deutlich sinken.“ Die BVG setzt derzeit 40 eigene Angestellte und 100 über einen Dienstleister beschäftigte Kontrolleure ein. Sie gibt dafür mehr Geld aus, nimmt aber noch mehr Geld ein. In Zahlen: Statt der 3,3 Millionen Euro des Vorjahrs gab sie vergangenes Jahr 4,6 Millionen Euro für Kontrolleure aus und nahm so 6,8 Millionen Euro an erhöhten Beförderungsentgelten ein. Dem Unternehmen entsteht durch Schwarzfahrer ein geschätzter wirtschaftlicher Schaden von rund 20 Millionen Euro jährlich. Das entspricht etwa dem Preis von 50 bis 60 neuen Gelenkbussen. Dem Steuerzahler wiederum entsteht ein Millionenschaden durch die Ersatzfreiheitsstrafen. Jeder Haftplatz kostet pro Tag rund 100 Euro.
Totalverweigerer
Für Schwarzfahren kommt man in der Regel nicht ins Gefängnis, ebenso wenig für andere Alltagsklassiker wie Ladendiebstahl. Wer schwarz gefahren ist und nun in Plötzensee einsitzt, der ist dort, weil er die Geldstrafe nicht bezahlt hat, zu der er wegen Schwarzfahrens verurteilt wurde. Die BVG stellt bei wiederholtem Erwischtwerden Strafantrag, dann gibt es eine Anklage, und das Gericht verurteilt den „Beförderungserschleicher“ zur Zahlung. Anfangs sind das vielleicht nur fünf Tagessätze, beim nächsten Mal schon zehn, und so weiter. Dasselbe Prinzip gilt auch für andere kleine Delikte. Wer nicht zahlt, muss pro Tagessatz einen Tag seines Lebens hergeben. Doch auch dann heißt das noch nicht zwingend, dass er ins Gefängnis muss. Mindestens die Hälfte der Verurteilten arbeitet die Strafe mit sozialen Tätigkeiten ab, etwa in Programmen wie „schwitzen statt sitzen“. Manche finden darüber sogar zu einem sinnvollen Lebensinhalt. Erst wer sich wirklich um gar nichts kümmert, kommt in Haft.
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