Lehrermangel in Berlin: Wir nehmen alle
Eine Chance für Seiteneinsteiger an den Schulen: In fast allen Fächern gibt es nicht ausreichend Lehrer. "So etwas haben wir noch nie erlebt", heißt es im Personalrat. Die Pensionierungswelle lässt keine andere Alternative.
Die Ausnahme wird zur Regel: Ab sofort nimmt die Bildungsverwaltung in fast allen Fächern berufliche Seiteneinsteiger in den Schuldienst auf. Dies geht nach Informationen des Tagesspiegels aus der neuesten Stellenausschreibung hervor, die soeben veröffentlicht wurde. Demnach gibt es nur noch in Geschichte, Sozial- und Erdkunde genug Lehrer. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) fürchtet offenbar, ohne eine weitere Aufweichung der Einstellungsvoraussetzungen den Bedarf für das Schuljahr 2014/15 nicht decken zu können.
„So etwas haben wir noch nicht erlebt“, heißt es aus dem Gesamtpersonalrat mit Blick auf die Mangelsituation. Zuletzt hatten nur Mathematik, Physik, Chemie, Informatik, Musik und Wirtschaft-Arbeit-Technik den Status „Mangelfach“. Es zeigte sich aber bereits in den laufenden Einstellungen zum Schulhalbjahr, dass selbst im Fach Sport die Bewerber knapp wurden. Wie berichtet, saßen bei den Lehrercastings zum Teil mehr Schulleiter als arbeitssuchende Pädagogen. Nur mithilfe einer Vielzahl von Referendaren gelang es schließlich, den Unterricht ab Februar irgendwie abzudecken – häufig durch Lehrer, die das betreffende Fach nicht studiert haben. Jetzt zieht die Bildungsverwaltung offenbar die Konsequenzen aus diesem Desaster. „Sie machen das richtig“, lobte am Mittwoch Dieter Haase vom Gesamtpersonalrat die Entscheidung aus Scheeres’ Behörde. Die Situation werde im Sommer so schwierig, dass man sich „alle Möglichkeiten“ offenhalten müsse.
Bewerber, die ein reguläres Lehramtsstudium absolviert und ein Referendariat abgeschlossen haben, werden weiterhin bevorzugt eingestellt. Von ihnen gibt es aber mit Sicherheit zu wenig, denn den rund 1400 Stellen, die 2014 noch besetzt werden müssen, stehen nur 550 Lehrer gegenüber, die in diesem Jahr ihr Referendariat beenden. Selbst wenn alle in Berlin blieben und nicht in andere Bundesländer abwanderten, würden sie nicht ausreichen, um alle Lehrer zu ersetzen, die in Pension gehen. Zwar kommen erfahrungsgemäß auch Lehrer aus anderen Bundesländern nach Berlin. Aber die reichen längst nicht aus, weil Berlin schlechter bezahlt als die anderen. Was die Lage noch zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass Brandenburg ebenfalls rund 1000 Lehrer braucht und ihnen rasche Verbeamtungen verspricht.
Selbst ein Germanistik-Magister kann jetzt auf Anstellung hoffen
Profitieren können von der Mangelsituation all jene Hoch- und Fachhochschulabsolventen, die statt eines Staatsexamens nur einen Diplom-, Magister- oder Masterabschluss erworben haben und dennoch in den Schuldienst streben. Voraussetzung ist nur, dass ihr Hauptfach zu den Mangelfächern gehört. Somit kann sich also sogar ein Magister der Germanistik – früher der Inbegriff des Taxi fahrenden Akademikers – Hoffnung auf ein Auskommen als Lehrer machen. Zwar heißt es in der Ausschreibung, dass der Bewerber ein Zweitfach studiert haben muss, das „einem Unterrichtsfach der Berliner Schule zugeordnet werden kann“. Aber auch hier eröffnet die Bildungsverwaltung die Möglichkeit, fehlende Semesterwochenstunden durch ein berufsbegleitendes Studium nachzuholen.
Wer nicht in eine Grund– oder Oberschule will, hat in der beruflichen Bildung ebenfalls gute Aussichten. Hier ist die Situation ähnlich prekär. Schon bei der letzten Ausschreibung standen die Fachrichtungen Elektrotechnik, Metalltechnik, Bautechnik, Psychologie und Sozialpädagogik auf der Mangelliste. „Dabei wird es nicht bleiben“, heißt es aus den Berufschulen. Es fehle „an allen Ecken und Enden“.
Beispiele für den aktuell bereits vorhandenen Lehrermangel werden wieder in der "Heißen Kiste" der Junglehrerinitiative Bildet Berlin! gesammelt.