zum Hauptinhalt
Der Autor dieses Beitrags, Robert Rauh, führt Berliner Schüler seit vielen Jahren zum Abitur. Er ist Historiker und Referendarausbilder.
© Susanne Vieth-Entus

Berlins bekanntester Lehrer gibt Tipps: Wie Schule besser laufen kann

Joker fürs Hausaufgabenvergessen und Grillen beim Elternabend: Was der Berliner Lehrer Robert Rauh seinen Kollegen rät. Am 22. September stellt er sein Buch vor.

Robert Rauh ist nicht zu stoppen. Nicht genug damit, dass er am Barnim-Gymnasium in Lichtenberg ausgezeichneten Unterricht macht und deshalb den Deutschen Lehrerpreis 2013 gewann. Er bildet als Seminarleiter künftige Geschichtslehrer aus, ist Herausgeber und Autor von Schulbüchern und Methodentrainern, reüssiert seit Jahren als Moderator und wird gern gehört als schulpolitischer Ratgeber – zuletzt bei der Neukonzeption der Rahmenlehrpläne im Fach Geschichte. Jetzt hat er erstmals ein Buch geschrieben, das sich nicht an Schüler richtet, sondern an Lehrer und Eltern. "Schule, setzen, sechs" heißt es und ist trotz des Titels eine Art Mutmachbuch.

Wobei der Fokus eindeutig auf den Lehrern liegt. Rund zwei Drittel des Buches drehen sich um die Frage, was die Pädagogen und die Schulen besser machen können. Rauh fordert seine Kollegen auf, sich zu Beginn eines Schuljahres intensiver als üblich mit den neuen Klassen zu beschäftigen: Was können die Schüler, welchen Stoff haben sie im Vorjahr durchgenommen? Wer dies ernst nimmt, wird nicht stur nur deshalb mit der Französischen Revolution anfangen, weil er das in der achten Klasse immer so macht.

Er wird auch sein übliches Englischmaterial in der zehnten Klasse nicht so einsetzen, als hätte es in der neunten Klasse nicht laufend Unterrichtsausfall gegeben. Rauh erzählt von „abgegriffenen alten Folien“, zu denen manche Lehrer ein ums andere Jahr greifen, weil das eben bequemer ist, als neues Material zu erarbeiten.

Gleichzeitig zeigt er aber auch, dass der Unterricht viel leichter wird und sich die Kollegen viel Frust ersparen, wenn sie sich die Mühe machen, sich individuell auf ihre Klassen einzustellen. Da ist dann der Mutmach-Rauh.

Lieber mal ein Grillabend mit den Eltern

Die Hauptstärke des Buches liegt bei seinem von Sympathie für die Schüler getragenem Grundton und dem optimistischen Blick nach vorn. Der wird auch Eltern guttun, zumal sie dort beispielsweise erfahren, wie man die berüchtigten Elternversammlungen auflockern kann: Manchmal hilft es schon, die Lokalität zu wechseln und das Klassenzimmer gegen den Schulhof (Grillabend!) oder die nächste Kneipe zu tauschen.

Zum Dauerthema Notenstreit könnte sein Vorschlag hilfreich sein, in schwierigen Fällen eine Schlichterkommission einzusetzen, die aus Lehrer- und Elternvertretern besteht. Damit sei manches Gerichtsverfahren zu verhindern, vermutet der 48-Jährige, der an der HU und FU studierte und seit 14 Jahren an dem Lichtenberger Gymnasium unterrichtet.

Dort hat er sich auch die Sache mit den Jokern ausgedacht: Jeder Schüler bekommt in der ersten Stunde des neuen Schuljahres vier Joker, jeweils zwei für nicht gemachte Hausaufgaben und schlechte mündliche Mitarbeit. Wer nicht gut vorbereitet ist, kann vor Stundenbeginn einen Joker einsetzen. Nach jahrelanger Erfahrung kann der Pädagoge resümieren, dass die wenigsten von dem Angebot Gebrauch machen: „Es reicht ihnen offenbar die Gewissheit, sie hätten im Notfall die Möglichkeit. Mit dieser Option signalisiere ich den Schülern, dass wir nicht gegeneinander kämpfen, sondern miteinander – für ein gemeinsames Ziel“.

Diepgen riet ihm, das Bundesland zu wechseln

Zwischendurch erzählt der gebürtige Berliner, wie er im Jahr 1998 zum damaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen in die Sprechstunde ging, um sich darüber zu beklagen, dass das Land Berlin ihm trotz seines Einserexamens erst für das Jahr 2015/16 eine Anstellung als Lehrer in Aussicht stellte, weil seine Fächer Deutsch, Geschichte und Politik damals partout nicht gebraucht wurden. Diepgen riet ihm, in ein anderes Bundesland zu wechseln.

Rauh aber blieb und fand Arbeit bei der Dekra-Akademie: Dorthin schickt die Arbeitsagentur Schüler, die keinen Abschluss geschafft haben: die ganz schwierigen Fälle. Dieser Episode verdankt Rauh einige Einblicke, die er als Gymnasiallehrer nie haben wird. Dort hat er beispielsweise gelernt, dass man bestimmte Schüler um 7 Uhr wecken muss, damit sie zum Unterricht kommen. Er rief sie selbst zu Hause an.

Geschenkt, dass Rauh auch seine Forderung nach einer zehnprozentigen Vertretungsreserve kurz erwähnt, für die er und sein Mitstreiter Florian Bublys von der Initiative „Bildet Berlin!“ zurzeit ein Volksbegehren anstreben.

Dass er im Schlusskapitel die Abschaffung des bundesdeutschen Kulturföderalismus fordert, könnte ihn schließlich noch in einige Talkshows katapultieren – was durchaus vorstellbar ist, zumal er als langjähriger Moderator der Schönhausener Schlossgespräche gezeigt hat, dass er in Eloquenz und akribischer Vorbereitung auch den geübtesten Talkshowprofis durchaus das Wasser reichen kann.

Aktuell moderiert er zusätzlich einen Talk mit prominenten Frauen im Schloss Charlottenburg. Allein im Herbst wird er durch fünf Gesprächsabende führen. Und im März ist der Sänger Klaus Hoffmann dran.

Die Vorstellung des neuen Buches wird übrigens von zwei seiner ehemaligen Schüler moderiert, die nach dem Abitur in Medienberufen Fuß gefasst haben. Es sind nicht die einzigen ehemaligen Schülerinnen und Schüler, die Kontakt halten: Bei den Schönhausener Schlossgesprächen tauchen ebenfalls immer mal wieder Ehemalige auf, die bei der Organisation der Abende helfen. Auch das macht Mut: Die Tatsache, dass da Schüler und ihr Lehrer zusammenhalten und sich nicht aus den Augen verlieren.

Buch und Lesung

Robert Rauh: "Schule, setzen, sechs". Von Lehrern und Eltern, die trotzdem nicht verzweifeln. Verlag Kösel, 224 Seiten, 17,99 €.

Am 22. September um 19 Uhr stellt Robert Rauh das Buch im Schloss Schönhausen, Tschaikowskistraße 1, Pankow, vor. Ebenso wie die von ihm moderierten Schlossgespräche findet die Buchpremiere im Rokokosaal statt. Der Eintritt ist frei. Telefonische Reservierung unter 4039 492 625 von Dienstag bis Sonntag, 10–18 Uhr.

Zur Startseite