Scheeres sorgt für Verblüffung: Überraschende Entscheidungen
Sogar Parteifreunde reagieren verblüfft auf die überraschende Berufung der SPD-Abgeordneten Sandra Scheeres zur Bildungssenatorin.
„Es wird Überraschungen geben“, hat SPD-Chef Michael Müller vor einigen Tagen über den neuen Senat gesagt. Die Überraschung ist gelungen. Niemand wäre darauf gekommen, dass Sandra Scheeres Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft wird. Ausgerechnet die unerfahrenste unter den Neulingen soll das schwierigste Ressort führen und das Schwergewicht Jürgen Zöllner beerben. Die 41-jährige gebürtige Düsseldorferin, die 1993 in die SPD eintrat, ist weder eine ausgewiesene Schulexpertin noch eine Fachfrau für die Wissenschaft. Dafür kennt sie sich gut mit Kitas aus und war zuletzt jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Die ersten Reaktionen aus dem Berliner Schulwesen und aus Wissenschaftkreisen sind kritisch. Die befragten Schulfachleute aus dem Parlament und aus den Verbänden bezweifeln hinter den Kulissen, dass Scheeres die schwierige Schulverwaltung in den Griff bekommen wird.
„Erstaunlich“ sei die Personalie, sagt Anja Schillhaneck, Wissenschaftsexpertin der Grünen. Wolfgang Albers (Linke) schätzt Scheeres zwar als „verlässlich und stark“. Doch für die Wissenschaft sei sie eine Notlösung. Wegen des einzigartigen Ressortzuschnitts – die außeruniversitären Institute muss Scheeres der Wirtschaftssenatorin überlassen – habe „jeder, der Rang und Namen hat“, abgesagt: „Aus Wowereits Ferngesprächen wurden Ortsgespräche“, sagt Albers. Man werde die unerfahrene Senatorin auch aus der Opposition heraus „fachpolitisch stützen, wo es geht“.
FU-Präsident Peter-André Alt hat den Namen Scheeres vorher noch nie gehört und hofft auf das Beste. Er wünscht sich, dass Zöllners Staatssekretär Knut Nevermann weitermacht. „Das hätte eine stabilisierende Wirkung“, findet auch Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität. Nevermann selbst sagt auf Anfrage, er sei nicht abgeneigt, aber noch habe Scheeres ihn nicht gefragt. Jörg Steinbach, Präsident der TU-Berlin, will Scheeres offen und fair gegenüber treten. „Entscheidend ist, dass sie sich schnell einarbeitet.“
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stellte Scheeres am Montag als „erfahrene Jugendpolitikerin“ vor. Sie werde sich von der Krippe über die Kita bis zur beruflichen Bildung kümmern: „Sie hat in der Vergangenheit Kompetenz gezeigt“, sagte Wowereit. Welche Akzente er sich von ihr in der Wissenschaft erwarte, ließ er offen.
Tatsächlich verweist auch nichts in ihrer Lebenslauf darauf, dass Scheeres sich schon einmal mit dem Thema Wissenschaft befasst hat, sieht man von ihrem Pädagogik-Studium in Düsseldorf ab: „Wir hatten ihr diese Größenordnung nicht zugetraut“, heißt es hinter vorgehaltener Hand sogar aus der SPD-Fraktion, zumal sie „gar keine Ahnung vom Wissenschaftsbereich“ habe.
Jedoch stehen der neuen Senatorin ausgerechnet in der Wissenschaft große Bewährungsproben bevor. Sie muss die Fusion der Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum (MDC) umsetzen, für die der Bund viele Millionen ausgeben will. Im Sommer fällt die Entscheidung im Exzellenzwettbewerb der Universitäten. Hier muss Scheeres so durchsetzungsstark sein wie Zöllner. Außerdem tut sich eine gefährliche Finanzierungslücke auf. Noch bekommen die Universitäten 100 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt von Bund und Ländern. Doch der läuft ab 2015 aus.
Scheeres sagte auf Nachfrage, sie habe sich über ihre Berufung gefreut. Sie werde nach der von Rot-Schwarz erklärten Trennung von Wissenschaft und Forschung „schauen, welche Schnittstellen da sind“.
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